Quelle: Spiegel Online
Die Balkanroute ist dicht, Tausende Flüchtlinge stecken in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze fest – ohne Versorgung, unter erbärmlichen Bedingungen. Nun steht die Evakuierung des Lagers an.
Griechenland hat die neue Realität akzeptiert: Die Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan sind nicht mehr auf der Durchreise – sondern gezwungen zu bleiben. Denn seit die Balkanländer die Route nach Norden dicht gemacht haben, seit Mazedonien seine Grenze mit Zäunen und Soldaten sichert, ist Griechenland für Flüchtlinge zur Sackgasse geworden.
Endlich beginnt das Land, sich auf die neue Lage einzustellen: 15 neue behelfsmäßige Flüchtlingsunterkünfte werden errichtet, Aufnahmekapazität für 17.400 Menschen soll so geschaffen werden. Wenn alles nach Plan läuft, werden die ersten dieser Einrichtungen bereits am Sonntag fertiggestellt sein.
Der Bedarf wäre damit noch lange nicht gedeckt: Zahlen der griechischen Regierung zufolge befanden sich am Montagmorgen mehr als 30.000 Flüchtlinge im Land. Von ihnen wurden 6830 auf den Inseln in der Ägäis registriert. Dazu kommen 8340 Flüchtlinge, die sich in der Hauptstadtregion Attica aufhalten. Die meisten von ihnen leben in drei Camps in Athen, manche sind zeitweise in den Passagierterminals am Hauptstadthafen Piräus untergebracht.
Unerträgliche Bedingungen
Die meisten Flüchtlinge aber – geschätzte 13.000 Menschen, drängen sich gerade in Idomeni. Weil über die Grenze nach Mazedonien seit zwei Wochen nur noch wenige gelangen, ist dort eine riesige provisorische Zeltstadt entstanden. Neuankömmlinge schlagen ihr Lager auf den Wiesen und Feldern auf, die nach den starken Regenfällen der vergangenen Tage teilweise unter Wasser stehen. Die Migranten leben in Idomeni unter unerträglichen Bedingungen. Ohne die unermüdliche Arbeit von Freiwilligen und diversen Hilfsorganisationen wäre es längst zu einer humanitären Katastrophe gekommen.
Ließe Mazedonien weiter mit derselben Geschwindigkeit wie früher Menschen über die Grenze, würde es 164 Tage dauern, bis alle derzeit in Idomeni Gestrandeten nach Norden weiterreisen könnten, rechnet ein mazedonischer Beamter SPIEGEL ONLINE vor. Allerdings hat nach griechischen Angaben wohl seit Montag kein einziger Flüchtling die Grenze überquert.
Idomeni soll geräumt werden
Es sind verstörende Bilder, die von Idomeni aus um die Welt gehen, und in Athen hat man sich nun offenbar entschieden, einzugreifen. Man werde die Flüchtlinge von Idomeni umsiedeln, bestätigte Regierungssprecher Giorgos Kyritsis am Dienstagabend gegenüber SPIEGEL ONLINE. Sobald die neuen Unterkünfte bereitstünden, werde die Maßnahme durchgeführt: „Es ist doch im eigenen Interesse der Migranten, in geeignete Einrichtungen umzuziehen. Wir werden bei der Räumung behutsam vorgehen, aber wir werden allen auch sehr deutlich sagen, dass es für sie bis auf Weiteres keine Möglichkeit gibt, die Grenze zu überqueren. Hier zu bleiben, macht doch keinen Sinn.“
Viele Flüchtlinge wollen die Hoffnung dennoch nicht aufgeben – und vertrauen sich Schmugglern an. Griechische und mazedonische Sicherheitskräfte berichten übereinstimmend, dass ein Hotel in Evzoni, 500 Meter von der Grenze entfernt, als Treffpunkt dient. In einem achtstündigen Marsch durch die Wälder, versprechen die Schmuggler, soll die Grenze zu Mazedonien überquert und der Ort Selemli erreicht werden. Kostenpunkt für die illegale Wanderung: 800 Euro.