25. April 2015 · Kommentare deaktiviert für Flughafen: Bewegungsfreiheit, Kontrolle und Zensur · Kategorien: Nicht zugeordnet · Tags: ,

FAZ

„Passagierkontrolle Der Flughafen ist auch eine Zensurmaschinerie

Wer die Daten auf seinem Laptop schützt, fliegt raus – oder gar nicht. Muss man sich in Zukunft zwischen der Wahrung des Datengeheimnisses und Flugsicherheit entscheiden?

von Constanze Kurz

Sie kennen das: Vor dem Antreten einer Flugreise gehen Sie in Gedanken durch, ob sich im Gepäck vielleicht Gegenstände befinden könnten, die beim Reisen Ärger bedeuten. Man möchte die Lieblingsnagelfeile nicht loswerden, das praktische Schweizer Messer, das man gelegentlich dabeihat, soll einem nicht abgenommen werden. Neben dem oft widersinnigen Sicherheitstheater und dem allumfassenden Datenabgleich mit wer weiß was für internationalen Datenbanken kamen in den letzten Jahren weitere Erwägungen dazu, wie man Ärger vermeidet, wenn man ein Flugzeug besteigt: Was ist mit meinen Computern, Datenträgern und Telefonen, lieber im Handgepäck oder in den Koffer? Welche Rechte habe ich als Passagier, wenn jemand bei der Aus- oder Einreise einen Blick in den Rechner oder auf das Telefon zu werfen verlangt? Darf mein digitales Gehirn gar kopiert werden? Kann ich das ablehnen, aber darf ich dann noch fliegen, oder bin ich dann unerwünscht?

Für professionelle Berufsgeheimnisträger, die etwa Kundendaten mit sich tragen, gibt es oft Vorgaben für den Schutz der digitalen Informationen auf Reisen. Verschlüsselung der Festplatten ist häufig Standard, Back-ups für den Verlustfall werden pünktlich vor Reiseantritt erstellt. In manchen großen Unternehmen wird vor Abflug die Rechtslage bei Beschlagnahme oder Durchsuchung an Flughäfen schon routinemäßig abgeklärt. Dass man allerdings nicht auf der „No-Fly List“, der „Selectee List“ oder anderen Warnlisten landet, darauf kann man nur hoffen.

Wie machtlos man beim Fliegen den Behörden gegenüber ist, erfuhr der Technische Leiter eines amerikanischen Unternehmens für IT-Sicherheit auf einem Inlandsflug letzte Woche: Da Chris Roberts in der Branche tätig ist, bereitet ihm eine professionelle Vorbereitung in Bezug auf die Sicherung der eigenen Datenträger zwar kein Kopfzerbrechen – natürlich alles verschlüsselt –, aber seine Computer und Festplatten blieben beschlagnahmt auf dem Flughafen zurück. Er hatte sich aufgrund der gespeicherten Kunden- und firmeneigenen Daten auch nach stundenlangen Diskussionen geweigert, seine Computer für eine Inspektion des Inhalts freizugeben. […]

Auch die alltäglichen Fälle verweigerter Einreise folgen diesem Muster. Letzte Woche wurde über die Chefin einer Kinderhilfsorganisation berichtet, die politisch in Ungnade gefallen war und mitsamt ihren Kollegen eine Indienreise nicht antreten konnte. Betroffen waren auch die mitreisenden Journalisten, zu deren Berufsbild es allerdings seit langem gehört, dass an Flughafen-Gates die Reise zuweilen schnell enden kann. Das Auswärtige Amt möchte im Fall der Kinderhilfsorganisation nun vermitteln. Bei den Vereinigten Staaten macht sich das Auswärtige Amt nicht mehr die Mühe: Von Deutschland aus bekommen mehrere hundert Reisende pro Jahr direkt beim erhofften Abflug eine sogenannte „No-Board-Empfehlung“ für den Flug in die Staaten ausgesprochen und können faktisch nicht fliegen. Den Grund erfahren sie nicht: Ist es nur eine Verwechslung, ein Computerfehler, trägt man vielleicht den falschen Nachnamen, wird man selbst oder Bekannte oder Verwandte tatsächlich beschuldigt? Wird sich das bei der nächsten Reise wiederholen?

Aus den Snowden-Dokumenten wissen wir seit letzten Sommer, dass allein in der amerikanischen Terrorismusdatei „TIDE“ eine Million Personen verzeichnet sind. Diese absurd hohe Anzahl wird auch nicht mehr bestritten, der Wissenschaftliche Dienst des Kongresses hat Anfang April angegeben, die Personenzahl habe sich um weitere einhunderttausend Menschen erhöht. Da Datensätze innerhalb der internationalen Geheimdienst-Syndikate aber nicht selten vagabundieren, erklären sich die immer häufiger auftretenden Fälle von Einschränkungen der Reisefreiheit weltweit. Denn in „TIDE“ sind nur 25.000 Bürger der Vereinigten Staaten verzeichnet.

Die alltäglichen wie die prominenteren Fälle haben dreierlei gemein: Der Grund für die Rückweisung bleibt unklar, der Rechtsweg in der Regel verschlossen und die Ohnmacht groß.“

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