27. Juni 2018 · Kommentare deaktiviert für LIFELINE und die Seehofer-Mittelmeerblockade · Kategorien: Deutschland, DT, EN, Europa, Italien, Malta · Tags: , ,

Acht EU-Länder haben gegen den Widerstand des deutschen Innenministers Horst Seehofer durchgesetzt, dass das NGO-Rettungsschiff LIFELINE mit über 230 Bootsflüchtlingen – unter ihnen Frauen, Babys, unbegleitete Minderjährige, Vergewaltigte, Unterernährte und Gefolterte – nach sechs Tagen Blockade zwischen Lampedusa und Malta in Malta anlanden kann und dass die Geflüchteten in acht EU-Länder übernommen werden: Nach Frankreich, Italien, Luxemburg, Portugal, Irland, in die Niederlande, nach Belgien und Malta. Diese Staaten sind mehrheitlich für keine flüchtlingsfreundliche Politik bekannt. Aber der Druck der Zivilgesellschaft und der Welt, die auf die derzeitige schändliche Mittelmeerblockade sieht, zwingt sie dazu – trotz des finanzmächtigen Deutschlands, trotz des deutschen Innenministers. Die aktuelle Entwicklung fordert Nachforschungen ein: Wird aus dem deutschen Innenministerium die mehrwöchige Blockade des zentralen Mittelmeers gesteuert? Ist sie verantwortlich für das Massen-Refoulement in die libyschen KZs am vergangenen Wochenende, und ist der widerliche verbalradikale Innenminister Matteo Salvini nur der losgelassene Hund? Ist Horst Seehofer nicht nur Hassprediger gegen Seenotretter, sondern verantwortlicher Architekt der aktuellen Blockade im zentralen Mittelmeer?

Zu der aktuellen Berichterstattung vor der Anlandung der LIFELINE, hier:

The Independent

Live-Watch: MV Lifeline on its way to Senglea, will dock shortly

The MV Lifeline is slowly making its way to Senglea, where it will disembark the 230 or so migrants who have been stuck on-board for the past six days.

Around four people, three babies and an adult, are expected to be taken to Mater Dei Hospital once they land as they require medical assistance.

The passengers aboard the vessel were affected by the bad weather in the Mediterranean over the past days. The migrants will be taken to the Marse reception centre once they disembark. The asylum seekers will then be divided and sent to the countries who agreed to help host.

The migrants had left the Libyan Coast days ago in a dinghy, and were then picked up by this vessel.

The vessel was escorted by an AFM patrol boat when entering the harbour.

Prime Minister Joseph Muscat allowed the ship to enter Malta’s harbour after an agreement was reached between eight nations who will take in the migrants on board. Addressing a press conference in Castille earlier today, Muscat said that upon arrival, the migrants will be vetted and those who have reasons to be granted asylum will be given such, while others will be returned to their country of origin. Muscat said that this is an ad hoc agreement valid only for this particular case. The countries participating in this exercise are France, Italy, Luxembourg, Portugal, Ireland, the Netherlands, Belgium and Malta. Muscat did not say how many migrants each of the eight member states had accepted to take in.

Aside from this, the Prime Minister had also announced that the MV Lifeline will be detained pending the necessary investigations according to national and international rules. The situation has been caused, the PM had said, by a decision of the captain of the said vessel who went against international rules and ignored directions being given by the Italian authorities who were coordinating the rescue.

Lawyers Neil Falzon (from the Aditus Foundation) and Cedric Mifsud are on the spot to aid the Captain and the crew once the vessel arrives.

The Co-Founder of Mission Lifeline, the NGO that owns the vessel, Axel Steier, is currently present on site as well.

Addressing the media as they awaited the arrival of the vessel, Steiner said: We are very proud that our crew rescued 234 people, one of whom was evacuated two days ago. Among the 234 there are five children. This situation is special because the crew was out there for a long time, which is not normal. We want to say thank you that Malta opened its port. I hope we find a good solution for the people who are coming in today and that they find a new future in different countries.

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Malta Today

Lifeline is expected in Malta shortly

Ship carrying over 230 migrants expected in Malta after ad hoc agreement with seven other EU member states is reached

Massimo Costa

There are 17 women and five children among the 233 migrants aboard the Lifeline rescue vessel, which is expected to arrive in Malta at around 7pm, co-founder of the NGO, Axel Steier, said.

Steier was speaking to journalists at Boiler Wharf in Senglea, where the vessel has been ordered to dock.

Four police vans are currently on site, as well as a number of ambulances and medical personnel. Three tents have been erected, which is where the initial screening will probably take place.

Police Commissioner Lawrence Cutajar is also on site.

The NGO vessel is expected to disembark its passangers who have been stranded on the ship for almost a week.

Prime Minister Joseph Muscat earlier announced that the vessel would be allowed to disembark the migrants in Malta after an ad hoc agreement with seven EU member states was reached.

Muscat said that the Lifeline will be impounded upon arrival, and the captain’s actions in this “unique case” will be investigated.

The Prime Minister said Malta, Italy, France, Ireland, Luxembourg, Portugal, Belgium and the Netherlands had pledged to distribute the rescued migrants between them once they were processed. The confirmations from Belgium and the Netherlands came while Muscat was addressing the conference.

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ARD Tagesschau

Debatte im Bundestag Heftiger Streit über „Lifeline“

Im Bundestag haben Regierung und Opposition heftig über das Rettungsschiff „Lifeline“ diskutiert. Während Innenminister Seehofer keine Handlungsnotwendigkeit sah, warfen Linke und Grüne ihm vor, Menschenleben zu gefährden.

Abgeordnete von Linkspartei und Grünen werfen der Bundesregierung im Umgang mit dem Rettungsschiff „Lifeline“ Versagen vor. Die Lage an Bord sei „unmenschlich“, sagte der Linkspartei-Abgeordnete Michel Brandt, der selbst einige Stunden an Bord war, bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Zuletzt habe sich die Lage der Menschen dort dramatisch verschlechtert, berichtete Brandt. Einige seien schwer erkrankt, unterernährt und zudem seekrank. „Sie reden von europäischen Werten und Menschenrechten, während Leichen an die Mauern von Europa gespült werden.“

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg, die ebenfalls auf der „Lifeline“ war, beklagte, dass die Menschen an Bord dicht gedrängt unter schlimmsten Bedingungen ausharren mussten, bis jemand die Courage gehabt habe, zu sagen, „wir nehmen auf“. Innenminister Horst Seehofer warf sie „Verweigerungshaltung“ vor, die das Leben von Menschen gefährde. Seehofer habe einmal mehr bewiesen, dass er nicht an einer europäischen Lösung interessiert sei, sondern es ihm wichtiger sei, die Kanzlerin zu schwächen. „Sie müssen aufhören mit diesem Streit“, fügte sie mit Blick auf den unionsinternen Streit hinzu.

Auch die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen forderte, in der Flüchtlingspolitik „Menschen- vor Machtpolitik“ zu stellen. „Europa ist dabei, sein humanistisches Erbe zu verspielen“, kritisierte die FDP-Politikerin und warnte vor einem Angriff auf den freien Reiseverkehr im Schengen-Raum.

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Süddeutsche Zeitung

Seehofer: Keine Notwendigkeit, „Lifeline“-Flüchtlinge aufzunehmen

  • Bei der Bundestagsdebatte über das deutsche Rettungsschiff Lifeline hat das Parlament Innenminister Seehofer einbestellt.
  • Seehofer sagt, er sehe keine Notwendigkeit, dass Deutschland Flüchtlinge der Lifeline aufnehme.
  • Das Schiff mit etwa 230 Migranten an Bord darf in Malta anlegen, wird dort aber beschlagnahmt.

Deutschland wird nach den Worten von Bundesinnenminister Horst Seehofer vorerst keine Menschen vom Flüchtlingsschiff Lifeline aufnehmen. Das Schiff habe die Einfahrtgenehmigung nach Malta erhalten, zudem hätten sich acht EU-Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen bereiterklärt, so Seehofer im Bundestag. „So dass sich jedenfalls nach momentanem Stand eine Handlungsnotwendigkeit für die Bundesrepublik Deutschland derzeit nicht ergibt.“ Die Regierung werde das aber „sehr im Auge behalten“. Sie werde sich auch künftig von dem Grundsatz „Humanität und Ordnung“ leiten lassen.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Mittag noch gesagt, die Bundesregierung prüfe die Aufnahme eines Teils der 230 Menschen auf dem Schiff. Darüber seien Gespräche in der Bundesregierung im Gange.

Seehofer tätigte seine Äußerungen in einer Aktuellen Stunde zum Thema „Seenotrettung im Mittelmeer durchsetzen“. Die Grünen-Abgeordnete Steffi Lemke hatte den Antrag gestellt, den Bundesinnenminister vorzuladen. Nachdem der Antrag angenommen war, soll Seehofer mit Blaulicht zum Bundestag gefahren worden sein. NGOs und Oppositionspolitiker kritisieren, dass der unionsinterne Asylstreit zwischen Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Rücken der Menschen an Bord der Lifeline ausgetragen werde.

Seehofer fordert „robuste Schutzzonen“

Seehofer unterstrich bei seiner Rede, über die Aufnahme von Migranten entschieden nicht Schlepper, sondern demokratisch gewählte Regierungen. Die Lifeline zeige, wie notwendig ein Regelwerk in Europa sei, das den Umgang mit solchen Fällen auflöse. Nur die Völkergemeinschaft könne zudem für wirksame Kontrolle und den Schutz der Außengrenzen Europas sorgen. Zudem müssten die im Mittelmeer aufgegriffenen Menschen zurückgebracht werden können in „robuste Schutzzonen“, wo sie geschützt und versorgt seien und rechtsstaatliche Verfahren erhielten. Darauf müsse sich die Völkergemeinschaft einigen. Das „Humanste“ und „Christlichste“ sei zudem die Bekämpfung von Fluchtursachen.

Die Lifeline hatte die Flüchtlinge am Donnerstag vor der libyschen Küste gerettet und wartete seitdem auf die Zuweisung eines sicheren Hafens. An Bord des seitdem im Mittelmeer blockierten Schiffs sind neben den Flüchtlingen 17 deutsche Besatzungsmitglieder.

Malta hat dem Schiff mittlerweile das Einlaufen erlaubt, Ministerpräsident Joseph Muscat erklärte aber, dass die Lifeline danach beschlagnahmt werden soll.

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Welt

Seehofer nennt Bedingungen für Aufnahme von „Lifeline“-Flüchtlingen

Der Innenminister kritisiert die Aufnahme der „Lifeline“-Flüchtlinge in Berlin: „Wir müssen vermeiden, dass wir es jeden Tag mit Schiffen zu tun haben, deren Flüchtlinge dann nach Deutschland gebracht werden, das kann nicht gehen.“

Nach Tagen der Ungewissheit darf das deutsche Rettungsschiff „Lifeline“ in Malta anlegen. Ob und wie viele der Migranten Deutschland aufnimmt, ist noch strittig: Innenminister Seehofer nannte nun Bedingungen.

Die Tage der Ungewissheit für die „Lifeline“ sind vorbei – doch in welchen Ländern die Migranten an Bord aufgenommen werden, ist immer noch nicht abschließend geklärt: Nach tagelanger Odyssee des deutschen Rettungsschiffs „Lifeline“ hat Malta nun ein Anlegen im Hafen der Hauptstadt Valletta erlaubt.

Die Entscheidung sei getroffen worden, nachdem acht EU-Staaten sich zur Aufnahme der mehr als 230 Migranten an Bord bereiterklärt hätten, sagte der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat. Demnach machten Malta, Frankreich, Italien, Portugal, Belgien, die Niederlande, Irland und Luxemburg Zusagen.

In Deutschland ist die Lage kompliziert: Die Regierungen mehrerer Bundesländer erklärten sich bereit, einige der Migranten aufzunehmen. Darunter sind Berlin, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen. Die Länder sind jedoch auf ein Signal des Innenministeriums angewiesen. Und dort gibt es keine abschließende Entscheidung zum Umgang mit der „Lifeline“.

Seehofer fordert, Crew strafrechtlich zu verfolgen

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte konkrete Bedingungen für eine Aufnahme der Menschen. Eine Voraussetzung sei, dass das Schiff festgesetzt werde, sagte er am Rande einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages. „Wir müssen verhindern, dass es zu einem Präzedenzfall wird.“ Das habe er auch Außenminister Heiko Maas (SPD) gesagt, der sich nun um die Details kümmern werde. Zwischen Libyen und Südeuropa dürfe es kein „Shuttle“ geben, sagte Seehofer.

Nach Angaben der Linken-Abgeordneten Petra Pau sprach Seehofer im Innenausschuss außerdem davon, dass Schiff sei „zu beschlagnahmen und die Crew strafrechtlich zu verfolgen“. Pau kritisierte Seehofers Entscheidung als „unmenschlich“. „Das ‚C‘ in Seehofers CSU verhöhnt christliche Gebote.“

Eine Sprecherin Seehofers sagte, es sei „alles noch im Fluss“. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärt gegenüber n-tv, „dass es keine Zuständigkeit von Deutschland gibt. Wir müssen auch deutlich machen, dass wir nicht bei all denjenigen, die letztendlich sich in der Verlängerung der Schlepper betätigen, neue Zuständigkeiten erzeugen“.

Die Organisation „Mission Lifeline“ hatte Seehofer vorgeworfen, eine Lösung wegen des unionsinternen Asylstreits zu blockieren.

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Welt | 18:09

Bundestag bestellt Seehofer ein – der kommt mit Blaulicht

In der Aktuellen Stunde debattieren die Bundestagsabgeordneten über das Rettungsschiff „Lifeline“. Doch die Bundesregierung ist nach Ansicht der Grünen-Politikerin Lemke nur unzureichend zugegen. Sie stellt daraufhin einen Antrag.

Während der Aktuellen Stunde zum Thema „Seenotrettung im Mittelmeer durchsetzen“ hat der Bundestag Innenminister Horst Seehofer (CSU) einbestellt. Einen entsprechenden Geschäftsordnungsantrag hatte die Grünen-Abgeordnete Steffi Lemke gestellt. Die Mehrheit im Bundestag stimmte dem zu.

Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Claudia Roth unterbrach die Sitzung, um mit dem Innenminister Kontakt aufzunehmen. Seehofer habe sich mit Blaulicht auf den Weg gemacht, hieß es.

Nach rund einer Viertelstunde betrat Seehofer daraufhin den Plenarsaal und nahm auf der Regierungsbank Platz. Die Debatte fand während des WM-Fußballspiels Deutschland gegen Südkorea statt. Abgesehen von den Grünen waren die meisten Fraktionen nur schwach im Plenum vertreten, sodass die Opposition über die Mehrheit verfügte.

Lemke hatte kritisiert, dass die Bundesregierung angesichts der Brisanz des Themas während der Debatte nur unzureichend vertreten war. Anlass der von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde war das tagelange Tauziehen um das Rettungsschiff „Lifeline“.

Seehofer will „Präzedenzfall“ verhindern
Unterstützer und Gegner der Flüchtlingsretter im Mittelmeer stritten sich im Bundestag lautstark. Michel Brandt von der Linkspartei rief den Abgeordneten der Union mit hochrotem Kopf zu: „Hören Sie endlich auf, diese mutigen Leute wie Kriminelle zu behandeln.“

Thorsten Frei (CDU) lobte daraufhin ironisch Brandts „kabarettreife Leistung“. Er sagte, Schiffbrüchige müssten zwar gerettet werden. Sie hätten aber keinen Anspruch darauf, an ein europäisches Ufer gebracht zu werden. Die sogenannten Seenotretter ermunterten die Migranten durch ihre Tätigkeit, ihr Leben auf dem Meer zu riskieren, sagte Frei. Den Abgeordneten der Linken, die seine Rede pausenlos kommentierten, rief er zu: „Quatschen Sie nicht die ganze Zeit dazwischen, das ist ja unerträglich.“

Auch Aydan Özoguz (SPD) und Luise Amtsberg (Grüne) lobten die Besatzung des Rettungsschiffes „Lifeline“. Özoguz sagte: „Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie man diese Menschen hier kriminalisieren kann.“

Seehofer sagte im Bundestag: „Über die Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen entscheiden nicht die Schlepper, sondern demokratisch gewählte Regierungen.“ Seehofer betonte, durch eine mögliche Aufnahme der 234 Migranten von der „Lifeline“ in Europa dürfe kein „Präzedenzfall“ geschaffen werden. Wegen der von anderen Staaten erklärten Aufnahmebereitschaft sehe er „nach momentanem Stand keine Handlungsnotwendigkeit für Deutschland“.

Schiff soll beschlagnahmt werden

Das von der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline betriebene Schiff hatte seit Tagen auf dem Mittelmeer ausgeharrt, ohne die Erlaubnis zu bekommen, an einem europäischen Hafen anzulegen.

Am Mittwoch sagte Malta dem Schiff einen sicheren Hafen zu. Die „Lifeline“ werde aber beschlagnahmt, kündigte Maltas Ministerpräsident Joseph Muscat an. „Dieses Schiff war staatenlos, es wird festgesetzt.“ Gegen die Besatzung der deutschen Hilfsorganisation werde ermittelt. Acht EU-Länder hätten sich bereit erklärt, Flüchtlinge von dem Boot zu übernehmen.

Deutschland war nicht darunter. Es boten aber mehrere Bundesländer Hilfe an. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, dass innerhalb der Regierung Gespräche geführt würden und man sich der schwierigen Lage der Flüchtlinge bewusst sei.

Die Abgeordnete der Linkspartei, Petra Pau, warf Seehofer vor, im Fall der „Lifeline“ unmenschlich vorzugehen. Nach ihren Angaben forderte der CSU-Politiker im Innenausschuss des Bundestages, das Schiff zu beschlagnahmen und die Besatzung strafrechtlich zu verfolgen.

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Der Tagesspiegel

Seehofer: Aufnahme von „Lifeline“-Flüchtlingen nicht notwendig

Das Rettungsschiff „Lifeline“ darf Malta anlaufen. Innenminister fordert erst, das Schiff festzusetzen. Später sieht er „keine Notwendigkeit“, die Flüchtlinge nach Deutschland zu bringen.

Paul Nachtwey

Das Rettungsschiff „Lifeline“ darf nun in Malta anlegen – und soll dort nach Willen von Innenminister Seehofer festgesetzt werden.Foto: AFP Photo/Mission Lifeline/Hermine Poschmann

Deutschland wird nach den Worten von Bundesinnenminister Horst Seehofer keine Menschen vom Flüchtlingsschiff „Lifeline“ aufnehmen. Das Schiff habe die Einfahrtgenehmigung nach Malta erhalten, zudem hätten sich acht EU-Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen bereiterklärt, sagte Seehofer am Mittwoch im Bundestag. „So dass sich jedenfalls nach momentanem Stand eine Handlungsnotwendigkeit für die Bundesrepublik Deutschland derzeit nicht ergibt“, fügte der CSU-Chef hinzu. Die Regierung werde das aber „sehr im Auge behalten“. Sie werde sich auch künftig von dem Grundsatz „Humanität und Ordnung“ leiten lassen.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Mittag noch gesagt, die Bundesregierung prüfe die Aufnahme eines Teils der 230 Menschen auf dem Schiff. Darüber seien Gespräche in der Bundesregierung im Gange.

Seehofer sagte, man müsse abklären, wie man einen Präzedenzfall verhindere. Eine weitere Frage sei, was mit dem Schiff und der Besatzung geschehe.

Seehofer unterstrich, über die Aufnahme von Migranten entschieden nicht Schlepper, sondern demokratisch gewählte Regierungen. Die „Lifeline“ zeige, wie notwendig ein Regelwerk in Europa sei, das den Umgang mit solchen Fällen auflöse. Nur die Völkergemeinschaft könne zudem für wirksame Kontrolle und den Schutz der Außengrenzen Europas sorgen. Zudem müssten die im Mittelmeer aufgegriffenen Menschen zurückgebracht werden können in „robuste Schutzzonen“, wo sie geschützt und versorgt seien und rechtsstaatliche Verfahren erhielten. Darauf müsse sich die Völkergemeinschaft einigen. Das „Humanste“ und „Christlichste“ sei zudem die Bekämpfung von Fluchtursachen.

Zuvor hatte die Grünen-Abgeordnete Steffi Lemke mit einem Geschäftsordnungsantrag dafür gesorgt, dass Seehofer während der Debatte herbeizitiert wurde. Die Aussprache lief parallel zum WM-Spiel Deutschland-Südkorea.

„Lifeline“ darf Malta anlaufen

Das Flüchtlingsschiff „Lifeline“ durfte nach tagelanger Irrfahrt Malta anlaufen. Das von einer Dresdner Hilfsorganisation betriebene Schiff werde gegen 18 Uhr deutscher Zeit erwartet, hatte Ministerpräsident Joseph Muscat auf einer Pressekonferenz angekündigt. Die Flüchtlinge sollten dann medizinisch versorgt, identifiziert und auf die EU-Länder verteilt werden.

Nach Angaben von Muscat haben Malta, Frankreich, Italien, Portugal, Belgien, die Niederlande, Irland und Luxemburg Zusagen zur Aufnahme der 230 Menschen an Bord des Schiffes gemacht.

Danach werde das unter niederländischer Flagge fahrende Schiff für Ermittlungen beschlagnahmt und gegen die Besatzung ermittelt, sagte Muscat. Der Kapitän der „Lifeline“ habe gegen „internationale Gesetze verstoßen und Anweisungen der italienischen Behörden missachtet“, und das Schiff damit selbst in seine schwierige Lage gebracht.

Der juristische Status des Schiffes müsse geklärt werden, sagte Muscat. Die niederländischen Behörden stuften die „Lifeline“ als „staatenlos“ ein. „Dieses Schiff war staatenlos, es wird festgesetzt“, so Muscat weiter. „Das ist keine Blaupause für die Rettung von Migranten.“ Vielmehr sei ein System notwendig, um Wirtschaftsflüchtlinge so schnell wie möglich zurückschicken zu können. Wenn Malta in rechtlichen Kategorien entscheiden würde, müsste das Anlegen des Schiffes abgelehnt werden.

Die Bundesregierung traf noch keine Entscheidung über eine Aufnahme. In Deutschland hatten die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein angeboten, eine gewisse Zahl Schutzsuchende von der „Lifeline“ aufzunehmen. Entscheiden muss darüber allerdings die Bundesregierung.

Später erklärte sich auch Rheinland-Pfalz dazu bereit, Flüchtlinge des deutschen Rettungsschiffs „Lifeline“ aufzunehmen. „Wir hätten Kapazitäten für die Aufnahme“, sagte die Staatssekretärin im Integrationsministerium, Christiane Rohleder (Grüne), am Mittwoch. In diesem konkreten Fall gehe es darum, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Der Bund müsse jetzt handeln.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) nannte Bedingungen für eine mögliche Aufnahme. Eine Voraussetzung sei, dass das Schiff festgesetzt werde, sagte Seehofer am Mittwoch am Rande einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages. „Wir müssen verhindern, dass es zu einem Präzedenzfall wird.“ Das habe er auch Außenminister Heiko Maas (SPD) gesagt, der sich nun um die Details kümmern werde. Zwischen Libyen und Südeuropa dürfe es kein „Shuttle“ geben, sagte Seehofer.

Nach Angaben von Mitgliedern des Innenausschusses sagte Seehofer außerdem in der nicht-öffentlichen Ausschusssitzung, die deutsche Crew müsse zur Rechenschaft gezogen werden. Die Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg sagte, in der aktuellen Notlage sei die deutsche Verzögerungstaktik nicht akzeptabel.

Lifeline: Seehofer verhindert Lösung

Die Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ hatte Minister Seehofer zuvor vorgeworfen, vor dem Hintergrund des Asylstreits in der Union eine „Lösung zu blockieren“. Wenn die Lage an Bord des Schiffes angesichts des schlechten Wetters und der Erschöpfung vieler Flüchtlinge eskaliere, trage Seehofer allein die Verantwortung, erklärte Lifeline-Mitgründer Axel Steier in einer Stellungnahme. Die Bundesregierung mache sich unterlassener Hilfeleistung schuldig. „Nach unseren Informationen ist es der Innenminister, der eine Lösung für die „Lifeline“ verhindert.“

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung betrachte die Situation mit Sorge. Seibert räumte ein, dass die Migranten auf der „Lifeline“ sich „in einer schwierigen Situation“ befinden. Alle Beteiligten seien aufgerufen, zu humanitären Lösungen beizutragen. „In diesem Zusammenhang kann ich ihnen nur sagen, dass darüber Gespräche in der Bundesregierung im Gange sind“, sagte Seibert.

Am Dienstagvormittag hatte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte angekündigt, dass das Schiff der Dresdner Organisation in Malta einlaufen dürfe. Bis Mittwochmittag hatte der Kapitän jedoch keine Erlaubnis erhalten, in einem Hafen Maltas zu ankern. Am Mittwochmorgen hieß es immerhin, das deutsche Flüchtlings-Rettungsschiff dürfe in maltesische Hoheitsgewässer, um Windschutz zu suchen, teilte Mission Lifeline auf Twitter mit. Einen Tag zuvor hatte Steier noch erklären müssen: „Eine Einfahrt wurde uns am Dienstagabend erneut verweigert.“

Die Crew des Schiffs reagierte mit Erleichterung auf die Nachricht, Malta anlaufen zu dürfen. „Einerseits ist eine Erleichterung da, dass nach sechs Tagen eine Lösung gefunden wurde“, sagte Sprecher Ruben Neugebauer dem Evangelischen Pressedienst. Zugleich sei „Mission Lifeline“ aber in „großer Sorge wegen der Kriminalisierung des Kapitäns“.

Nachdem die deutsche Besatzung am vergangenen Donnerstag mehr als 230 Flüchtlinge aus Seenot gerettet hatte, suchte die Hilfsorganisation nach einem sicheren Hafen. Das Schiff fährt nach Angaben der Dresdener Hilfsorganisation unter niederländischer Flagge, was die dortigen Behörden aber bestreiten. Der italienische Innenminister Matteo Salvini hatte die „Lifeline“ als „gesetzloses Schiff“ bezeichnet. Lange zeigte sich kein europäisches Land für die Migranten verantwortlich.

Daher hatte Steier an alle EU-Staaten appelliert, das Schiff mit Flüchtlingen an Bord rasch in einen Hafen einlaufen zu lassen. „Das ist eine sehr belastende Situation und wir sind erschüttert von der Kaltherzigkeit der Politik“, sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Fast alle Gäste seien seekrank

Steier schilderte die Lage an Bord als dramatisch. Seit Dienstag habe Unwetter zu starkem Seegang geführt: „Fast alle Gäste an Bord sind seekrank. Mehrere Menschen müssen von der Krankenstation des Rettungsschiffes intensiv behandelt werden“, sagte Steier. „Das ist langsam eine Frage von Leben und Tod.“

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