Vor „dramatischer“ Migration aus Afrika warnt die deutsche Regierung, von einem „Marshallplan“ ist die Rede. Doch die Milliardensummen, die Europa in Afrika ausgeben will, dienen nicht nur dem Kampf gegen Armut. Erklärtes Ziel der neuen EU-Afrikapolitik ist es, Flüchtlinge und Migranten schon tief im Innern des Kontintents aufzuhalten. Die taz berichtet seit Mitte November in einem Rechercheschwerpunkt darüber, zu finden unter taz.de/migcontrol.
Berlin, 16.12.2016
Mit einem Schriftzug „#safepassage“ aus vielen Hundert Kerzen, hat Sea-Watch am 15.12. der 4800 Todesopfer an den Europäischen Grenzen gedacht. 2016 war das Mittelmeer die gefährlichste Grenze der Welt: Noch nie sind so viele Menschen im Mittelmeer ertrunken wie in diesem Jahr. Die Internationale Organisation für Migration zählte zuletzt 4.812 Tote und Vermisste. Über hundert Menschen waren der Aufforderung von Sea-Watch zum stillen Gedenken der Toten vor dem Bundestag Berlin gefolgt. Für sie alle zündeten die Aktivist*innen Kerzen an, um ihre Forderung an die Politik heranzutragen: Der Schriftzug #Safepassage leuchtete ab 18 Uhr eine Stunde lang vor dem Reichstagsgebäude, bevor ein starker Windstoß die Lichter zum Erlöschen brachte.
Die Forderungen von Sea-Watch verstummen jedoch nicht: Wenn die EU sichere, legale Einreisewege etablierte, müssten diese Menschen nicht sterben. De facto wurden sie zu Opfern der europäischen Abschottungspolitik.
Quelle: Qantara.de | 16.12.2016
In Ägypten gelangen nicht nur Dissidenten ins Visier des Staates, sondern zunehmend auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sowie Frauenaktivistinnen. Ein Beispiel hierfür ist die renommierte Feministin Azza Soliman, die jüngst unter fadenscheiniger Begründung zeitweise inhaftiert wurde. Ein Plädoyer von Mozn Hassan, der diesjährigen Trägerin des Alternativen Nobelpreises
Mozn Hassan
Am 19. November 2016 befand sich Azza Soliman, eine feministische Rechtsanwältin, Verteidigerin der Menschenrechte für Frauen und Kuratoriumsvorsitzende des „Rechtshilfezentrums für ägyptische Frauen“ (CEWLA), auf dem Weg nach Jordanien. Dort wollte sie an einem Training für Frauenrechte im Islam teilnehmen. Am gleichen Tag wurde sie jedoch darüber informiert, dass gegen sie per Gerichtsbeschluss vom 17. November 2016 ein Reiseverbot verhängt worden war. Am darauffolgenden Tag musste Soliman dann auch noch feststellen, dass ihr Privatvermögen und die Gelder ihres Rechtsanwaltsbüros eingefroren wurden.
Quelle: taz | 15.12.2016
Radar, „intelligente“ Grenzposten, Biometrisierung, Überwachung: Um Afrikaner fernzuhalten, ist jedes Mittel recht.
Simone Schlindwein
BERLIN taz | Drei Zäune, gestützt von sieben Meter hohen Sandwällen, führen durch die Wüste. Wer sich nähert, den erfassen unterirdische Bewegungssensoren, Überwachungskameras oder eines der 50 Radarsysteme an Überwachungstürmen oder auf patrouillierenden Jeeps. Alle Informationen gehen direkt an ein Kontrollzentrum: 14.500 Kilometer Glasfaserkabel sichern die schnelle Datenverbindung, 3.400 Grenzschützer sind permanent im Einsatz.
Quelle: Süddeutsche Zeitung | 16.12.2016
Die Bundesregierung schickt 34 Afghanen zurück in ihre Heimat. Teile des Landes seien „sicher genug“. Länderexperte Thomas Ruttig sieht die Lage ganz anders.
Interview von Moritz Matzner
Thomas Ruttig ist Co-Direktor des Afghanistan Analysts Networks, einem unabhängigen Thinktank. Erstmals war er 1983 in Afghanistan, seit 1988 hat er sich immer wieder für lange Zeit dort aufgehalten, um als Diplomat, UN- und EU-Mitarbeiter, dann als unabhängiger Länderexperte den Konflikt zu beobachten. Er spricht Paschtu und Dari und kennt auch den Süden, die Hochburg der Taliban.
Quelle: DW | 15.12.2016
Die Grenze in Nordgriechenland ist seit Anfang 2016 geschlossen. Das bringt das Geschäft der Schlepperbanden in Schwung, denn viele Flüchtlinge suchen ihre Hilfe. Auch in Thessaloniki, wie Pavlos Zafiropoulos berichtet.
Vor einem Kebab-Imbiss in der Nähe des Hauptbahnhofs haben sich mehrere kleine Menschentrauben gebildet. Es sind Flüchtlinge, die sich Tee trinkend um ein paar Steckdosen versammelt haben und ihre Smartphones laden. Sie alle kennen diesen Imbiss. Er hat sich in den vergangenen zwei Jahren in einen der Hauptanlaufpunkte für Flüchtlinge entwickelt, die weiter in den Norden Europas wollen und dafür die sogenannte Balkan-Route nehmen wollen.
Quelle: taz | 15.12.2016
Italien hat Flüchtlinge auf Lampedusa haftähnlich untergebracht. Rechtswidrig, sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Christian Rath
KARLSRUHE taz | Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Unterbringung tunesischer Flüchtlinge auf der italienischen Insel Lampedusa in mehreren Punkten beanstandet. Dabei sei ihr Recht auf Freiheit verletzt worden. Das Urteil fällte die Große Kammer des Gerichtshofs mit 17 Richtern – im Kern einstimmig.
Quelle: Berliner Zeitung | 15.12.2016
Manchmal beantworten Kinder komplexe Fragen am besten. Als die siebenjährige Hanna kürzlich gefragt wurde, warum ihre Mutter plant, zu Fuß nach Syrien zu laufen, lautete die Antwort schlicht: „Weil sie es will. Und weil sie es kann.“ Ein Fußmarsch. Durch neun Länder. Über 3000 Kilometer. Mindestens drei Monate lang. Bei Minusgraden. Bis nach Syrien, mitten hinein in einen Krieg. Wer Anna Alboth, so heißt die Mutter von Hanna, gegenüber sitzt, spürt: Diese Frau wird das wirklich versuchen. Ist sie von allen guten Geistern verlassen?
Quelle: taz | 15.12.2016
Europa will mit mehr Hilfe in Afrika „Fluchtursachen bekämpfen“. Ein zynisches Spiel: Es wird bezahlt, wenn Menschen festgehalten werden.
Christian Jakob
BERLIN taz | Gut 700.000 Menschen kamen zwischen 2010 und 2015 aus Afrika als Asylbewerber in Länder der Europäischen Union. Die Zahlen pro Jahr steigen rapide: Zwischen 2010 und 2015 um 260 Prozent. Für 2016 schreibt die Internationale Organisation für Migration in ihrem jüngsten Bericht über Trends der Zuwanderung nach Europa: „Die Zahl der Migranten aus Syrien, Irak und Afghanistan geht zurück; die derer aus Afrika nimmt zu.“
Bis 2050 wird sich die Bevölkerung Afrikas mehr als verdoppeln. „Dramatisch zunehmen“ könnte die Migration aus Afrika, sagte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kürzlich.
Quelle: taz | 15.12.2016
Die EU baut Frontex zu einer Full-Service-Agentur um. Dabei arbeitet sie mit zwielichtigen Regierungen zusammen.
Christian Jakob und Eric Bonse
CATANIA taz | Es gibt fast alles auf dem Schiff von Pal Erik Teigen: einen Gefriercontainer für Leichen, ein Spielzimmer mit Kinoleinwand und ein gigantisches Deck mit Sonnenschutz, auf dem über 1.100 Menschen hocken können, wenn Teigens Leute sie aus dem Wasser ziehen. Heute aber regnet es, es ist ein düsterer Nachmittag, Mitte November, im Hafen von Catania in Sizilien, und die „Siem Pilot“, das riesige signalrote Flaggschiff der EU-Grenzschutzagentur Frontex, liegt am Kai und nimmt seine neuen Crewmitglieder an Bord.