18. März 2016 · Kommentare deaktiviert für „Kranke Flüchtlinge: Ankunft mit letzter Kraft“ · Kategorien: Deutschland

Quelle: Spiegel Online

Sie haben Erfrierungen an den Füßen, Druckgeschwüre, sogar unbehandelte Schusswunden: Nach Deutschland kamen zuletzt viele Flüchtlinge, die krank sind. Beobachtungen aus einem Übergangscamp.

Aus Erding und Hamburg berichtet Jörg Römer

Sogar das Ende des Weges bis zur ersehnten Ankunft ist lang: Über eine scheinbar endlose Zufahrt durch militärisches Sperrgebiet müssen Flüchtlinge auf dem Gelände des Fliegerhorsts in Erding noch in Bussen ausharren, ehe die ersten Gebäude auftauchen. Hier, im sogenannten Übergangscamp, können sie sich erstmals auf deutschem Boden ausruhen.

Dass vor allem junge Männer mit verhältnismäßig guter Gesundheit nach Deutschland kommen, ist vorbei. Zwar waren 2015 mehr als zwei Drittel aller Antragsteller männlich und mehr als die Hälfte davon war zwischen 18 und 35 Jahren alt.

Doch das Bild hat sich gewandelt. In den bayrischen Übergangscamps Erding und Feldkirchen, die beide vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) organisiert werden, berichten die Ärzte von einer Zunahme von Härtefällen. Etwa 50 Prozent der Ankommenden in den Einrichtungen bei München waren in den letzten Monaten Kinder und Jugendliche. Auch der Anteil der Alten steigt.

Die Kleidung klebt an der Haut

„Einige Menschen kommen mit letzter Kraft hier an“, sagt Stefan Sturm, der das Camp in Erding leitet. Dort stehen derzeit etwa 2500 warme Betten bereit, es soll auf 5000 ausgebaut werden. Die Menschen sollen maximal 72 Stunden in Erding bleiben, bevor sie in die Erstaufnahmeeinrichtungen weiterverteilt werden.

Von dem gesundheitlichen Zustand der Ankommenden verschaffen sich die Ärzte vor Ort in einem umgebauten Flugzeughangar einen ersten ungefilterten Eindruck – dann erst werden die Flüchtlinge registriert und mit neuer Kleidung ausgestattet.

„Knapp 20 Prozent brauchen sofort Hilfe“, sagt Maria Overbeck, die für das DRK in Erding und Feldkirchen die medizinische Betreuung koordiniert. Viele sind geschwächt, krank oder verletzt und haben sich mit völlig unzureichender Kleidung zu Fuß durch den Winter geschleppt. Winterfeste Schuhe hat kaum jemand, an einigen klebt die Kleidung, die sie seit der gefahrvollen Überquerung des Mittelmeeres nicht mehr gewechselt haben. „Auch Erfrierungen an den Füßen sehen wir oft,“ sagt Overbeck, und der Anteil an chronischen Lungenerkrankungen nehme zu. Einige wenige Flüchtlinge mussten direkt in eine Klinik eingeliefert werden, auch der Rettungshubschrauber war schon da.

Sogar das Ende des Weges bis zur ersehnten Ankunft ist lang: Über eine scheinbar endlose Zufahrt durch militärisches Sperrgebiet müssen Flüchtlinge auf dem Gelände des Fliegerhorsts in Erding noch in Bussen ausharren, ehe die ersten Gebäude auftauchen. Hier, im sogenannten Übergangscamp, können sie sich erstmals auf deutschem Boden ausruhen.

Dass vor allem junge Männer mit verhältnismäßig guter Gesundheit nach Deutschland kommen, ist vorbei. Zwar waren 2015 mehr als zwei Drittel aller Antragsteller männlich und mehr als die Hälfte davon war zwischen 18 und 35 Jahren alt.

Doch das Bild hat sich gewandelt. In den bayrischen Übergangscamps Erding und Feldkirchen, die beide vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) organisiert werden, berichten die Ärzte von einer Zunahme von Härtefällen. Etwa 50 Prozent der Ankommenden in den Einrichtungen bei München waren in den letzten Monaten Kinder und Jugendliche. Auch der Anteil der Alten steigt.

Die Kleidung klebt an der Haut

„Einige Menschen kommen mit letzter Kraft hier an“, sagt Stefan Sturm, der das Camp in Erding leitet. Dort stehen derzeit etwa 2500 warme Betten bereit, es soll auf 5000 ausgebaut werden. Die Menschen sollen maximal 72 Stunden in Erding bleiben, bevor sie in die Erstaufnahmeeinrichtungen weiterverteilt werden.

Von dem gesundheitlichen Zustand der Ankommenden verschaffen sich die Ärzte vor Ort in einem umgebauten Flugzeughangar einen ersten ungefilterten Eindruck – dann erst werden die Flüchtlinge registriert und mit neuer Kleidung ausgestattet.

„Knapp 20 Prozent brauchen sofort Hilfe“, sagt Maria Overbeck, die für das DRK in Erding und Feldkirchen die medizinische Betreuung koordiniert. Viele sind geschwächt, krank oder verletzt und haben sich mit völlig unzureichender Kleidung zu Fuß durch den Winter geschleppt. Winterfeste Schuhe hat kaum jemand, an einigen klebt die Kleidung, die sie seit der gefahrvollen Überquerung des Mittelmeeres nicht mehr gewechselt haben. „Auch Erfrierungen an den Füßen sehen wir oft,“ sagt Overbeck, und der Anteil an chronischen Lungenerkrankungen nehme zu. Einige wenige Flüchtlinge mussten direkt in eine Klinik eingeliefert werden, auch der Rettungshubschrauber war schon da.

Der Mainzer Mediziner Raphaele Lindemann war einer der ersten, der auf die Verschlechterung der Lage aufmerksam gemacht hatte. Ende Januar postete er einen Erfahrungsbericht von seinem Einsatz in Erding auf Facebook , der bis heute über 300.000 Mal geteilt wurde. Darin berichtete er von Säuglingen mit Lungenentzündung oder einer Frau mit verbrannten Beinen. Overbeck und ihre Kollegen bestätigen den Bericht. „Hier sind teilweise Menschen mit unversorgten Schuss- oder Splitterverletzungen angekommen“, sagt Overbeck. „Sie haben sich offenbar direkt auf den Weg gemacht, nachdem sie in Syrien von einer Kugel oder Granate getroffen wurden.“

Gespenstische Stille im vollen Camp

Über 1000 Menschen sind zu den Hochzeiten im Dezember und Januar täglich angekommen – alleine 80.000 kamen in den ersten drei Monaten nach der Eröffnung im Oktober 2015. Doch selbst als es im Januar im Camp richtig voll wurde, sei es gespenstisch still gewesen, erzählt Sturm. Zu erschöpft seien die meisten, auch die Kinder.

Weil es auf der langen Flucht so wenig zu trinken gibt, sind vor allem die Kinder häufig dehydriert, erklären die Mediziner. Und Schwangere kommen mit viel zu wenig Fruchtwasser an: „Eine Frau berichtete, dass sie schon drei Wochen keine Kindsbewegung mehr gespürt habe“, erinnert sich Overbeck. Das Kind konnte nicht mehr gerettet werden.

„Manchmal haben wir uns schon gefragt, wie es die Menschen überhaupt nach Deutschland schaffen konnten“, sagt Sturm. Da war etwa der Rollstuhlfahrer, der von seinem Freund nahezu bis nach Deutschland geschoben wurde und dessen Gesäß vom langen Sitzen mit einem Druckgeschwür überzogen war, erzählt Sturm.

Overbeck berichtet von einer Frau, die es sogar mit einem Tracheostoma, einer operativ angelegten Öffnung der Luftröhre am Hals, nach Erding geschafft habe. Sie musste mehrmals täglich abgesaugt werden und habe zu diesem Zweck eine abenteuerliche Handpumpe benutzt, so die Ärztin. „Wie hoch muss der Leidensdruck sein und wie hoffnungslos die Perspektive, wenn man sich trotz solcher Handicaps auf den Weg macht?“, fragt Sturm.

Derzeit ist es ruhig in Erding, das Camp ist leer. Durch die Schließung der Grenzen in Österreich sowie Slowenien und Serbien kommen derzeit keine neuen Flüchtlinge. Sturm und seine Kollegen nutzen die Zeit, um das Camp weiter auszubauen. Die angemieteten Bierzelte vom Münchner Oktoberfest verschwinden nach und nach und werden durch isolierte Hallen ersetzt.

Die Menschen harren unterdessen weiter an den dichten Grenzen aus und drängen Richtung Norden. Wann neue Flüchtlinge nach Erding kommen und in welchem Zustand sie dann sein werden, weiß derzeit niemand. Das Rote Kreuz sucht unterdessen bereits Helfer in ihren Reihen für Idomeni.

„Von Impfraten bis zu 85 Prozent“

Doch während sich die gesundheitliche Lage der neu Ankommenden verschlechtert hat, ist sie andernorts überwiegend stabil. In Hamburg etwa hat Karen Winterberg mit vergleichsweise harmlosen Problemen zu kämpfen: Die Medizinerin betreut in Hamburg-Wilhelmsburg Flüchtlinge in einer Erstaufnahmeeinrichtung, die Menschen sind schon länger in Deutschland und warten auf eine Entscheidung über ihr Asylverfahren.

Wer zu Winterbergs Behandlungszimmer will, muss durch Matsch laufen, der sich bei schlechtem Wetter zwischen den weißen Wohncontainern bildet. Täglich kommen derzeit Menschen mit den üblichen Wehwehchen, die ein deutscher Winter mit sich bringt: kräftige Erkältungen und Infektionen mit Erregern, die Syrer oder Afghanen so teilweise nicht gewohnt sind. Zudem sind die Regenerationsmöglichkeiten in den Mehrbettzimmern nicht gerade ideal.

„Ganz Ungeduldigen muss ich schon mal erklären, dass auch ein Antibiotikum die Genesung wohl nicht beschleunigen wird“, sagt die 39-Jährige. Im Umgang mit Medikamenten allgemein und speziell mit Antibiotika herrsche ein ganz anderes Bewusstsein bei vielen Flüchtlingen, für das Problem durch Resistenzen sei kaum jemand sensibilisiert. In Syrien können die Bakterienkiller rezeptfrei in jeder Apotheke gekauft werden.

In Winterbergs Wartezimmer wird es immer dann voll, wenn die Influenzaschutzimpfung angeboten wird. „Von Impfraten bis zu 85 Prozent können wir bei der deutschen Bevölkerung nur träumen“, sagt Winterberg. „Impfskeptiker gibt es hier nahezu nicht.“ Besonders groß sei der Bedarf auch in Bezug auf psychische Probleme.

Insgesamt beurteilt Winterberg den gesundheitlichen Zustand ihrer Patienten positiv. Ausbrüche von Krätze oder anderen Infektionskrankheiten seien die Ausnahme . „Die Immunlage ist gut“, sagt sie. Vermutlich liege das daran, dass derzeit vor allem junge Männer in dem Containerdorf leben. Doch das wird vermutlich nicht so bleiben.

Zusammengefasst: Inzwischen kommen nicht nur junge Männer, sondern immer mehr flüchtende Kinder, Jugendliche und Ältere nach Deutschland. Ihr gesundheitlicher Zustand ist oft schlecht, die Härtefälle nehmen zu, sagen Ärzte im Übergangscamp Erding an der bayerischen Grenze. In Hamburg beurteilen Mediziner die Immunlage der Asylbewerber, die schon länger hier warten, hingegen als weitgehend stabil.

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