26. Juni 2018 · Kommentare deaktiviert für LIFELINE: Welche Blockade-Rolle spielte Seehofer? · Kategorien: Deutschland, Europa, FFM-Texte, Italien, Kommentar, Libyen · Tags: , ,

In der europäischen Nachkriegsgeschichte ist die politische Tragödie der Kollektivabschiebung von 1.000 bis 2.000 Menschen – Boat-people im Mittelmeer – zurück in KZs in unmittelbarer Nachbarschaft der EU beispiellos. Ob und in welchem Ausmaß diese Menschen am vergangenen Wochenende tatsächlich von ihren Booten geholt und nach Libyen deportiert wurden, oder wie viele ertrunken sind, wissen wir nicht, denn es gibt keine Zeugen außer den libyschen Küstenmilizen und keine Kontakte zu Überlebenden und Deportierten.

Am Samstag, dem 23.06.2018, verständigte die italienische Seenotrettungsleitstelle in Rom (MRCC) alle Schiffe im zentralen Mittelmeer über die Seenot von 1.000 Boat-people. Und sie gab offiziell bekannt, dass sie sich aus der Koordination der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer mit sofortiger Wirkung zurückzieht. Sie wies ein NGO-Rettungsschiff explizit an, nicht an eventuellen Rettungen dort teilzunehmen.

Dieses massenhafte Refoulement mit möglicher Todesfolge Vieler wird die italienische Regierung nur mit Rückendeckung der EU veranlasst haben.

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13. Juni 2018 · Kommentare deaktiviert für 41 Überlebende und 12 Tote über Sea Watch nach Berlin · Kategorien: Kommentar

Das Rettungsschiff der NGO Sea Watch wird von einem US-Kriegsschiff um die Aufnahme von 41 Überlebenden und 12 Toten einer Bootskatastrophe vor der libyschen Küste gebeten. Sea Watch besteht vor Übernahme auf einer Anlande-Garantie von Rom.

Fordern wir: Anlandung in einem italienischen Hafen und Flugtransport nach Berlin! Nehmen wir die 41 Boat-people in Deutschland auf und begraben wir die 12 Ertrunkenen in Berlin!

Mit dieser Forderung kommen wir der antirassistischen Mobilisierung in Italien und Spanien nach. Viele Initiativen und Demonstrationen treten für die Durchsetzung offener Häfen und die Europäisierung der Aufnahmeverantwortung ein.

Diese Forderung tragen wir angesichts der Tatsache vor, dass die deutsche Regierung 2014 maßgeblich an der EU-Beendigung des italienischen „Mare Nostrum“-Rettungsprogramms beteiligt war und für die wachsende Zahl an Ertrinkenden im Mittelmeer mitverantwortlich ist.

Mit dieser Forderung wollen wir den Lügen der rassistischen italienischen Regierung entgegenwirken: Deutsche, holländische, spanische und französische Rettungs-NGOs intervenieren nicht im Mittelmeer, um Italien in eine sogenannte „Flüchtlingskrise“ zu stürzen, sondern um Leben zu retten und die EU in die Verantwortung zu nehmen.

Diese Forderung zielt auf die Abschaffung der Dublin-Regelung, nach der dem Erstaufnahme-Staat der endgültige Verbleib von Geflüchteten und Migrant*innen obliegt.

31. Mai 2018 · Kommentare deaktiviert für Solidarische Städte in Europa? · Kategorien: FFM-Texte, Kommentar · Tags:

Seehofer startet durch, und Salvini weist nicht nur die Rettungsschiffe der NGOs ab, sondern will jetzt auch die Roma im Land zählen lassen. Europa gerät in Turbulenzen, wie man sie sich noch vor kurzem kaum hat vorstellen können. Die polnische Entwicklungen und noch Orbáns zweiter Sieg schienen weit in der Peripherie statt zu finden.

Gegenüber dem beharrlichen Angriff rechtspopulistischer Medien und einer mit bestürzender Geschwindigkeit sich formierenden Rechten scheint die deutsche Willkommenskultur sich aufzulösen. Inzwischen treibt nicht mehr „das Volk“ die politische Klasse vor sich her, sondern eine energische und intelligente Maschinerie transformiert die Gesellschaft. Die mehrheitliche Ablehnung von Abschiebungen ist in den Umfragen deutlich ins Gegenteil gekippt. Wer hätte sich träumen lassen, dass die Zivilgesellschaften auch in Westeuropa so wenig resistent sind?

Wächst das Rettende auch? Ein Blick auf die pro-europäische Fraktion der politischen Klasse lässt nicht viel Gutes erwarten. Allerdings gibt es Minderheiten, die uns unterstützen werden, quer zu den traditionellen Fraktionen, wenn wir den Versuch wagen, Elemente eines global orientierten Humanismus zu formulieren, in dem die Grundrechte *aller* Menschen im Mittelpunkt stehen. Es gibt überall in Europa ein stabiles Drittel sozial, demokratisch und irgendwie links orientierter Menschen, von denen freilich manche sich in die Innerlichkeit zurückziehen werden. Sie sind auf nationalem oder europäischem Niveau nicht mehrheitsfähig, allen linken Sammlungsbewegungen zum Trotz. Aber sie sind mehrheitsfähig in vielen, vielleicht den meisten, Städten Europas.

Das Rettende wächst in den Städten. Wir werden auch in Europa einen Dualismus erleben zwischen den nationalen Politiken und den Städten, wie in den USA oder Kanada. Die Freiheit wird in den Städten verteidigt.

Ein Europa von Oben wird es nicht geben. Schaffen wir also ein Europa von Unten, das mit sicheren Häfen, sicheren Korridoren der Migration und sicheren Orten in den Städten beginnt, und in dem sich städtische Milieus und solidarische Orte zu Keimzellen eines anderen Europa entwickeln

29. August 2017 · Kommentare deaktiviert für FFM Weekly 34/17 · Kategorien: Kommentar

In den gestrigen Tagesthemen kommentierte Georg Reste, WDR, den gestrigen EU -Afrika-Flüchtlingsgipfel mit den Worten: „Ich schäme mich“ und „Es ist eine Schande“. Wir haben die Entschlossenheit der deutschen, französischen, spanischen und italienischen Regierungen sträflich unterschätzt. Der gestrige Tag war eine Eopchenwende. Im Pariser Gipfel ging es um Aufrüstung in der Sahara entlang der libyschen Südgrenze, um die Einrichtung von Flüchtlingslagern, um Rückführungsmaßnahmen und schließlich um die Einreiseerlaubnis für sehr wenige Refugees:

„Im Moment ist mit dem UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, ein Kontingent von 20.000 Menschen aus Kriegsgebieten vereinbart. Das werde im Syrienkrieg nicht voll ausgeschöpft und könnte jetzt leicht aufgestockt für Afrikaner genutzt werden.“

Gemessen daran, dass Seehofer sich für eine Obergrenze von 200 000 Menschen einsetzt, wäre diese Zahl eine Quasi-Null-Lösung. Aber das ist das geringste Problem.

In Libyen waren italienische Geheimdienste offenbar darin erfolgreich, eine Miliz in Sabratha zu kaufen und umzupolen. Zügig wurden die autonomen Berber-Strukturen in Zuwara angegriffen, obwohl von dort aus schon lange keine Boote mehr gestartet waren. Die „Brigade 48“ habe die Refugees in einem großen Lager zusammengepfercht.
Tags: Afrika, EU, Libyen

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21. August 2017 · Kommentare deaktiviert für FFM Weekly 33/2017 · Kategorien: Kommentar

Die Radaktion möchte in Zukunft die wichtigsten Nachrichten in ein- bis zweiwöchentlichen Abständen zusammenfassen, damit denen, die wenig Zeit haben, nicht so viel verloren geht. Vielleicht wird daraus in absehbarer Zeit ein Newsletter. Wer daran Interesse hat, schreibe bitte an post@ffm-online.org.

Die Vertreibung der SAR-NGOs und Ausweitung der SAR-Zone durch Libysche Kräfte stand in der ersten Wochenhälfte im Vordergrund.
Tags: NGO, Seenotrettung, Boat People

In diesem weekly 33 finden sich außer dem die folgenden Themenschwerpunkte:

  • die Aufrüstung in der Sahara produziert Tote
  • der Bericht des Jacobin über Italien
  • Bulgarien rüstet die Grenze auf.
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09. August 2017 · Kommentare deaktiviert für FFM Weekly 31/2017 · Kategorien: Italien, Kommentar, Libyen, Nicht zugeordnet · Tags: ,

The Great Game

Im Vordergrund steht weiterhin die Befürchtung, dass Boat People vor der libyschen Küste mit Hilfe Italiens von der „libyschen Küstenwache“ abgefangen und in Lager zurück transportiert werden, in denen sie gefoltert und vergewaltigt werden. Wahrscheinlich ist, dass manche Milizen das Schlauchboot-Business betreiben und gleichzeitig als „Küstenwache“ operieren. Deshalb sind Deals à la Minniti möglich – die Boat People zahlen die Zeche. Dass dieselben Milizen die Gaspipelines nach Italien sichern, macht die Dinge nicht einfacher. Italien hat schon zu Kolonialzeiten westlibysche Verbindungen genutzt, um Ostlibyen zu unterwerfen und zu massakrieren, wo es nur möglich war. Minniti setzt auf informelle Netzwerke und hofft, das Schlauchboot-Business bremsen und die Gaslieferungen gleichzeitig sichern zu können. Es ist ein Alleingang, der in der EU keine einheitliche Zustimmung findet.

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30. Juli 2017 · Kommentare deaktiviert für FFM Weekly 30/2017 · Kategorien: Kommentar

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Wahlkampf in der BRD

Ob es wirklich eine gute Idee war, dass SPD Kandidat Schulz das Fass Flüchtige und Mittelmeer für den Wahlkampf noch einmal aufmachen wollte? In Italien stand er als Randfigur da und in -schland kann seine Initiative vielleicht der AfD ein paar Punkte mehr bringen, aber sie wird der SPD nicht nützen, denn diese hat und ist keine Alternative. 50% der Bevölkerung sind für die Aufnahme von Geflüchteten, aber sie werden von keiner Partei vertreten.

Tags: Deutschland, Italien, EU, Flüchtlingspolitik

Sind die Aufrüstungen der libyschen Küstenwachen effektiv?

Nach Zahlen von UNHCR stehen die Daten für Juli auf einem historischen Tiefststand:

Die Zahlen (einschließlich Spanien und Griechenland) lauten:

Monat 2017 2016
April 15.016 13.265
Mai 25.961 22.268
Juni 27.899 24.608
Juli 13.161 25.930

Während wieder mehr, in absoluten Zahlen aber nach wie vor wenige Boat People die schwierige Route von Algerien und Marokko nach Spanien benutzen, ist die Zahl derer, die im Juli über die zentrale Mittelmeerroute nach Italien gekommen sind, stark rückläufig, wie aus den Informationen von UNHCR hervorgeht.

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22. Juli 2017 · Kommentare deaktiviert für FFM Weekly 29/2017 · Kategorien: Kommentar, Lesetipps

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Italien

Nachdem die EU Außenministerkonferenz am 17.07. eine Umverteilung der Boat People ausgeschlossen hat und die üblichen Vorschläge – von der Militärhilfe an „Libyen“ über einen Appell des italienischen Außenministers an die Bürgermeister in Libyschen Wüstenstädten bis zum Exportverbot für Schlauchboote – sich in absehberer Zeit als Luftnummern darstellen werden, gab es zwei wichtige Entwicklungen. Kurz fordert ein Konzentrationslager auf Lampedusa:

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz fordert auf einem Treffen mit dem italienischen Außenminister Angelino Alfano am 20.07., dass Italien den Flüchtlingen keine Ausreisegenehmigungen ausstellt – 200.000 Visa waren angekündigt – , und dass die italienische Regierung Lampedusa zu einer Lager-Insel macht. Alle geretteten Boat People sollten dort interniert werden, ein Transfer auf die italienische Halbinsel solle verhindert werden. Es ist ein Vorschlag zu extremer staatlicher Gewalt, gegenüber den Boat People wie auch gegenüber den italienischen Lampedusa-BewohnerInnen. Innenpolitisch ist ein solcher Plan in Italien nicht umsetzbar.
Zudem kündigt Außenminister Kurz die Schließung des Brenner-Grenzübergangs an, falls es zu erhöhten Ausreisen von Flüchtlingen aus Italien kommt. Auch dieses Szenario inmitten des beginnenden Sommerurlaub-Transits am Brenner weist auf eine mögliche Eskalation in den kommenden Wochen hin. Die EU stellt sich zunehmend als handlungsunfähig gegenüber den eigenständigen Bewegungen der Boat People dar. Die Gesamtzahl der aufzunehmenden Boat People wäre für die EU-Staaten eine relativ kleine Aufgabe, lösbar mit dem Angebot einer sicheren Passage. Aber aufgrund der Abschottungs-Politik der EU werden erratische staatliche Eskalationen möglich.

Tags: Boat People, EU-Lager, Italien

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17. Mai 2017 · Kommentare deaktiviert für Libyen-Italien: „Humanitärer Korridor“ als Kampfbegriff · Kategorien: Italien, Kommentar, Libyen · Tags: ,

Der Bericht der italienischen parlamentarischen Kommission „Verteidigung“ zur NGO-Seenotrettung im zentralen Mittelmeer nimmt den Begriff des „Humanitären Korridors“ auf, den antirassistische Gruppen in Europa nach der Schiffskatastrophe vor Lampedusa (3. Oktober 2013) für das zentrale Mittelmeer gefordert hatten.

War es damals ein Kampfbegriff, um legale Zugangswege von Libyen nach Europa zu fordern, so dreht die italienische Kommission nun das Wort um: Die NGOs der Seenotrettung hätten einen nichtstaatlichen „Humanitären Korridor“ im zentralen Mittelmeer aufgebaut und würden diesen mithilfe der SAR-Aktivitäten managen.

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26. April 2017 · Kommentare deaktiviert für Fähren jetzt · Kategorien: Kommentar, Mittelmeer

Those people who die on the beaches (…) and if they were White the whole world would be trembling. (…) When the poor come to you, it’s a crush movement which has to be blocked, but when you with your passport and all the arrogance what that brings, you disembark in the third world and you are on conquered land. So you see the poor who move but you do not see the rich who invest in our countries. (…) We must end this hypocrisy: We will be rich together or we will all drown together. (Fatou Diome)

Die Bürgermeisterin der süditalienischen Insel Lampedusa, Giuseppina Nicolini, und die Hilfsorganisation SOS Méditerranée sind für ihren Einsatz für Flüchtlinge mit dem UNESCO-Friedenspreis ausgezeichnet worden. In Barcelona haben in Februar 160 000 Menschen für die Aufnahme von Flüchtigen demonstriert und am Hafen der Toten im Mittelmeer gedacht. In Marseille gab es auf einer Wahlveranstaltung eine Schweigeminute mit 70 000 Teilnehmer*innen. Auch auf dem Kirchentag in Berlin soll eine Gedenkminute eingelegt werden. Schon im letzten Jahr hat der Papst der Toten gedacht.

Bei alldem ist es beunruhigend, dass vorab im Stillen auch schon der Toten gedacht wird, die in Syrien, in den afrikanischen Hungerzonen, auf dem Weg durch die Sahara und auf der zentralen Mittelmeerroute zu erwarten sind. Trauer statt Rettung.

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