09. März 2016 · Kommentare deaktiviert für AntiRa-Kompass: Newsletter Nr. 47, März 2016 · Kategorien: Deutschland, Lesetipps · Tags: ,

Quelle: AntiRa-Kompass [Dt]

Balkanroute geschlossen – bis zu 15.000 Geflüchtete in Idomeni +++ Türkei-Deal und Nato-Einsatz in der Ägäis +++ AntiRa-Demonstrationen in mehreren Städten +++ 12.3. in Köln: Unser Feminismus ist antirassistisch +++ 12.3. in Freiburg: Für grenzenlose Menschenrechte +++ 19.3. in Hannover: Der rassistischen Mobilmachung entgegentreten +++ 2.4. in Bielefeld: Bewegungsfreiheit statt Abschiebelager +++ Freiburg – Basel, Italien – Österreich: Aktionen an den Grenzen +++ WatchTheMed-Alarmphone: Videoclips und Kampagnenzeitung +++ Rückblicke: Hamburg Konferenz; Safe Passages; 1. März Aktionstag gegen Grenzregime und Prekarisierung +++ Ausblicke: Defencing vom 27. – 29.5. an der slowenisch-kroatischen Grenze und Nobordercamp Mitte Juli in Griechenland; 10. – 12.6. in Leipzig: Welcome to Stay-Gipfel

Liebe Freundinnen und Freunde,

7.3.2016 – die Polarisierung geht in eine neue Runde. Die Balkanroute quasi geschlossen, Nato-Schiffe in der Ägäis, Calais geräumt, das Asylpaket durchgepeitscht und die Rechtsextremen der AfD im Aufwind – auf allen Ebenen sind wir mit einem rassistischen Rollback konfrontiert. Das EU-Grenzregime soll mit aller Gewalt wieder aufgerichtet und die Kontrolle über die Flucht- und Migrationsbewegungen um jeden Preis wieder hergestellt werden.

Doch auch die sozialen und politischen Widerstände sind ungebrochen.15.000 Menschen harren aus in Zelten und im Schlamm von Idomeni. Sie fordern offene Grenzen, während Tausende neue Wege nach Norden suchen. Und bislang ist es vor allem das schlechte Wetter, das die über den Winter anhaltenden Überfahrten in der Ägäis tageweise unterbricht. Gleichzeitig treffen sich in Hamburg bis zu 2000 AktivistInnen, in der Mehrzahl selbstorganisierte Gruppen von Geflüchteten. Nie zuvor gab es in Deutschland eine so gut besuchte Konferenz, auch die AntiRa-Bewegung kann einen neuen Level der Organisierung verbuchen.

Absehbar wird es in den kommenden Wochen und Monaten zu harten Konfrontationen kommen: zu heftigen Zaunkämpfen an den Außengrenzen, zu Bleiberechtskämpfen sowie zu sozialpolitischem und antifaschistischem Widerstand im Innern. Ganz Europa wird zum umkämpften Raum, in dem um den zukünftigen Charakter dieses Kontinents gefochten wird. Oder wie es die Forschungsgesellschaft Flucht und Migration in ihrem lesenswerten aktuellen Kommentar formuliert: „Die pure Zahl der Migrantinnen an sich ist nicht das Problem, auch 5 oder 20 Millionen müssten nicht verhungern und könnten in Europa würdig versorgt werden. Die politische und mediale Inszenierung des Themas korreliert aber dennoch mit der Bedeutung des Themas, denn die Fragen, Öffnung der Grenzen oder Wohlstandsfestung, Öffnung der Gesellschaft oder Militarisierung und Schießbefehl – diese zentralen Fragen nach der Zukunft Europas stehen zur Debatte und diese Fragen werden uns durch die Migrantinnen präsentiert. Sie werden uns nicht mehr los lassen. Europa wird bewegt.“ („Europe in Limbo“, siehe ffm-online.org )

Mischen wir mit, mobilisieren wir mit! Für ein offenes Europa von unten, by any means necessary!

Euer Kompass Team

Infos und Termine zum März 2016

Balkanroute und Ägäis:
Hochspannung herrscht in Idomeni, ob die Balkanroute mit dem Brüsseler Gipfel vom 7.3.16 endgültig geschlossen wird. Immer restriktiver und willkürlicher wurden die Regeln in den vergangenen Tagen, immer weniger Menschen konnten die Grenze nach Mazedonien passieren. Ca. 15.000 Flüchtlinge aus Syrien und Irak harren dort mittlerweile aus und protestieren immer wieder mit Gleisblockaden und Hungerstreiks für die Öffnung der Grenze.

Gleichzeitig spitzte sich auch die Situation in der Ägäis zu. Nato-Schiffe – unter deutscher Federführung! – gehen in Position, sie sollen – gemeinsam mit Frontex – irgendwie zwischen Aufklärung zur Schlepperbekämpfung und Abfangaktionen aktiv werden, abhängig von den weiteren Verhandlungen und Ergebnissen im sog. Türkei-Deal. Die türkische Polizei selbst führt zwar vermehrte Razzien und Festnahmen an den Küsten durch, doch auch in den vergangenen Wochen war es vor allem das Winterwetter, das zu Unterbrechungen bei den Überfahrten führte. Sobald das Wetter gut war, sind erneut Tausende auf den griechischen Inseln angekommen.
Siehe dazu die Wochenberichte des Alarmphone: http://alarmphone.org

12.3.16: Bundesweite Demonstration in Köln, 13 Uhr, Dom (Roncalli-Platz)
„Unser Feminismus ist antirassistisch…
Überall in Deutschland, ob auf dem Dorf, in der Kleinstadt oder in den Metropolen, geschehen täglich sexistische Übergriffe oder Belästigungen gegenüber Frauen*. Sexismus ist Alltag und das nicht erst seit der Silvesternacht auf der Kölner Domplatte. Unsere Solidarität gilt deshalb all jenen Frauen*, die sexualisierter Gewalt und Übergriffen ausgesetzt waren und sind. Wie es Feminist*innen auf der ganzen Welt schon seit vielen Jahren tun, muss sexualisierte Gewalt und Sexismus überall bekämpft werden – egal, von wem sie ausgeht.
Antifeminismus und Rassismus schließen eine unheilvolle Allianz
Es ist bizarr aber wenig verwunderlich, dass Pegida, AfD, Antifeminist*innen und allerlei Personen, die sich noch nie für Frauen*rechte interessiert haben, nun plötzlich als Beschützer*innen von „deutschen, weißen Frauen“ auftreten. Die Körper der angegriffenen Frauen* werden instrumentalisiert, um eine rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete und insbesondere muslimische Migranten zu betreiben … „
Der ganze Aufruf hier: http://www.interventionistische-linke.org/

12.3.16: Demonstration in Freiburg, 14 Uhr, Johanniskirche
Für grenzenlose Menschenrechte – Gegen Abschiebungen und die große Anti-Flüchtlings-Koalition
„Wir treten ein für eine Flüchtlingspolitik, die menschenrechtliche Grundsätze ernst nimmt. Dazu bieten uns die anstehenden Wahlen keine Möglichkeit. Denn alle Parteien in Baden-Württemberg waren zuletzt Teil einer ganz großen Koalition, die massive Einschränkungen der Rechte von Flüchtlingen durchgesetzt hat. Weitere Einschränkungen sind geplant. …“
Der ganze Aufruf hier: http://www.freiburger-forum.net/2016/02/

19.3.16: Demonstration in Hannover, 11:00 Uhr, Weißekreuzplatz
Der rassistischen Mobilmachung entgegentreten
Für Samstag, den 19.03.16, ruft die „Bürgerwehr Hannover“ unter dem Motto „Reconquista Hannover – Der Weißekreuzplatz gehört uns!“ dazu auf, von People of Color besetzte Räume wieder in „deutsche Hände“ zu bringen. Konkret wird die Räumung des Refugee Protest Camps am Weißekreuzplatz gefordert und zu einer Gegenbesetzung aufgerufen…. Deshalb: Kommt am 19.03.16 um 11:00 Uhr zum Weißekreuzplatz!
Solidarität mit den Betroffenen der rassistischen Mobilmachung!
Zusammenschlüsse bürgerlicher und militant-rechter Strukturen zerschlagen!
„Reconquista Hannover“ zum Desaster machen!
Der ganze Aufruf hier: https://www.facebook.com/events/1973132036244244/

2.4.16: NRW-weite Demonstration in Bielefeld, 14 Uhr Hauptbahnhof
ZAB schließen statt abschieben! Bewegungsfreiheit statt Abschiebelager! Jeder Fluchtgrund ist legitim!
In Bielefeld befindet sich eine der drei Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) des Landes Nordrhein-Westfalen. Die ZAB Bielefeld ist dabei nicht nur NRW-weit für die Organisation von Flugabschiebungen zuständig. Sie „berät“ auch in speziellen Abschiebelagern (sogenannten „Balkan-Zentren“) „unerwünschte“ Geflüchtete über die „Vorteile der
freiwilligen Rückreise“ …
Aber weder die offenen Rassist*innen noch die Herrschenden werden die Menschen aufhalten, die sich auf den Weg gemacht haben – soviel ist jetzt schon klar!
Wir wollen uns mit allen verbünden, die die Abschiebungen und die Sortierung von Menschen in „echte“ und „falsche“ Geflüchtete nicht hinnehmen wollen! Wir wollen gemeinsam für ein gutes Leben für alle kämpfen.“
Der ganze Aufruf hier: https://bewegungsfreiheitstattlager.noblogs.org

Ende März: geplante Protestaktionen zwischen Italien und Österreich …
„Aufruf zu einer Protestaktion gegen die Errichtung eines Stacheldrahtzaunes zwischen Italien und Österreich ….
Deshalb fordern wir alle auf, bis Ende März gemeinsam eine transnationale Protestaktion an der Grenze zwischen Österreich und Italien zu organisieren. Eine große Demonstration, die ein klares “NEIN!” zu Grenzen und Zäunen und ein lautes “JA!” für die Freiheit zur Mobilität zum Ausdruck bringen soll. Unser Frühling beginnt hier.“
Der ganze Aufruf sowie Kontaktadresse hier: http://www.leila.network/493-2/

Vom 01. bis 03. April in Freiburg und Basel
No Border Action Days
„…. Wenn ihr aus wirtschaftlichen Gründen die Grenzen des Schengenraums für Menschen auf der Flucht schließt um eure verblendete ‚Heile Welt’ weiter abzuschotten – dann machen wir den Schengenraum unsicher!
Wir bringen den Protest gegen die Festung Europa, gegen die beschissenen Zustände entlang der Balkanroute auch nach Deutschland und die Schweiz, wo sich grosse Teile der Ursachen verorten. Wir bauen gerade an Aktionen für das Wochenende nach Ostern, vom ersten bis dritten April. Es sind No-Border-Action-Days in Freiburg und Basel geplant ….“
Kontakt: noborder.action@riseup.net

WatchTheMed-Alarmphone: Zwei Videoclips und Kampagnenzeitung Ferries not Frontex
In den folgenden zwei vimeo-links finden sich zwei kurze Videoclips des transnationalen Projektes von WatchTheMed-Alarmphone.
Im ersten werden Flüchtlingen und MigrantInnen die Möglichkeiten und Grenzen erläutert sowie die Abläufe beschrieben, damit sie sich besser vorbereiten können, wenn sie bei der Überfahrt über das Mittelmeer in Seenot geraten.
https://vimeo.com/157990644
Der zweite Clip beschreibt die tägliche Arbeit, die technischen Methoden und politischen Ziele des Projektes vor dem Hintergrund der anhaltenden Überfahrten zwischen der Türkei und Griechenland.
https://vimeo.com/156752219
Des Weiteren hat das Alarmphone mittlerweile die Kampagnenzeitung „Fähren statt Frontex“ (auf english) veröffentlicht. Sie findet sich hier und kann auch bestellt werden:
http://alarmphone.org/en/2016/02/12/newspaper-ferries-for-all/?post_type_release_type=post

Rückblicke:
Hamburg Konferenz: Wie einleitend erwähnt war diese internationale Konferenz so gut besucht wie nie zuvor ein antirassistisches Zusammentreffen in Deutschland. Insbesondere selbstorganisierte Gruppen haben sich zum Austausch getroffen, und geflüchtete und migrantische Frauen haben mit einer gelungenen Podiumsbesetzung ihr Recht auf angemessene Mitsprache und Repräsentanz durchgesetzt. Das Theater Kampnagel bot großzügige Räumlichkeiten, die Hamburger Unterstützungsstrukturen haben großartiges geleistet. Besonders beeindruckend, dass und wie auf den Panels auch in Gebärdensprachen übersetzt wurde …
Ein guter zusammenfassender Text mit vielen kurzen Interviews findet sich hier:
http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/51775_66470.asp
Und ebenfalls lesenswert hier: http://www.rosalux.de/news/42180

Safe Passages: In vielen Städten quer durch Europa haben Ende Februar Aktionen stattgefunden, um sichere Wege für Flüchtlinge zu fordern. Bilder zu diesen Protesten finden sich auf dieser Seite: https://www.flickr.com/photos/march4refugeerights/albums

Zum 1. März Aktionstag: In mehr als 20 Städten fanden zeitgleiche Proteste gegen Grenzregime und Prekarisierung statt, koordiniert von der Plattform für einen transnationalen sozialen Streik. Eine Karte und mehr demnächst auf der Webseite: http://www.transnational-strike.info

Ausblicke:
Vom 27. – 29.5: Defencing an der slowenisch-kroatischen Grenze: Über 160 km lang ist der Zaun, der zwischen Kroatien und Slowenien verlegt wurde, und der Ende Mai zum Aktionsziel einer transnationalen Mobilisierung werden soll…

Vom 10. – 12.6. in Leipzig: „Welcome to Stay“ ist das Motto unter dem zu einem „Gipfeltreffen der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität und des Antirassismus“ geladen wird. Die Veranstaltung richtet sich an Menschen aus Willkommeninitiativen, Solidaritätsgruppen, Selbstorganisationen von Geflüchteten, aus antirassitischen Gruppen und Netzwerken sowie aus zivilgesellschaftlichen Organisationen. Geplant sind Erfahrungsaustausch und Diskussionen zu den Themenkomplexen Abschottung/Asylrecht, Antirassismus und solidarische Gesellschaft. Weitere Informationen unter www.welcome2stay.org

Voraussichtlich Mitte Juli 2016: Nobordercamp in Griechenland/Thessaloniki. Die Planungen sind noch nicht konkreter, aber sie müssen ohnehin flexibel bleiben, um auf die sich ständig ändernden Situationen eingehen zu können. Niemand weiss momentan, wie es in vier Monaten in Griechenland aussehen wird, doch absehbar bleibt es der Ort zentraler Zuspitzungen und entsprechend die Idee, hier zu einer großen mehrtägigen Sommeraktion zu mobilisieren.

Beitrag teilen

Kommentare geschlossen.