Zum heute beginnenden EU-Gipfel zeichnet die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ die möglichen Konfrontationslinien auf: Die italienische Regierung feiert die Anlandung der LIFELINE in Malta und die Aufteilung der Boat-people auf acht EU-Staaten als Durchbruch gegen das Erstaufnahmeprinzip der Dublin-Verordnung. Dieses Exempel müsse laut italienischer Regierung jetzt in der EU kodifiziert werden. Die Dublin-Regel dürfe nicht auf Seegerettete angewandt werden. Falls die Aufteilung der neuankommenden Boat-people auf EU-Staaten nicht festgeschrieben werde, werde die italienische Regierung gegen jeglichen Beschluss des EU-Gipfels ihr Veto einlegen. Auf der anderen Seite betont Seehofer, dass die Verteilung der LIFELINE-Boat-people auf EU-Staaten nicht als Präzedenzfall eingestuft werden dürfe. Merkel bliebe sonst nur die „Nuklear-Option“: Der Ausschluss Italiens aus Schengen. Weiterlesen »
Acht EU-Länder haben gegen den Widerstand des deutschen Innenministers Horst Seehofer durchgesetzt, dass das NGO-Rettungsschiff LIFELINE mit über 230 Bootsflüchtlingen – unter ihnen Frauen, Babys, unbegleitete Minderjährige, Vergewaltigte, Unterernährte und Gefolterte – nach sechs Tagen Blockade zwischen Lampedusa und Malta in Malta anlanden kann und dass die Geflüchteten in acht EU-Länder übernommen werden: Nach Frankreich, Italien, Luxemburg, Portugal, Irland, in die Niederlande, nach Belgien und Malta. Diese Staaten sind mehrheitlich für keine flüchtlingsfreundliche Politik bekannt. Aber der Druck der Zivilgesellschaft und der Welt, die auf die derzeitige schändliche Mittelmeerblockade sieht, zwingt sie dazu – trotz des finanzmächtigen Deutschlands, trotz des deutschen Innenministers. Die aktuelle Entwicklung fordert Nachforschungen ein: Wird aus dem deutschen Innenministerium die mehrwöchige Blockade des zentralen Mittelmeers gesteuert? Ist sie verantwortlich für das Massen-Refoulement in die libyschen KZs am vergangenen Wochenende, und ist der widerliche verbalradikale Innenminister Matteo Salvini nur der losgelassene Hund? Ist Horst Seehofer nicht nur Hassprediger gegen Seenotretter, sondern verantwortlicher Architekt der aktuellen Blockade im zentralen Mittelmeer?
Zu der aktuellen Berichterstattung vor der Anlandung der LIFELINE, hier:
DW | 27.06.2018
Ein Ende des Dramas zeichnet sich zwar ab, aber noch harrt das von Malta blockierte deutsche Rettungsschiff „Lifeline“ weiter ohne Einfahrerlaubnis im Mittelmeer aus. Inzwischen wird Kritik an der Bundesregierung laut.
Die Situation auf der „Lifeline“ wird nach Angaben der Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ zusehends probelmatischer. Der Gesundheitszustand der Flüchtlinge an Bord und das Wetter verschlechterten sich spürbar, erklärte die NGO in Dresden. In den nächsten Stunden könnte die Lage aufgrund der Erschöpfung der Menschen „eskalieren“. Sehr viele Personen an Bord seien schwer seekrank und benötigten Hilfe, heißt es in einer Mail an die maltesischen Behörden.
Das im Mittelmeer vor Malta liegende Schiff hatte am Donnerstag rund 230 Migranten vor der Küste Libyens gerettet und darf seitdem nirgends in einen Hafen einfahren. Am Dienstag hatte sich eine Lösung abgezeichnet. Malta will das Schiff anlegen lassen, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Flüchtlinge an Bord auf mehrere EU-Staaten verteilt werden.
NZZ | 27.06.2018
Vor dem EU-Gipfel kursieren diverse Vorstellungen zum Umgang mit Bootsmigranten auf dem Mittelmeer. Es besteht jedoch die Gefahr politischer Schnellschüsse, die vor den Gerichten nicht standhalten würden.
Niklaus Nuspliger, Brüssel
Auffanglager, extraterritoriale Camps, Hotspots, Sammelpunkte oder Anlande-Stellen – vor dem EU-Gipfel vom Donnerstag in Brüssel geistern viele Begriffe durch die migrationspolitische Debatte. Im Zentrum steht die Frage, wohin im Mittelmeer gerettete Bootsmigranten künftig gebracht werden können und was dort mit ihnen geschehen soll. Offen ist, ob überhaupt noch eine gemeinsame Lösung möglich ist oder ob allenfalls eine Koalition der Willigen aktiv wird. Zudem stellen sich Fragen zur Rechtmässigkeit der noch vagen Ideen, was die Gefahr birgt, dass Schnellschüsse vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg oder vom Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg rasch für ungültig erklärt würden.
Auf die regionalweite Protestbewegung „Hirak“ gegen miserable Lebensbedingungen im nordmarokkanischen Rif hatte der marokkanische Staat 2017 mit Polizei- sowie Militärgewalt reagiert und Massenfestnahmen vorgenommen. Gestern verurteilte das Revisionsgericht Casablanca 53 Festgenommene dieser Protestbewegung wie auch Journalisten zu drakonischen Strafen, die bis zu 20 Jahren Haft reichen. Die juristischen Begründungen waren absurd. Beboachter sprachen von einer Rückkehr der repressiven 1970er, der „bleiernen Jahre“. Ein Anwalt der Verteidigung floh gestern angesichs drohender Festnahme ins Ausland.
Telepolis | 22.06.2018
Mission Lifeline – das nächste Rettungsschiff mit Migranten, das einen sicheren Hafen sucht. Wie könnten europäische Lösungen aussehen?
Thomas Pany
Der Streit zwischen den Seenotrettern-NGOs und der neuen italienischen Regierung geht weiter. Nach der Aquarius hat nun das Rettungsschiff Lifeline Migranten an Bord, für die sie einen sicheren Hafen sucht. Über 200 sind es, die Versorgung auf dem Schiff kann nur kurzfristig gewährleistet werden. Der italienische Innenminister gab Bescheid, dass italienische Häfen für das Schiff der deutschen NGO geschlossen sind.
NDR | 26.06.2018
Mehr als 600 Menschen sind am Dienstag unter dem Motto „Mittelmeer Massengrab“ friedlich vom Pferdemarkt zur Binnenalster gezogen. Dort legten sie symbolisch für die vielen Menschen, die beim Fluchtversuch über das Mittelmeehr sterben, Blumen auf das Wasser. Die Demonstranten forderten ein Ende des – so wörtlich – „bayerischen Landtagswahlkampfes mit rechtpopulistischen Thesen“ sowie die sofortige Einrichtung einer sicheren Fährverbindung von Afrika nach Europa.
Süddeutsche Zeitung | 26.06.2018
Die österreichische Regierung hat erarbeitet, wie sie sich EU-Asylpolitik vorstellt – der Entwurf gleicht einem Abschied von jeder Asylpolitik.
Von Thomas Kirchner
Anfang Juni kündigte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eine „kopernikanische Wende“ in der EU-Asylpolitik an. Jetzt ist klar, wie der „Paradigmenwandel“ aussieht, den Österreich herbeiführen will, das im Juli die Ratspräsidentschaft und damit die Zügel in der EU übernimmt. Ausbuchstabiert wird er auf sieben Seiten in einem „Raum-Dokument“ aus dem Hause Kickl. Diese Arbeitsvorlage für ein EU-Treffen hoher Abteilungsleiter in Wien Anfang Juli hat es in sich. Sie hält, was Kickl verspricht: Das Papier ist in Geist und Buchstabe ein vollständiger Abschied von der bisherigen, nein: von jeglicher Asylpolitik der EU.
Aufgrund des Drucks vieler Städte, Regionen und eines Staats – Portugal – , die die über 200 Boat-people des NGO-Rettungsschiffs LIFELINE aufnehmen wollen, konnte die maltesische Regierung erfolgreice Verhandlungen mit den EU-Repräsentanten Tusk und Juncker sowie mit Kanzlerin Merkel aufnehmen. Die positiven Ergebnisse gelangten heute nachmittag in die Medien. Laut italienischer Presseberichte wurden die Lorbeeren falsch zugeteilt: Den Durchbruch erzielten weder Macron noch der Papst noch der italienische Regierungschef Conte. Doch das Feilschen um genaue Übernahmezahlen soll nach italienischen Medienberichten weiterhin anhalten: Die Regierungen Deutschlands, der Niederlande und Spaniens blockieren im Moment die Anlandung der LIFELINE in Malta. Eine herausragende Blockierer-Rolle soll der deutsche Innenminister Horst Seehofer spielen.
Il Fatto Quotidiano | 26.06.2018
Roma, vertice Conte-Macron prima della visita in Vaticano. Al centro i migranti
Alla vigilia della fine del braccio di ferro sulla Lifeline, in attracco a Malta, il premier Giuseppe Conte e il presidente francese Emmanuel Macron si sono incontrati a Roma, nella centralissima Casina Valadier al Pincio. Macron è infatti arrivato ieri nella Capitale in vista dell’incontro di oggi con Papa Francesco. I due, a quanto si apprende da fonti governative, nel lungo faccia a faccia avrebbero parlato a lungo, affrontando il tema migranti a pochi giorni dal Consiglio europeo. “Sono stato sollecitato dopo il nostro incontro di domenica dal presidente Conte – ha detto Macron ai giornalisti nel pomeriggio, dopo gli incontri in Vaticano -. I nostri protocolli si sono messi in contatto e si è convenuto che un incontro riservato fosse rispettoso nei confronti del Vaticano” presso cui era la visita ufficiale. E’ stato uno scambio privato, per questo non era in agenda”.