29. März 2017 · Kommentare deaktiviert für Debatte über „Militärische Lösung“ in Österreich · Kategorien: Österreich · Tags: , ,

derStandard | 28.03.2017

Statt der NGOs die militärische Lösung?

Kommentar von Hans Rauscher

Es ist äußerst befremdlich, wenn Österreichs Außen- und Integrationsminister erklärt, der „NGO-Wahnsinn“ im Mittelmeer müsse ein Ende haben.

In Russland sind NGOs (Nichtregierungsorganisationen) als „ausländische Agenten“ eingestuft, ihre Arbeit wurde so eingeengt, dass sie Putin keinen Ärger mehr bereiten können. Ähnliches versucht Viktor Orbán in Ungarn. In der Türkei spielt die Mentalität mit: Wir brauchen keine ausländischen Helfer, wir schaffen alles selbst.

Da wirkt es äußerst befremdlich, wenn Österreichs Außen- und Integrationsminister auf einem Trip nach Malta erklärt, der „NGO-Wahnsinn“ im Mittelmeer müsse ein Ende haben und die Rettungsarbeit der NGOs erhöhe nur die Zahl der Flüchtlinge, die ertrinken.

Nahezu zeitgleich brachte der ehemalige Leiter des Auffanglagers Traiskirchen, Franz Schabhüttl, ein Buch heraus, in dem er die NGOs bezichtigte, eine „Industrie“ zu sein und die braven Beamten des Innenministeriums nur an ihrer verantwortungsvollen, aufopfernden Arbeit zu hindern.

Tatsache ist, dass Schabhüttl (und das Ministerium überhaupt) im zweiten Halbjahr 2015 bei der Bewältigung des Ansturms schlicht versagte. Aber nicht nur in Traiskirchen, sondern in der gesamten Flüchtlingssituation wäre das offizielle Österreich die ersten Monate ohne die NGOs aufgeschmissen gewesen und wäre es weiterhin.

Die Existenz der NGOs muss jede staatliche Behörde als Vorwurf empfinden. Sie machen eine Arbeit, die die öffentliche Hand sehr oft nicht leisten kann oder will.

Sebastian Kurz hat auch nicht ganz unrecht. Es gibt (nach Aussagen von Frontex) kleinere NGOs, die sozusagen das Spiel der Schlepper spielen. Das erlaubt es den Schleppern, die Leute in hochseeuntaugliche Boote hineinzusetzen.

Aber Kurz hat sich extrem populistisch und pauschal („die NGOs“) ausgedrückt. Er will ganz sicher nicht, dass die Leute ohne Hilfe ertrinken, damit andere abgeschreckt werden. Die Abschreckung funktioniert ja auch nicht. Aber er zeigt wenig Empathie, auch für die Arbeit der oft christlichen NGOs. Außerdem erwähnte er die „GSVP-Mission“ (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik), die aber ein „unzureichendes Mandat“ habe. Da muss man aber klar dazusagen, was das „zureichende Mandat“ bedeutet: die militärische Lösung. Aufbringung der Boote durch Kriegsschiffe und Zurückschleppen in den „failed state“ Libyen. Mit welchem Warlord und mit welcher IS-Abteilung bekommt man es da zu tun? Sollen EU-Soldaten unter dem Beschuss irgendwelcher Banden die Flüchtlinge an Land bringen?

Im Extremfall bedeutet das eine jahrelange Großoperation einer EU-Armee in Libyen, Schaffung von Brückenköpfen, Aufbau von Sammellagern und Rücktransport unter Bedeckung durch die Sahara. Das Bundesheer liefert die Feldküche.

Es ist gar nicht gesagt, dass das nicht so ähnlich kommt. Europa kann nicht Millionen unqualifizierter Menschen ohne jede Perspektive aufnehmen. Allerdings bedarf es dazu eines ungeheuer aufwendigen Plans: Abkommen mit den nordafrikanischen Staaten, dass sie – gegen viel Geld – die Flüchtlingsmassen zurückhalten und die Insassen bereits aufgebrachter Boote wieder zurücknehmen. Viel Geld an die Subsahara-Staaten, um dort Lebensalternativen aufzubauen. Und Kriegsschiffeinsatz gegen Schlepper – aber auch europäische NGOs, die in die Hoheitsgewässer eindringen.

Das alles sagt Kurz nicht dazu. Sondern er konzentriert seine Kritik auf die NGOs. Das kommt bei manchen gut an, aber es ist zu wenig.

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