13. März 2016 · Kommentare deaktiviert für „Migranten sollen Idomeni verlassen“ · Kategorien: Balkanroute, Griechenland · Tags:

Quelle: DW

Durchweichte Zelte, Kinder mit Hepatitis-Infektionen: Die Situation in Idomeni verschärft sich weiter. Athen hofft auf eine Lösung innerhalb einer Woche. Der Künstler Ai Weiwei ließ derweil ein weißes Piano aufstellen.

Griechenland hat seine Bemühungen intensiviert, die Flüchtlinge aus dem provisorischen Camp bei Idomeni in besser ausgestattete Aufnahmelager zu bringen. Zwei Hepatitis-A-Erkrankungen in dem Camp am geschlossenen Grenzübergang nach Mazedonien unterstrichen die Befürchtungen, dass es dort zu Seuchen kommen könnte. Bei Idomeni kampieren noch etwa 12.000 Menschen. Nach tagelangem Regen in oft undichten Zelten sind sie durchnässt. Der Boden ist aufgeweicht und matschig. Viele wollen von dort nicht weggehen, weil sie auf eine Öffnung der Grenze zu Mazedonien hoffen.

Vize-Verteidigungsminister Dimitris Vitsas, der für die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich ist, erklärte, man versuche, die Menschen davon zu überzeugen, Auffanglager anderswo im Land aufzusuchen. „Ich hoffe, dass die Situation innerhalb einer Woche gelöst werden kann, ohne Gewalt einzusetzen“, sagte Vitsas dem Sender Mega TV. Rund 400 Menschen seine bereits an andere Orte in Nordgriechenland gegangen. Er rechne mit steigenden Zahlen in den nächsten Tagen.

Mit Flyern in den Sprachen Arabisch, Farsi und Paschtu rief die griechische Regierung die Menschen im Elendscamp zum Umzug auf. „Die griechisch-mazedonische Grenze ist geschlossen. Griechenland bietet Ihnen Unterkunft, Versorgung mit Nahrungsmitteln und ärztliche Hilfe“, heißt es auf den Handzetteln, die verteilt wurden. „Wir bitten um Ihre Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden. Suchen Sie die entsprechenden Auffanglager auf.“

In Häfen und auf den Inseln seien die Flüchtlinge und Migranten angehalten worden, nicht nach Idomeni zu gehen, teilte die Regierung mit. Griechenland werde ihnen Unterkunft, Lebensmittel und Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellen.

Angst vor Seuchen

Wegen der schlechten hygienischen Bedingungen in dem Camp wächst die Sorge vor Infektionen. Am Freitag sei bei einem neunjährigen Mädchen Hepatitis A festgestellt worden, am Samstag bei einer weiteren Person, hieß es bei den Gesundheitsbehörden. Das Hepatitis-A-Virus kann eine akute Leberentzündung verursachen und wird vornehmlich durch verunreinigtes Trinkwasser übertragen. Die Behörden setzten unterdessen zusätzliche Tankwagen zur Wasserversorgung in Idomeni ein.

Der chinesische Künstler Ai Weiwei ließ einen weißen Flügel in dem Lager aufstellen, damit eine junge Syrerin zum ersten Mal seit Jahren wieder Klavier spielen konnte. Die 24-jährige Nour Alkhzam spielte zwanzig Minuten im strömenden Regen. Sie hofft, mit ihrem Ehemann nach Deutschland zu gelangen. „Dies zeigt der Welt, dass Kunst den Krieg überwinden kann“, sagte Ai Weiwei.

aiwei

Der ehemalige deutsche Arbeitsminister Norbert Blüm bezeichnete die miserablen Zustände als „Anschlag auf die Menschlichkeit“. „Diese Art von Brutalität ist unwürdig der europäischen Kultur“, sagte der 80-Jährige beim Besuch des Lagers einem Reporter der Nachrichtenagentur dpa. Blüm kritisierte Österreich und andere mittel- und osteuropäische EU-Länder, die sich aktiv dafür eingesetzt hatten, dass die Grenzen entlang der Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen wurden. „Was ist das eigentlich für eine Lösung? Die ziehen sich bequem zurück und sagen, Griechenland soll damit zurechtkommen“, sagte er. Sein Europa sei das nicht.

In den vergangenen drei Tagen haben dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge fast 5000 Flüchtlinge die Überfahrt von der Türkei zu den nahen griechischen Inseln gewagt. Den Angaben nach halten sich auf den griechischen Inseln 8200 Flüchtlinge auf. Insgesamt sollen es in Griechenland derzeit mehr als 42.000 Migranten sein. Die griechische Küstenwache berichtete, sie habe am Morgen 100 Menschen auf zwei Schlauchbooten vor der Insel Chios aufgenommen. Der deutsche Seenotretter „Minden“, der zwischen der Insel Lesbos und der türkischen Küste kreuzt, rettete am Samstag bei drei Einsätzen 165 Menschen aus dem Meer.

stu/wl (afp, dpa, rtr)

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