02. März 2017 · Kommentare deaktiviert für „Forscher warnt vor Bumerang-Effekt bei Flüchtlingsabkommen“ · Kategorien: Afrika, Ägypten, Mittelmeer · Tags: ,

Die Welt | 02.03.2017

Im Vorfeld von Merkels Ägypten-Reise hat ein Migrationsforscher vor dem Abschluss eines Flüchtlingsabkommens gewarnt. Das Kalkül, das dahinterstehe, werde nicht aufgehen. Am Ende würden mehr Menschen fliehen.

Der Migrationsforscher Jochen Oltmer hat die Bundesregierung und die EU davor gewarnt, mit autokratisch gelenkten Staaten in Afrika wie etwa Ägypten und Äthiopien Flüchtlingsabkommen zu schließen.

„Die Europäer finanzieren und stabilisieren damit autoritäre Regime. Sie schwächen gleichzeitig die Opposition und zivilgesellschaftliche Organisationen“, sagte Oltmer vor der am Donnerstag beginnenden Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Ägypten und Tunesien.

Die Verhandlungen der Kanzlerin reihten sich ein in die Bemühungen der Europäer, Migrationspartnerschaften mit möglichst vielen afrikanischen Ländern zu schließen, erläuterte der Wissenschaftler am Institut für Migrationsforschung der Universität Osnabrück: „Sie stellen mehr Entwicklungshilfe in Aussicht unter der Bedingung, dass die betreffenden Länder die Migration nach Europa eindämmen oder verhindern. Die Anwendung von Gewalt wird dabei offenbar in Kauf genommen.“

Oltmer sagte, es gehe den Europäern nur um eigene Interessen und nicht um Entwicklungsperspektiven für Afrika. Doch das Kalkül werde nicht aufgehen. Die Stärkung von Diktaturen werde noch mehr Menschen in die Flucht treiben. „Und – so zynisch das auch klingt – mehr Wohlstand bedeutet mehr Migration. Menschen, die arm sind, haben keine Möglichkeit zu fliehen“, sagte der Universitätsprofessor.

Plädoyer für Partnerschaften statt Entwicklungshilfe

Den europäischen Politikern mangele es an weitreichenden und umfassenden Konzepten, kritisierte Oltmer: „Migration nach Europa kann nur eingedämmt werden, wenn man die Menschen davon überzeugt, dass sie in ihren Heimatländern oder den benachbarten Regionen bessere Chancen haben als in Europa.“

Der Osnabrücker Wissenschaftler plädierte dafür, statt auf Entwicklungshilfe lieber auf Partnerschaften zu setzen. In Kooperationen etwa zwischen deutschen und afrikanischen Schulen und Hochschulen könnten Hilfen viel zielgerichteter eingesetzt werden.

Der Experte forderte zudem, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mit einem größeren Etat auszustatten, damit es frühzeitig auf Not- und Krisensituationen reagieren kann: „Der Flüchtlingshochkommissar sollte nicht immer erst betteln müssen.“ Die weitaus größte Zahl der Flüchtlinge bleibe in der Hoffnung auf Rückkehr immer in den unmittelbaren Nachbargebieten der Krisenländer. Das UNHCR sollte sie dort bestmöglich versorgen können.

Ägypten liegt nicht auf einer Hauptroute für Flüchtlinge

In Ägypten gibt es keine Flüchtlingslager oder Auffangzentren. Die Hilfe suchenden Menschen leben in Privatunterkünften vor allem in den Städten. Die finanzielle Hilfe für registrierte Flüchtlinge und Asylsuchende kommt dabei nicht von der Regierung, sondern vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und seinen Partnern. Das World Food Programme stellt Essensmarken, medizinische und andere Dienste bereit. Die ägyptische Regierung gewährt Registrierten dem UNHCR zufolge Zugang zu öffentlichen Gesundheitseinrichtungen. Syrer und Sudanesen dürften auch die Bildungseinrichtungen nutzen.

Über Ägypten läuft keine der Hauptrouten für Migranten und Flüchtlinge aus den Ländern südlich der Sahara, die vor allem über Libyen nach Europa gelangen wollen. Trotzdem hat der Zustrom aus Ägypten in das chaotische Nachbarland zugenommen: „Was wir in Ägypten gesehen haben, ist ein Anstieg des Transits nach Libyen“, sagt Andrea Dabizza von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Auch bei den startenden Flüchtlingsbooten ist der ägyptische Anteil gestiegen. Er macht der IOM zufolge mit sieben bis acht Prozent aber nur einen vergleichsweise geringen Teil aus.

Auch viele junge Ägypter wagten in der Vergangenheit die gefährliche Reise über das Mittelmeer nach Europa, meistens aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation am Nil. Die Bundesregierung stuft Ägypten nicht als sicheren Herkunftsstaat ein. Nach Angaben des UNHCR leben in dem nordafrikanischen Land knapp 200.000 registrierte Flüchtlinge oder Asylsuchende – der Großteil von ihnen kommt aus Syrien, gefolgt von Sudanesen, Äthiopiern und Irakern. Da die Registrierung nicht verpflichtend ist, dürfte die Zahl wohl höher liegen.

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