18. April 2015 · Kommentare deaktiviert für Wird eine NATO-EU-Seenotrettung im Mittelmeer geplant? · Kategorien: Alarm Phone, Italien, Libyen · Tags: , , , , ,

„[…] Menschenrechtsorganisationen lobten Mare Nostrum, obwohl auch während der Laufzeit der Operation 3.500 Menschen starben. Doch nur ein Jahr später, im Herbst 2014, wurde Mare Nostrum wieder eingestellt. Die Last der Operation war für die italienische Marine alleine zu schwer geworden. Seither gibt es zwar die Frontex-Mission Triton. Doch die ist keine Rettungsaktion, sondern sie dient der Grenzsicherung. Außerdem muss Frontex auf Schiffe der nationalen Küstenwachen zurückgreifen und verfügt über deutlich weniger Geld. „Triton kann kein Ersatz sein“, sagt Keßler. „Es bräuchte eine koordinierte europäische Rettungsorganisation.“Keßler ist mit sein Meinung nicht allein. Selbst altgediente Militärexperten glauben, dass Europa eine solche Mission starten sollte – und könnte.

Einer von ihnen ist Lutz Feldt. Feldt, 69 Jahre alt, war bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2006 Vizeadmiral und Inspekteur der deutschen Marine. Vierzig Jahre lang hat er so ziemlich alles kommandiert, vom Minensuchboot bis zur Zerstörerflottille. Er war dabei, als die deutsche Marine Piraten und Terroristen am Horn von Afrika jagte und während des zweiten Golfkrieges Minen im Persischen Golf suchte. Mittlerweile berät er mit anderen Admirälen aus Frankreich, Spanien und Italien die Europäische Union in maritimen Sicherheitsfragen. Er sagt: „Die Europäische Union muss im Mittelmeer eine zivilmilitärische Operation zur Rettung der Flüchtlinge etablieren.“

Feldt hält eine solche Mission nicht für unrealistisch. Im Gegenteil: Er hat konkrete Vorstellungen, wie sie gelingen könnte. „Der Aufwand wäre groß“, sagt er. „Aber er wäre auch nicht größer als bei der Anti-Piraten-Mission Atalanta am Horn von Afrika.“ Mit der Mission Atalanta bekämpft die EU seit 2008 Piraten im Indischen Ozean vor der afrikanischen Küste. Noch immer sind fünf Militärschiffe und zwei Flugzeuge dort im Einsatz. Die Mission gilt als Erfolg, die Piraterie als weitgehend besiegt. Die EU habe damals schon Erfahrung gesammelt, wenn es darum ging, ein Problem auf See gemeinsam zu lösen. Warum also, fragt Feldt, rettet die EU die Flüchtlinge nicht mit den Methoden, mit denen sie auch die Schlepper bekämpft?

Ein Einsatz im Mittelmeer wäre sogar leichter zu organisieren als die Anti-Piraten-Mission, sagt Feldt. Die Wege im Mittelmeer sind kurz, die Entfernungen zu Versorgungshäfen gering. Mit Spanien, Frankreich, Italien, Malta, Griechenland und Zypern gibt es sechs Anrainerstaaten, die Logistik stellen könnten. Die EU könnte auf Kommandostrukturen der Nato zurückgreifen. Das Militärbündnis überwacht den Mittelmeerraum ohnehin seit 2001 im Rahmen der Anti-Terror-Operation Active Endeavour.

Hinzu kommen die Daten von Eurosur. Wie bei Atalanta könnten die Mitgliedsstaaten im Rotationsverfahren Schiffe, Aufklärungsstrukturen, Hubschrauber und Drohnen stellen, um dem Problem Herr zu werden. Wie bei der Anti-Piraten-Mission würde es dauern, bis der Einsatz Wirkung zeigt, sagt Feldt. Irgendwann aber werde die Zahl der Toten sinken.

Ein solcher Plan fände viele Fürsprecher. Egal ob das Rote Kreuz, Save the Children, die UN oder die Internationale Organisation für Migration (IOM): Sie alle fordern jetzt einen europäischen Masterplan, der noch vor dem Sommer kommt. „Wir brauchen so schnell wie möglich eine europäische Initiative“, sagt Flavio di Giacomo, der in Rom für IOM spricht. […]“

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