24. November 2017 · Kommentare deaktiviert für „Sklavenhandel in Libyen: Frankreich drängt auf UN-Sanktionen“ · Kategorien: Frankreich, Libyen · Tags: ,

Telepolis | 24.11.2017

Ein CNN-Video über Migranten, die als Sklaven in Libyen verkauft werden, führt zu internationaler Empörung. In der Kritik stehen auch Italien und die EU

Thomas Pany

Das CNN-Video über Migranten, die in Libyen in Auktionen als Arbeitssklaven verkauft werden, löst großen Wirbel aus. Der französische Präsident Macron spricht von einem „Verbrechen gegen die Menschheit“, die durch das Video enthüllt würden. Frankreich ersucht um eine dringende Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Wahrscheinlich wird sie nächste Woche abgehalten.

Nach Informationen von Reuters drängt der Außenminister Frankreichs auf Eile und droht mit internationalen Sanktionen gegen die libysche Regierung. Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (Unsmil) zeigte sich in ihrem Bericht entsetzt über das CNN-Filmmaterial. Auch UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich am Montag vor der Presse und am Dienstag bei einer Videokonferenz zum CNN-Video.

Guterres sprach von erschreckenden Bildern afrikanischer Migranten, die als Waren verkauft werden, und betonte die Notwendigkeit den libyschen Behörden dabei zu helfen, „die Kapazitäten zum Schutz und der Versorgung hilfsbedürftiger Männer, Frauen und Kinder zu verstärken“. Anders als Frankreichs Regierung sprach er nicht von Sanktionen. (Die Empörung in Frankreich ist besonders groß, wie hier und hier zu sehen ist).

Wie Macron verlangte er, dass eine Untersuchung eingeleitet werden müsse. Damit ist ein im CNN-Video angesprochenes Ziel erreicht. Das Video enthält zugespieltes Film-Material unbekannter Herkunft, das zeigt wie junge Afrikaner für mehrere hundert Dollar als Arbeitssklaven versteigert werden. Eigene Recherchen des amerikanischen Senders trafen, wie das Video darlegt, auf Schweigen.

Eine Auktion an einem geheimen Ort ist nur zu hören, mit Übersetzung, beweiskräftige Bilder wie auch Aussagen fehlen. Die befragten Männer, die mutmaßlich an der Versteigerung als Betreiber oder Verantwortliche teilnahmen, wollten keine Auskunft geben. Befragte Migranten bestätigten, dass diese Art des Menschenhandels praktiziert würde (nicht zum ersten Mal). Im Video appelliert die CNN-Reporterin daran, dass die Sache von höheren Stellen untersucht werde.

Die Empörung über den Sklavenhandel in Libyen hat allerdings ein paar Fallgruben, wie die Pressekonferenz demonstriert, die Macron mit dem Präsidenten der Afrikanischen Union, Alpha Conde, abhielt. Wie The National, eine Publikation aus Abu Dhabi, berichtet, machte Conde auf die europäische Mitverantwortung aufmerksam:

Was in Libyen passierte, ist schockierend, skandalös, aber wir müssen die Verantwortlichkeiten einwandfrei feststellen. In Libyen gibt es keine Regierung, so kann sich die Europäische Union nicht ein Entwicklungsland aussuchen und es bitten, die Flüchtlinge festzuhalten (…), wenn es nicht die Mittel dazu hat. Die Flüchtlinge sind in einem fürchterlichen Zustand … also lagen unsere europäischen Freunde nicht richtig, als sie Libyen darum baten, die Migranten zu behalten. Die Europäische Union ist verantwortlich.

Alpha Conde

Tatsächlich hat Libyen nicht eine, sondern drei Regierungen, welche zumindest diese Bezeichnung beanspruchen. Eine davon, die Einheitsregierung (GNA) unter Führung von Fayiz as-Sarradsch (auch al-Sarraj), wird international anerkannt. In Libyen selbst entspricht seine Position nicht den faktischen Machtverhältnissen, die seit der Absetzung Gaddafis im Jahr 2011 umkämpft sind, und, um es auf einen kurzen Nenner zu bringen, den bewaffneten Milizen und ihren Warlords weite gesetzlose Räume eröffnen.

Eine Folgerung daraus ist, dass keine der drei Regierungen in Libyen ausreichend territoriale Kontrolle über das Land hat, um menschenwürdige Bedingungen und Sicherheit für Migranten zu garantieren, wie dies etwa Jalel Harchaoui und Mohamad Eljarh anmerken. Beide Publizistien sind mit den Verhältnissen im Land vertraut, über ihre jeweiligen Positionen zu Haftar und ihre Verbindungen zu Think Tanks lässt sich streiten, aber an ihrer grundlegenden Lage-Einschätzung ist wenig „herum zu deuteln“.

„Libyen ist kein sicherer Platz für irgendjemand. Nicht für Libyer und nicht für Migranten, nicht für Menschen und das ist seit 2011 so. Die internationale Heuchelei seit der Veröffentlichung des CNN-Videos ist verblüffend“, kommentiert Eljarh die Empörung. Er stellt die Frage danach, ob Italien (in Übereinstimmung mit der EU) infolge des nun ans Licht gekommenen Sklavenhandels mit Migranten weiterhin das Abkommen vom Februar dieses Jahres unterstützt, wonach Migranten „abgefangen und nach Libyen zurückgebracht werden, um als Sklaven verkauft zu werden“.

Anstelle von Frankreichs Solo, um Sanktionen gegen „Tripolis“ zu erwirken, sei eine vereinte EU-Politik in Libyen nötig, fordert Harchaoui. Man müsse dem ganzen Bürgerkrieg etwas entgegenstellen, nicht einer einzelnen Facette, „um individuelle Agenden zu pushen“. Mit letzterem meint er die die Abmachungen, die Italien – wohl ganz im Sinne der EU – mit Milizen getroffen hat, die Migranten davon abhalten, mit Hilfe von Schleusern über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.

Das Geschäftsmodell einiger Milizen, die zuvor mit Schleusern zusammenarbeiteten, wurde mit viel Geld und der Unterstützung lokaler Behörden umgedreht – mit dem Erfolg, dass seit Juli deutlich weniger Migranten nach Italien kommen. Zu dieser „Facette“ gehört auch die Unterstützung der libyschen Küstenwache, die Migranten aus Libyen, die im Meer aufgegrifefn werden, wieder ins Land zurückbringt.

Nach Aussagen von NGOs geht sie dabei sehr robust und einschüchternd vor (siehe Brutale Folgen der EU-Abschottungsstrategie). Die Lager, in denen die „illegalen Migranten“ festgehalten werden, werden zumeist von Milizen geführt, die dafür viel Geld kassieren und laut Berichten mit brutalen Mitteln noch mehr Geld aus den Migranten herauspressen.

Dass Frankreich mit der Absicht, Sanktionen gegen Sarraj verhängen, gegen die international anerkannte Regierung vorgeht, deren Unterstützung allenthalben gefordert wird, gehört zu den vielen Widersprüchen, die die Lage in Libyen kennzeichnen und die politische Ratlosigkeit bei den Problemen, die sich der EU bei der Begrenzung der Zuwanderung aus Afrika stellen und weiter stellen werden.

Heute wird berichtet, dass die französische Regierung 25 Flüchtlinge aus Eritrea, dem Sudan und Äthiopien, als ein „erstes Kontingent“, in den nächsten Wochen nach Frankreich einfliegen lassen will. Nächste Woche soll ein Treffen zwischen EU- und afrikanischen Vertretern zur libyschen Migration in Abidjan an der Elfenbeinküste stattfinden.

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Zeit Online | 23.11.2017

Flüchtlinge in Libyen: Ein Möglichkeitsfenster gegen Sklaverei

In Libyen ist Sklaverei nichts Neues, die Berichte sind EU und UN bekannt. Ein Video, das die Versteigerung von Menschen zeigt, erzeugt nun aber politischen Druck.

Von Veronika Völlinger

Nach einem CNN-Bericht über Sklavenhandel in Libyen hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und der Afrikanischen Union (AU) angekündigt. „Wir können die Berichte über die Behandlungen von Migranten durch andere Menschen nicht ignorieren“, sagte Mogherini bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Moussa Faki Mahamat, dem Präsidenten der Kommission der Afrikanischen Union. Auch Mahamat forderte, die gemeinsamen Anstrengungen zu verstärken, um die Situation in Libyen zu verbessern.

Dass es Sklavenhandel in Libyen gebe, sei zwar „leider nichts Neues“, sagte die EU-Außenbeauftragte. Besonders als Italienerin wisse sie von den Geschichten über Sklaverei in Libyen, die Flüchtlinge erzählten, wenn sie auf der Mittelmeerinsel Lampedusa ankommen. Allerdings seien die Berichte immer auch „ein Möglichkeitsfenster“, um politisch etwas zu verändern. Eine erste Gelegenheit dafür könnte sich auf dem EU-Afrika-Gipfel bieten, der in der kommenden Woche in der Elfenbeinküste stattfindet.

In der vergangenen Woche hatten CNN-Journalisten ein Handyvideo aus Libyen veröffentlicht, das die Versteigerung junger afrikanischer Männer als Landarbeiter für mehrere Hundert Dollar zeigt. Die Journalisten waren in die Nähe der Hauptstadt Tripolis gereist, um den Sklavenhandel mit eigenen Augen zu sehen. „Uns wurden die Beweise anvertraut, dass dort echte Menschen verkauft werden“, sagte die CNN-Journalistin Nima Elbagir.

Die Regierung von Ruanda reagierte auf die Berichte und will bis zu 30.000 afrikanische Migranten aus Libyen aufnehmen.Ruanda könne nicht schweigen, „wenn Menschen misshandelt oder wie Vieh verkauft werden“, sagte die Außenministerin des ostafrikanischen Landes, Louise Mushikiwabo. „Unsere Tore sind weit offen.“

In der Vergangenheit hatte es viele Informationen über die unmenschlichen Zustände gegeben, denen Flüchtlinge in Libyen ausgesetzt sind. Die UN-Organisation für Migration (IOM) hatte bereits im April über die Versteigerung von Migranten berichtet. „Was ich dort vorgefunden habe, war ein Sklavenmarkt, es ist wie eine Industrie, aber die Welt betrachtet Libyen nur als Transitland“, sagte auch der Reuters-Fotograf Narciso Contreras über seine Fotodokumentationen aus dem Land. Selbst wenn Flüchtlinge in Libyen nicht versklavt werden, landen sie in Lagern, in denen dem Auswärtigen Amt zufolge die „allerschwersten, systematischen Menschenrechtsverletzungen“ geschehen – von KZ-ähnlichen Verhältnissen schrieben deutsche Diplomaten in einem internen Bericht. Und das ist nur ein Bruchteil der Geschichten. Trotzdem hat erst der CNN-Bericht aus der vergangenen Woche eine Reihe von politischen Reaktionen hervorgerufen.

Die international anerkannte libysche Regierung etwa kündigte eine Untersuchungskommission an. „Wenn die Vorwürfe zutreffen, werden die Verantwortlichen bestraft“, teilte das libysche Außenministerium mit. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Guineas Präsident Alpha Condé, forderte Aufklärung und Strafverfolgung wegen des „verabscheuungswürdigen Handels“, der an ein anderes Zeitalter erinnere. Ähnlich reagierten die Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine Untersuchung. Sklaverei habe keinen Platz in unserer Welt, sagte Guterres. Die Versteigerungen gehörten „zu den ungeheuerlichsten Menschenrechtsverstößen und könnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen“.

Internationales Sanktionsverfahren

In der französischen Hauptstadt Paris demonstrierten Hunderte vor der libyschen Botschaft, darunter viele meist ebenfalls aus afrikanischen Ländern stammende Migranten. Auch Prominente wie der ivorische Fußballer Didier Drogba riefen zum Protest auf: „Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wir als Menschen dürfen nicht schweigen oder nicht handeln“, schrieb er bei Instagram.

Frankreich hat nun ein Treffen des UN-Sicherheitsrats beantragt. Das teilte Außenminister Jean-Yves Le Drian vor der  Nationalversammlung mit. „Falls die libysche Justiz nicht in der Lage ist, die Verfahren erfolgreich durchzuführen, werden wir ein internationales Sanktionsverfahren einleiten müssen.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, was in dem Bericht aufgedeckt worden sei, falle unter Menschenhandel: „Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

EU ist mitschuldig

In Libyen herrscht seit dem Sturz des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi ein Bürgerkrieg. Insgesamt drei Regierungen und unzählige Milizen kämpfen im ganzen Land um die Macht. Libyen ist Transitland für Flüchtlinge aus mehreren afrikanischen Ländern, vor allem aus Guinea, Senegal, Mali, Niger, Nigeria und Gambia. Von dort aus versuchen sie, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen – auch weil die Zustände in Libyen so unmenschlich sind.

Nach Ansicht der UN trägt aber auch die EU eine Mitschuld an der schwierigen humanitären Situation in Libyen. Ihre Politik sei unmenschlich, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Raad al-Hussein, in der vergangenen Woche. So führe die Unterstützung für die libysche Küstenwache dazu, dass noch mehr Menschen unter entsetzlichen Bedingungen in libyschen Haftzentren eingepfercht würden, sagte Al-Hussein. An ihrem Ausbildungsprogramm für die libysche Küstenwache will die EU allerdings festhalten.

 

 

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