der Freitag | Juli 2018
Tausende demonstrieren in über 20 deutschen Städten dafür, Flüchtende im Mittelmeer zu retten. Das mediale Echo bleibt allerdings gering. Dieses Kleinschweigen ist fatal
Elsa Koester
Es ist eine wahrhaft beängstigende Vorstellung, aber wagen wir sie einmal: Stellen wir uns vor, 12.000 Menschen wären in Berlin gegen zivile Seenotrettung im Mittelmeer auf die Straße gegangen – unter dem Motto #Seemauer. Über Telegram und Online-Foren würden sich deutschlandweit Hunderte Aktivisten vernetzen, in 50 Städten würden sich spontan Initiativen günden, um die Mauer im Meer dicht zu machen, vier Wochen nach der ersten großen Demonstration würden bereits in 20 Städten bundesweit Tausende dagegen demonstrieren, Menschenleben zu retten. Die Zeitungen wären voll davon, und mit voll meine ich: von vorne bis hinten. Titelseite, Schwerpunkt, Kommentare, Reportage, Analysen. Alle Aspekte dieser neuen „Bewegung“ würden durchleuchtet: Wer macht da mit? Aus welcher Motivation? Wäre eine Mauer im Meer tatsächlich machbar? Wie viele Geflüchtete aus dem Meer dürfen noch nach Deutschland, wenn so viele ganz gegen ihre Rettung sind? Muss jetzt nicht auch die SPD eine Mauer in Erwägung ziehen – wo es doch der Wille des Volkes ist? Und die Talkshows: „Muss die Mauer her?“