Der Tagesspiegel | 12.07.2017
Ein Gutachten für den Europäischen Gerichtshof stellt die Asylpraxis der EU infrage. Es vertritt die Position, dass Ausnahmen zulässig seien.
DOMINIK STRAUB
Die beiden Fälle, über die der EuGH am 26. Juli zu entscheiden hat, betreffen einen syrischen Flüchtling sowie zwei afghanische Frauen. Sie waren 2015 zusammen mit einer Million weiteren Flüchtlingen, Vertriebenen und Migranten über die sogenannte Balkanroute nach Europa gelangt. Der Syrer hatte in Slowenien ein Asylgesuch gestellt, die beiden Afghaninnen in Österreich. Beide Länder lehnten die Anträge ab. Die Flüchtlinge seien nicht bei ihnen in die EU eingereist, sondern über Griechenland und Kroatien, hieß es zur Begründung. Laut dem Dublin-Abkommen sei aber derjenige EU-Staat für die Aufnahme und das Asylverfahren zuständig, in welchem der Antragsteller erstmals europäischen Boden betrete.
Es könnte sein, dass das nicht mehr lange gilt. Denn die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, die Britin Eleanor Sharpston, vertritt in einem Gutachten die Position, dass Ausnahmen von der gemeinsamen EU-Asylpraxis zulässig seien. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn Länder mit einer EU-Außengrenze mit „außergewöhnlich hohen Zahlen von Asylbewerbern“ konfrontiert seien. Dann bestehe nämlich das Risiko, dass sie nicht in der Lage seien, die Situation zu bewältigen und ihre Verpflichtungen bei Aufnahme und Versorgung einzuhalten. Griechenland und Kroatien hätten während der Flüchtlingswelle über den Balkan unmöglich alle Fälle der Ankommenden allein prüfen können, betont Sharpston in ihrem Gutachten.
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