01. März 2017 · Kommentare deaktiviert für „Gewalt, Missbrauch, Haft“ · Kategorien: Italien, Libyen, Mittelmeerroute · Tags: ,

Zeit Online | 28.02.2017

Kinder, die über das Mittelmeer flüchten, erleiden laut Unicef schreckliche Dinge. Um das zu verhindern, müssten sichere und legale Einreisewege eingerichtet werden.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat vor den Gefahren für geflüchtete Kinder und Jugendliche auf der Route von Nordafrika in Richtung Europa gewarnt. Auf dem Weg von Subsahara-Afrika nach Libyen und dann über das Mittelmeer seien Heranwachsende „regelmäßig sexueller Gewalt, Ausbeutung sowie Misshandlungen“ ausgesetzt, heißt es in einem Bericht der Organisation. Das gelte für die Behandlung durch Menschenschmuggler, aber auch durch Sicherheitskräfte und Personal in Haftzentren in Libyen.

Für den Bericht hat Unicef im Herbst 2016 mehr als 20.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche aus elf Ländern befragt. Demnach war ein Viertel von ihnen ohne Begleitung unterwegs. Drei von vier gaben an, mindestens einmal während ihrer Flucht Gewalt, Bedrohungen oder Aggressionen durch Erwachsene erlebt zu haben. Die Hälfte berichtete von sexuellem Missbrauch, der sich oft mehrfach und an unterschiedlichen Orten zugetragen habe. Aus Angst vor einer Inhaftierung gingen viele Betroffene in den jeweiligen Ländern nicht zur Polizei.

Das UN-Kinderhilfswerk zitiert etwa den 14-jährigen unbegleiteten Flüchtling Jon aus Nigeria, der von den Zuständen in Libyen berichtet. Zum Zeitpunkt der Befragung wurde er seit mehreren Monaten in einem Haftzentrum festgehalten. „Sie behandeln uns wie Hühner“, sagte er Unicef. „Sie schlagen uns. Sie geben uns kein sauberes Wasser oder zu essen.“

Mittelmeerroute als „kriminalisiertes Geschäft der Schlepper“

Im vergangenen Jahr starben laut Unicef mindestens 4.579 Menschen bei dem Versuch, von Libyen aus das Mittelmeer zu überqueren. Mindestens 700 von ihnen waren Schätzungen zufolge Kinder. Die Strecke gehöre weltweit zu den gefährlichsten Migrationsrouten für Kinder und Frauen, heißt es in dem Bericht. Sie werde mehrheitlich von Schmugglern, Schleusern und anderen Kriminellen kontrolliert, die verzweifelte Kinder und Frauen ausnutzen wollten. Unicef-Mitarbeiter Justin Forsyth nannte die Mittelmeerroute ein „voll und ganz kriminalisiertes Geschäft“ zu Gunsten von Schleppern. Nötig seien deswegen sichere und legale Wege und Schutzmaßnahmen, „um Kinder auf der Flucht zu schützen und Feinde auf Abstand zu halten“, verlangte das Kinderhilfswerk. Dies müsse weltweit gemeinsam angegangen werden.

Konkret fordert Unicef einen Sechs-Punkte-Plan zum Schutz von flüchtenden Kindern. So müssten sie etwa vor Gewalt und Ausbeutung geschützt werden, dürften nicht inhaftiert werden und müssten Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung erhalten. Außerdem sei es wichtig, dass Familien nicht auseinandergerissen würden.

Trotz der Situation wird Libyen in Europa als Partner beim Flüchtlingsthema gesehen. Erst kürzlich hatte sich EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani für Auffanglager für Flüchtlinge in Libyen ausgesprochen. Das Land ist das Hauptdurchgangsland für Flüchtlinge aus Afrika auf der Route über das Mittelmeer nach Europa. Hilfsorganisationen kritisieren immer wieder schwerste Menschenrechtsverletzungen in dem zerfallenen Staat, der in weiten Teilen von bewaffneten Milizen kontrolliert wird. Auch in Deutschland ist der Vorschlag der Auffanglager heftig umstritten.

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