04. März 2016 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlinge an der griechischen Grenze: Die Weiterreise verzögert sich“ · Kategorien: Balkanroute, Griechenland, Mazedonien

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Tausende Flüchtlinge hängen in Idomeni fest. Aber viele haben schon ganz andere Hürden überwunden.

Von Nadia Pantel

Die Europäische Union endet in einem Tümpel. Tagsüber verstecken sich hier Frösche unter dem Müll, nachts sind sie über vier Reihen Stacheldraht hinweg bis nach Mazedonien zu hören. Neben dem Froschtümpel drängen sich leuchtend bunte Billigzelte. Drei bis vier Personen können darin schlafen, sagt der Hersteller. Fünf bis sieben Menschen können unterm niedrigen Plastikdach zusammenhocken, beweisen diejenigen, die hier warten. Tagsüber gehen sie hin und her zwischen Grenzzaun und Zelt, nachts verbrennen sie den Müll, weil Holz fehlt und die Kinder frieren.

In manchen Momenten fühlt sich das Lager im griechischen Idomeni an wie der Tag zwei eines mittelgroßen Rock-Festivals, bevor die Konzerte wieder anfangen und wenn noch Kaffee statt Bier getrunken wird. Tausende kleine bunte Zelte, zu wenig Dixi-Klos für zu viele Menschen, nur die besonders Disziplinierten haben Duschen gefunden, und überall wird für irgendetwas angestanden. Und wer nicht ansteht, geht nachschauen, ob er nicht mal wieder für irgendwas anstehen sollte. Nur geht es hier nicht um die kleine Flucht am Wochenende, es geht um die große Flucht, die das Leben verändern soll. Und die Frage, die den Tag strukturiert, lautet nicht: „Wen hörst du dir später an?“, sondern: „Wann macht die Grenze auf?“

An einem roten Imbisswagen verkaufen Griechen Kaffee und Brötchen. Die Preistafel ist arabisch beschriftet, daneben steht in schwarzem Edding: „Thank you very much for choosing us.“ Als hätte sich irgendjemand das hier ausgesucht. Diejenigen, die hier schon länger helfen, sagen, dass es gerade ziemlich friedlich sei. Friedlicher als im November, als von einem Tag auf den anderen nur noch Syrer, Iraker und Afghanen die Grenze passieren durften und wochenlang Iraner, Marokkaner, Somalier und Pakistaner in dem überfüllten Lager festhingen, bevor sie aufgaben. Es waren damals vor allem Männer.

Der Syrer will nach Deutschland, klar, aber am liebsten nach Sachsen. Da soll es sehr gut sein

Dass es jetzt ruhiger zugeht, liegt nicht daran, dass die Welt sich an Krieg und Gewalt verausgabt hätte. Im Gegenteil. Gerade in Syrien hat die Gewalt in den vergangenen Wochen zugenommen. Hoffnung auf Waffenruhe hin oder her. Das Gewirr der Kriegsparteien ist immer weniger entfledderbar, jede hat ihre Definition von „Frieden und Freiheit“, für die es zu schießen gilt. Hunderttausende drängen aus dem Land. Das ruhige Ausharren in Idomeni steht nicht im Widerspruch zu dieser Verzweiflung, es folgt aus ihr. Denn inzwischen sind es kaum noch Glückssucher und Abenteuerlustige, die nach Idomeni kommen. Es sind Menschen, die Angst ums Überleben ihrer Kinder haben. In der Brache zwischen Bauernhäusern und Grenzzaun zelten Familien mit Grundschulkindern, Frauen, die alleine mit ihren Kindern unterwegs sind, Schwangere, Stillende, Menschen, die ständig darauf aufpassen müssen, dass ihnen ihre aufgeregten Kleinkinder nicht im Gedränge verloren gehen. Es wird viel gelächelt, Danke gesagt, sich entschuldigt. Die Verzweiflung ist hier selten ein lautes Geschrei, sie ist leise, höflich, beharrlich. Sie ist der Mann, der seine Mutter im Rollstuhl durchs Gelände schiebt, um beim Team von Ärzte ohne Grenzen nachzufragen, ob sie Insulin übrig haben. Sie ist das 300 Meter lange, schmale Wellblech, das Hunderte schützt, die sich ihr tägliches Sandwich abholen wollen. Das Warten dauert immer so lange, dass die Schlange ein eigenes Dach bekommen hat. Die Verzweiflung ist das kleine Kind mit den schweren Augenlidern, das seit drei Tagen Fieber hat und auf einem Pappkarton auf dem Boden sitzt, weil es hier eben einfach keine Häuser gibt.

Vor einem Zelt hat ein Mann mit leuchtend gelber Mütze einen Stuhl, eine Schere und eine Spiegelscherbe organisiert. Hier ist jetzt der Friseur. Vier Männer stehen an, einer sitzt auf dem Stuhl und wischt sich frisch abgeschnittene Ponyspitzen aus den Augenbrauen. Der Friseur ist Iraker, seine Kunden sind aus Syrien. Die Haare der Wartenden sind schon ziemlich kurz, aber es ist nicht so, als hätten sie gerade viel anderes zu tun als zum Friseur zu gehen. Seit vier Tagen warten sie an der Grenze. Wohin sie wollen? „Germany“, sagt einer. Alle nicken. „Mama Merkel“, sagt Nummer vier in der Warteschlange und grinst.

Dass Mama Merkel gesagt hat, dass es diesmal anders sein wird als im vergangenen September in Budapest, dass sie die Wartenden nicht einladen wird, hat sich hier noch nicht herumgesprochen. Germany also. Am liebsten „Saxony“. Sachsen. Ausgerechnet. Warum das denn? „Dresden!“, sagt einer und macht mit Daumen und Zeigefinger einen Hervorragend-Kreis, wie sonst eher italienische Köche in der Pizza-Werbung. Ein Freund ist schon in Dresden, noch mal die Pizza-Geste, es läuft wohl gut für ihn.

Am Mittwochabend verkündet der griechische Migrationsminister Yannis Mouzalas, Griechenland sei kein Transitland mehr, sondern ein Land, von dem aus die Umsiedelung der Flüchtenden organisiert werde. Doch in Idomeni zählen Politikerworte wenig. Was zählt, ist, dass es am Mittwoch und Donnerstag insgesamt 510 Menschen nach Mazedonien geschafft haben. Warum sich das Tor im Stacheldraht manchmal kurz öffnet, weiß hier niemand. Dass es dauerhaft geschlossen bleiben könnte, kann sich keiner vorstellen. Obwohl Österreich vor einer Woche gemeinsam mit Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien die sogenannte Balkanroute für geschlossen erklärt hat. „Eine Autobahn nach Deutschland“, hatte der Schriftsteller Navid Kermani sie im Herbst noch genannt. Das Schlimmste war damals die Überfahrt übers Mittelmeer, wer die griechische Küste erreicht hatte, wurde mit Glück zügig weitergereicht bis Passau. Nun wollen die ehemaligen Durchwink-Länder ihre festgelegten Tageskontingente nicht mehr überschreiten.

Idomeni wird zum Symbol dieser Entscheidung: Mehr als 10 000 Menschen, die vor einem Zaun darauf hoffen, dass ihr neues Leben in Deutschland wartet. Die nicht glauben können, dass das, was griechische Beamte auf ihre Einreisedokumente gestempelt haben, nicht mehr gelten soll: „Final destination Germany“. Jeder in Idomeni trägt den gleichen DIN-A4-Zettel bei sich. In griechischen Schnörkeln informiert das Papier, dass „der oben erwähnte Ausländer die Kriterien der Nichtzurückweisung aus humanitären Gründen“ erfülle. Kaum einer hier kann das lesen. Den blauen Stempel unten auf dem Dokument entziffern aber alle: Zielland Deutschland.

Es gab einen kleinen, sehr kurzen Aufstand. Ein Wunder, dass das nicht schon öfters passiert ist

Am Montag bauten sich einige Inhaber des blau gestempelten Briefes eine Art Rammbock. Sie stemmten sich gegen das verschlossene Grenztor und warfen mit Steinen auf die mazedonischen Polizisten. Ein, zwei Tränengas-Granaten später war der kurze Aufstand vorbei. Mazedonien schießt auf Flüchtlinge! Ein kurzes, empörtes Zucken in Westeuropa. So wie im August, als an der mazedonischen Grenze Dutzende Flüchtende blutend an der internationalen Presse vorbeiliefen. Doch überraschend ist nicht, dass der Frust der einen und die Verteidigung der anderen in Gewalt münden. Überraschend ist, wie selten es passiert. Gerade in Idomeni. Nicht nur wegen der Massen, sondern auch weil dieses Camp aufgebaut ist wie eine Ermöglichungsanlage für zivilen Ungehorsam.

Auf der einen Seite Tausende Zelte und eine Suppenküche, auf der anderen Seite Toiletten, Zelte, Ärzte – und schließlich die Grenze. Dazwischen: Bahngleise, auf denen der Güterverkehr von Griechenland Richtung Mazedonien weiterrollt. Freie Fahrt Richtung Nord-Westen. Genau das, was hier alle wollen. Im November war die Strecke über Tage nicht befahrbar, weil die Menschen im Camp von Idomeni ihr Festsitzen auf die Gleise verlegten. Am Donnerstag um zehn Uhr früh tut sich wieder ein Grüppchen zusammen, das ein Zelt auf die Gleise stellt und sich daneben setzt. „Gaza“ haben sie auf das Zelt gesprüht, einige Männer hier sind Palästinenser, über die Grenze kommen sie nach den neuen Vorgaben nicht mehr. Weiter demonstrieren, sagen die Palästinenser, lass gut sein, sagen ein paar Syrer. Eine Weile wird hin und her geschrien, dann entscheiden sich die Männer für eine Blockadepause und bilden eine Gasse, damit der Zug durchfahren kann. Am Himmel türmen sich Wolken, sicher ist, dass Regen kommt, dass die Zelte wieder volllaufen werden. Wer dieses Chaos in Idomeni nicht aushalten will, hat zwei Alternativen. Das organisierte Lager oder die Tankstelle.

Das Lager nutzen die Erschöpften, die Tankstelle die Entschlossenen. Die deutlich billigere Lösung ist das Lager. In der Kleinstadt Polikastro, gut zwanzig Kilometer von der Grenze entfernt, hat die griechische Armee Reihe um Reihe weißer Zelte aufgebaut. 1 800 Menschen sollen in diesem neuen, sogenannten Unterbringungszentrum leben. Am Eingang stehen eine Gruppe Soldaten und ein Polizist, breitbeinig und mit verschränkten Armen. Herein kommt nur, wer einen Lagerausweis vorzeigt. Ein Kind zieht Brennholz durch den Schotter, ein Mann trägt einen Sack Orangen und eine Lidl-Tüte in ein Zelt. Sonst bewegt sich wenig. Außer einer Familie, die ein Bündel Armeedecken aus dem Lager schleppt. Busweise werden die Menschen von der Mittelmeerküste hierhergefahren. Es dauert meist nicht lange, bis sie verstehen, dass die Grenze einen fünfstündigen Fußmarsch entfernt ist. Noch kürzer dauert es, bis sie sich entscheiden, diesen Marsch anzutreten. Als wollten sie einfach nicht glauben, dass diese Zeltstadt in der griechischen Provinz das Ende ihrer Flucht gewesen sein soll.

Die Läufer säumen die Autobahn in Richtung Idomeni. Vier Männer, die Zelte und Decken in einem Einkaufswagen vor sich herschieben. Eine Familie mit drei Kindern, von denen eines gerade stolpernd und taumelnd laufen lernt und versucht, der Linie zwischen rechter Spur und Standstreifen zu folgen. Dann noch einige Einzelne ganz ohne Gepäck. Gut einen Kilometer vor Idomeni werden die Läufer von der Caritas auf ein abgeerntetes Feld gewunken. Eine schlammige Abkürzung Richtung Schlamm. Dazu eine Plastiktüte mit Wasser, Datteln und Knäckebrot. „Good luck, my friend.“ Der über Monate eingeübte Helfer-Gruß der Balkanroute.

Auch an der Tankstelle, im Nachbarort von Idomeni, warten Helfer. „What do you need, my friend?“ Sie bieten mehr als Datteln und verlangen mehr als ein Lächeln. Benzin gibt es hier schon lange nicht mehr. Die Griechen sind zum Tanken lieber rüber nach Mazedonien gefahren, weil es da billiger ist, die Nachbarschaft war eher schlecht fürs Geschäft. Nun hält sie den Tankstellen-Shop und das daneben liegende Hotel am Laufen. Die gehetzten Reisenden brauchen Wasser, Zimmer, Regenschirme, Socken. Ein Mann, der aussieht, als wäre Feivel, der Mauswanderer in die Jahre gekommen, bietet alles strahlend an. Weiter hinten im Hotelfoyer wird es schwer, aus den Fenstern zu schauen, weil der Zigarettenrauch so dicht ist. Hier warten junge Männer in Trainingsanzügen und mit großen Uhren am Handgelenk. Hier wird die Weiterreise angeboten.

Neben den nutzlosen Zapfsäulen steht ein 16-jähriger Junge und strahlt: „Heute Abend um 20 Uhr geht es los.“ Wohin? „Nach Mazedonien. Ein Mann hat uns einen Tipp gegeben.“ Der Junge kommt aus Iran, ein paar Meter weiter warten seine Mutter und die kleine Schwester. „Für das Baby ist es umsonst.“ Alle anderen zahlen 2000 Euro pro Person. Bis nach Deutschland soll die Reise gehen, haben die Schlepper versprochen, durch Ungarn. Alles gut organisiert, kein Problem.

Es werden jeden Tag mehr, erzählt ein Polizist, der in Idomeni bei der Registrierung hilft, lieber anonym bleiben will und einmal selbst bei der Grenzsicherung gearbeitet hat. Früher sei es die mazedonische Mafia gewesen, die Menschen über die Grenze schmuggelte, jetzt sind es mal Menschen aus Pakistan, mal aus Albanien, mal aus Syrien. In den wenigsten Fällen bringen sie die Flüchtenden tatsächlich sicher Richtung Westen. Zwar gibt es noch Lücken im Zaun, aber meist zeigen die Schlepper einfach auf einen Feldweg, sagen „hier entlang“, kassieren und verschwinden. Im Lager von Idomeni hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen Warnschilder aufgehängt: „Als Flüchtling sind Sie gefährdet, ausgebeutet zu werden. Schlepper sind dafür bekannt, dass sie Ihre hilflose Situation ausnutzen. Wählen Sie die Schlepper-Hotline, sobald Ihnen etwas Verdächtiges auffällt.“

So viele Menschen, sagt die alte Griechin, waren noch nie im Ort. Sie hilft und bleibt gelassen

Gleich daneben hängt ein Schild der Ärzte ohne Grenzen, auf dem steht: „Wir können euch keine Papiere ausstellen, damit ihr über die Grenze kommt.“ Dazu ein Smiley-Face. Also weder an Schlepper wenden, noch über die Grenze kommen. Aber immerhin haben ein paar Freiwillige mit fusseligen Locken gerade mal wieder ihren Teestand eröffnet. „Here, my friend.“ Lächeln. Danke für den Keks. Weiterwarten.

Idomeni ist kein Ort der vielen Möglichkeiten. Ebenso wenig wie Preševo, Šid, Brezice, Spielfeld, all die verschlafenen Nester an den Balkangrenzen, die in den vergangenen Monaten zum Zwischenstopp für Hunderttausende wurden. Jetzt werden sie zu Endstationen. Ärzte ohne Grenzen hat das Schicksal von 700 Afghanen dokumentiert, die in dieser Woche von der kroatischen Polizei nach Serbien zurückgeschickt wurden, die Serbien nun an Mazedonien loswerden will, und die Mazedonien nicht aufnimmt. Und denen von der serbischen Polizei zugeraunt wurde, sie sollen es doch in Ungarn probieren. In Ungarn, wo jedem, der nicht legal ins Land einreist, der Prozess gemacht wird.

Zoi Aglaia steht in blauen Pantoffeln in ihrem Vorgarten und schaut sich an, wie aus ihrem Heimatdorf ein syrisches Städtchen wird. Seit 71 Jahren lebt Aglaia in Idomeni. Sie hat einen Gemüsegarten, ein paar Hühner, 600 Euro Rente und bemerkenswert gute Laune. „Ja, das sind jetzt wirklich viele Leute“, sagt sie und winkt einem Mädchen zu, das vor ihrem Zaun weiß blühendes Unkraut pflückt. Aglaia zählt auf, was sie den Durchreisenden und den Festsitzenden schon alles geschenkt hat: Kochtöpfe, Zwiebeln, Kleidung. „Nette Leute.“ Nur am 8. September, da ist sie präzise, waren welche aus dem Lager ins Dorf gekommen und haben zwölf Hühner geklaut. Und einen Hund sollen sie gegrillt haben, aber da ist sie sich nicht ganz sicher.

Ein junger Mann mit schwarzer Kapuze und rotem Baseball-Cap fragt durch den Zaun nach einer Zigarette. „Da war wohl der Laden mal wieder leer“, sagt Aglaia. Auf der anderen Straßenseite haben Roma aus den umliegenden Dörfern ihre Pick-ups geparkt und verkaufen Obst und Gemüse von der Ladefläche. Ein Kilo Tomaten ein Euro. Die Polizei habe dafür gesorgt, dass die Preise niedrig bleiben, sagt Aglaia. In der Bahnhofsgaststätte haben sie neue Mitarbeiter eingestellt, weil auf einmal so viele Kunden kommen und Pommes und Cola wollen.

Dem Ausnahmezustand vor ihrem Gartenzaun begegnet Zoi Aglaia mit einer gelassenen Heiterkeit, als sei es ein Straßenfest. Aglaia ist Pragmatikerin: „Das ist ja kein Zustand so, hier sind doch so viele Kinder. Das wird nicht lange so weitergehen.“ Davon, dass die vergangenen Monate den Europäern gezeigt haben, dass vieles möglich ist, auch wenn es „kein Zustand“ ist, lässt sie sich nicht erschüttern.

Vor dem Laden, in dem der Tabak ausverkauft ist, versucht Yasmin ihre 18 Monate alte Tochter zum Lachen zu bringen: „Schau, die lustigen Figuren.“ An der präzisen Platzierung von Plastikschwänen vor dem Laden haben die vielen Syrer, die hier um Brot anstehen, nichts geändert. Yasmin ist seit einer Woche in Idomeni, alleine mit der kleinen Sulava. Doch dieses Warten hier ist für sie kurz, im Vergleich zum Warten des vergangenen Jahres. Ihre Tochter Sulava war einen Monat alt, als Yasmins Mann sich entschied, aus ihrer Heimat in Nordsyrien nach Deutschland zu fliehen. „Sie kennt ihren Vater nur von Skype“, sagt Yasmin und streichelt ihrer Tochter übers Haar. Yasmins Mann wollte Frau und Kind auf dem legalen Weg nach Deutschland nachholen. Sulava feierte ihren ersten Geburtstag, als Yasmin endlich einen Termin bei der türkischen Botschaft in Beirut bekam, allerdings ohne die nötige Einreisegenehmigung für Libanon. Vor zwei Monaten gab das Ehepaar auf: Yasmin und Sulava kommen nicht mit dem Flugzeug nach, sie setzen sich in ein Schlauchboot. Was sie von Deutschland erwartet? Yasmin lacht. „Nichts. Außer meinem Mann.“

Nadia Pantel ist gebürtige Hamburgerin und hat im Süden, im Osten und noch weiter im Osten Geschichte und Literatur studiert. Sie arbeitet seit Oktober 2012 bei der Süddeutschen Zeitung.

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