03. März 2017 · Kommentare deaktiviert für „Auffanglager für Flüchtlinge? Nicht mit Ägypten“ · Kategorien: Ägypten, Europa · Tags: , ,

Welt | 03.03.2017

Ägyptens Präsident stellt nach dem Treffen mit der Kanzlerin klar: Auffanglager wird es in seinem Land nicht geben. Dafür sind andere Kooperationen geplant, um die Migration von Nordafrika aus zu bremsen.

Von Robin Alexander, Manuel Bewarder

Auffanglager für Flüchtlinge, die nach Europa wollen, wird es in Ägypten nicht geben, das machte Präsident Abdel Fattah al-Sisi mehr als deutlich, nachdem er in Kairo Kanzlerin Angela Merkel (CDU) getroffen hatte: „Wir machen keine Auffanglager – wir haben fünf Millionen Flüchtlinge, sie leben mit uns, unter uns wie Ägypter.“ Das war deutlich.

Die in Berlin im Innenministerium, in den Unionsparteien, aber auch in der SPD kursierende Idee, bleibt eine Luftgeburt. Die Kanzlerin konzentriert sich deshalb lieber darauf, zu verhindern, dass es die Migranten überhaupt bis ins Transitland Ägypten schaffen. Al-Sisi habe die „illegalen Bewegungen aus Libyen noch einmal dargestellt“, berichtete Merkel nach dem Gespräch. Deutschland könne hier mit „technischer Ausstattung“ helfen, sowohl die Land- als auch die Seegrenze zu überwachen – wobei Ägypten es seit September geschafft hat, dass kaum noch Boote mit Ziel Italien ablegen. 2016 kamen aus dem Land mehr als 10.000 Migranten.

Neben Grenzschutz und Schleuserbekämpfung will Deutschland auch in die Verbesserung der Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Ägypten investieren. Somit sind drei Kern-Elemente vorhanden, die auch im EU-Türkei-Deal eine Rolle spielen. Eine ähnlich umfangreiche (und teure) Vereinbarung ist mit den nordafrikanischen Ländern zurzeit aber nicht geplant, machte Merkel in Kairo deutlich. Denn dazu würde auch die Abschiebung von Flüchtlingen aus Drittstaaten nach Ägypten und Tunesien gehören – das wäre jedoch nur möglich, wenn die Länder als sichere Drittstaaten gelten.

Die strenge EU-Asylverfahrensrichtlinie steht dem aber im Weg. Bislang jedenfalls, denn unter anderem Deutschland arbeitet daran, mit sogenannten sicheren Orten eine neue Konstruktion festzuschreiben, bei der Migranten in Ländern wie Tunesien oder Ägypten in speziellen Zentren durch internationale Organisationen wie das UNHCR oder die EU selbst betreut werden.

Bis zur Umsetzung eines solchen Konzepts würde aber wohl noch viel Zeit vergehen. Die Bundesregierung konzentriert ihre Bemühungen daher darauf, dass die Staaten wenigstens ihre eigenen Bürger zurücknehmen. Derzeit leben 1300 ausreisepflichtige Ägypter in Deutschland. Doch die Rückführung funktioniert schleppend. Merkel deutete allerdings an, al-Sisi habe hier schnellere Verfahren in Aussicht gestellt.

Ägypten könnte in der Libyen-Krise helfen

Für Europa spielt Ägypten aber auch eine wichtige Rolle über seine Grenzen hinaus. Merkels Satz „Wir wünschen Ägypten Erfolg bei den Aufgaben in seiner Nachbarschaft“ war ernst gemeint. Sie lobte den „inklusiven Prozess unter dem Dach der Vereinten Nationen“, bei dem das Land an der Befriedung Libyens mitwirke. Ägypten gilt als Schlüsselstaat, um die Krise in Libyen zu lösen – jenes Land, aus dem im vergangenen Jahr mehr als 160.000 Migranten und damit die weitaus größte Zahl nach Italien losgefahren ist.

Im Land herrscht jedoch das Chaos. Drei Regierungen und unzählige Milizen teilen sich die Macht. Die EU setzt beim Kampf gegen Schlepperbanden vor allem auf eine Zusammenarbeit mit der international anerkannten Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch. Diese aber ist zu schwach, um das Losfahren von Flüchtlingsbooten zu unterbinden. Gleichzeitig ist die Situation für viele Migranten dort katastrophal.

Deutsche Diplomaten berichteten zuletzt von „KZ-ähnlichen“ Verhältnissen in Flüchtlingslagern. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bemüht sich, möglichst vielen Flüchtlingen vor Ort zu helfen. Eine Sprecherin des für Libyen zuständigen IOM-Büros mit Sitz in Tunis sagte auf Anfrage der „Welt“: „Für dieses Jahr gibt es das Ziel, die Zahl der finanziell geförderten Rückreisen von Migranten aus Libyen auf mehr als 7000 zu erhöhen.“ Aus Kreisen von EU-Diplomaten verlautete, dass Migranten insbesondere nach Nigeria und in den Niger zurückgebracht werden sollen.
Ägypten könnte dabei helfen, Libyen zu stabilisieren – und damit dafür zu sorgen, dass das Land irgendwann selbst seine Küste bewacht. Erst vor ein paar Tagen gelang es durch die Vermittlung Kairos erstmals, indirekte Gespräche zwischen al-Sarradsch und General Chalifa Haftar, dem mächtigen Mann im Osten Libyens, zu organisieren.

Erfolgsmeldung bei Arbeit von Stiftungen

Aber nicht nur im Nachbarland tobt ein Bürgerkrieg, sondern auch in Syrien. Ägypten habe „500.000 syrische Flüchtlinge“ aufgenommen, lobte die Kanzlerin. Nach Angaben der UN-Flüchtlingsorganisation sind es allerdings nur 120.000. Hinzu kommen Migranten, die aus Eritrea, Somalia und Äthiopien ins Land strömen. Und weil das wirtschaftlich angeschlagene Land zudem mit einer hohen Arbeitslosigkeit kämpft, soll Ägypten aus der Sicht Europas den Migranten nicht nur den Weg übers Meer versperren, sondern sie auch so gut wie möglich versorgen und integrieren. Ein stabiles Ägypten ist dafür notwendig.

Einen echten Erfolg vermeldete die Kanzlerin für die Arbeit von politischen Stiftungen in dem vom Militär kontrollierten Land. Es sei gelungen, „die Grundsätze für ein Zusatzabkommen zum Kulturabkommen zu vereinbaren, sodass in Zukunft die rechtliche Situation der Stiftungen geregelt ist und dass dann auch die Fälle der Vergangenheit bearbeitet werden können“, sagte Merkel. Der Hintergrund sind jahrelange schwere Repressalien, denen die Stiftungen ausgesetzt waren.

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