16. März 2016 · Kommentare deaktiviert für „Zwei Dschungel – zwei Methoden dagegen“ · Kategorien: Frankreich · Tags: ,

Quelle: NZZ

Die humanitäre Organisation Médecins sans frontières hat in Nordfrankreich ein Flüchtlingslager errichtet. Zum Ärger von Innenminister Cazeneuve.

Während bei Calais Bulldozer und Sondereinheiten der Polizei den Migranten-Dschungel in der Nähe des Eurotunnels zügig räumen, hat die humanitäre Organisation Médecins sans frontières (MSF) nur vierzig Kilometer nördlich einen anderen Weg eingeschlagen. Am Rande der Gemeinde Grande-Synthe konnte MSF innert zehn Tagen in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister Damien Carême 1500 Migranten ohne Einschüchterungen aus einem erbärmlichen Slum in eine neue Barackensiedlung dislozieren, die laut MSF Uno-Normen genügt.

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Innenminister Bernard Cazeneuve findet aber keine lobenden Worte für die Organisation, die einst vom ehemaligen Aussenminister Bernard Kouchner mitgegründet worden war. Im Gegenteil. Er übt Kritik am neuen Lager. Es sei ein Sicherheitsrisiko und drohe zu einem Magnet für Schlepper und Migranten zu werden. Cazeneuve wandte sich im Speziellen dagegen, dass das Lager keine strikte Eingangskontrollen aufweist und die Migranten nicht gezwungen werden, ihre Handabdrücke scannen zu lassen, wie das bei den staatlichen Aufnahmezentren der Fall ist.

MSF und Bürgermeister Carême halten dem entgegen, dass man das Lager ebenfalls nur als temporäre Lösung ansehe, doch im Unterschied zum Vorgehen der Regierung ein Mindestmass an Menschlichkeit und Würde gewährleisten wolle, was am Ende auch mehr Migranten davon überzeugen könne, in Frankreich ein Asylgesuch einzureichen statt illegal nach Grossbritannien zu gelangen. Von MSF wurde auch immer wieder der Vorwurf erhoben, dass die Regierung eine zynische Abschreckungspolitik verfolge. Nicht von ungefähr seien 2015 in Frankreich bloss 73 500 Asylgesuche eingereicht worden.

Cazeneuve wehrt sich mit dem Argument, dass die Regierung eine Politik von Menschlichkeit und Härte anwende und rechtsfreie Räume bekämpfe, um zusätzliches Elend zu verhindern. Allerdings hatte Paris abgesehen von 200 Notunterkünften für Frauen und Kinder über ein Jahr lang nichts gegen die Missstände bei Calais unternommen. Frankreich konzentrierte sich zusammen mit Grossbritannien auf die Abdichtung der Grenze am Ärmelkanal. Erst gegen Ende Jahr wurden 200 zusätzliche Plätze für Frauen und Kinder und darauf weitere Notunterkünfte für Familien und alleinstehende Migranten bereitgestellt, nämlich beheizbare Schiffscontainer für 1500 Personen und Zelte des Zivilschutzes mit 500 Plätzen. Laut Innenminister Cazeneuve konnte die Zahl der Migranten bei Calais und bei Grande-Synthe dank der Politik der Regierung auf 3000 bzw. auf 1500 halbiert werden. Und 2900 Migranten allein aus Calais hätten eines der landesweit 110 regulären Aufnahmezentren für Asylgesuche aufgesucht. Laut humanitären Organisationen sieht die Realität anders aus. Viele Migranten hätten an der Ärmelkanalküste einen anderen Unterschlupf gesucht oder seien nach Belgien ausgewichen, was die Regierung in Brüssel unlängst zur Wiedereinführung temporärer Grenzkontrollen veranlasst hatte.

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