14. Mai 2016 · Kommentare deaktiviert für „Deutschland arbeitet beim Grenzschutz mit Sudan und Eritrea zusammen“ · Kategorien: Afrika, Deutschland · Tags:

Quelle: DW

Die staatliche Entwicklungsorganisation GIZ soll nach Medienberichten ein brisantes Grenzschutzprojekt unter anderem in Eritrea und Sudan leiten – ungeachtet der prekären Menschenrechtslage dort.

Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Sudan und Eritrea ist offiziell wegen Menschenrechtsverstößen ausgesetzt – eigentlich. Doch nach Recherchen des öffentlich-rechtlichen Senderverbundes ARD und des Magazins „Der Spiegel“ koordiniert die staatliche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Grenzschutzprojekt unter anderem in Eritrea und dem Sudan, durch den eine der wichtigsten Flüchtlingsrouten Afrikas verläuft.

Finanziert werde das Projekt von der Europäischen Union. Der EU-Projektplan sieht demnach auch die Lieferung von Ausrüstung vor, darunter Autos, Kameras, Scanner und Server. Zudem sollen Sicherheitskräfte ausgebildet werden.Das Grenzschutzprojekt sei Teil eines Europäischen Fonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Der Plan sei verbindlich, teilte das Bundesentwicklungsministerium auf Anfrage mit. Die Einzelheiten des Projekts würden aber noch erarbeitet, es sei auch noch keine Entscheidung über konkrete Ausrüstung gefallen.

Der sudanesische Außenminister Ibrahim Ghandour berichtet im Interview mit der ARD-Sendung „Report Mainz“ von Verhandlungen mit der EU und Deutschland: Sein Land habe „schon lange nach Ausrüstung wie GPS und anderem Grenzschutzequipment gefragt“. Darüber sei mit Deutschland und der EU gesprochen worden und er erwarte „ein gegenseitiges Einvernehmen“.

Die EU selbst sehe ein Missbrauchsrisiko in der Lieferung von Ausrüstung, so die Berichte. Dazu heiße es im Projektplan: „Equipment könnte zur Unterdrückung der Zivilbevölkerung eingesetzt werden.“ Gegen den sudanesischen Präsident Omar al-Bashir liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vor. Das Projekt werde dennoch stattfinden, da es von der EU finanziert werde, erklärte das Bundesentwicklungsministerium.

Umstrittener Aktionsplan

Ein weiteres im EU-Projekt aufgeführtes Vorhaben sei der Bau von Aufnahmelagern für Flüchtlinge inklusive Hafträumen. Auch hierzu sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen, teilt das Ministerium mit. Sudanesische Behörden planen jedoch laut „Report Mainz“ bereits den Bau neuer Aufnahmelager. Es habe auch darüber Gespräche mit deutschen Delegationen gegeben, berichten demnach mehrere Beteiligte übereinstimmend.

Angesichts der großen Zahl von Migranten aus Afrika treiben die EU-Staaten Pläne für eine verstärkte Zusammenarbeit mit Krisenländern wie Eritrea, dem Sudan und Somalia voran. Als Grundlage gilt ein Aktionsplan, den die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten im vergangenen November bei einem Sondergipfel mit Vertretern afrikanischer Länder verabschiedet hatten. Dieser sieht unter anderem vor, Menschenschmuggel einzudämmen und mehr Armutsflüchtlinge nach Afrika zurückzuschicken. Im Gegenzug soll es mehr Finanzhilfen geben.

Als umstritten gelten die Pläne vor allem deswegen, weil Staaten wie etwa Eritrea oder der Sudan Herrscher haben, die selbst als Grund für die Flucht von Menschen gelten.

stu/SC (afp, dpa)

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siehe auch: ARD Tagesschau

GIZ koordiniert Grenzschutz im Sudan und in Eritrea

Deutschland wird ein EU-Entwicklungshilfeprojekt im Sudan und Eritrea koordinieren – obwohl die Menschenrechtslage dort brisant ist. Das haben Recherchen des ARD-Magazins Report Mainz und des „Spiegel“ ergeben. Eigentlich hatte Deutschland die Entwicklungshilfe dort ausgesetzt.

Kein Schlagbaum, kein Zaun, nur Büsche und eine kerzengerade Straße. Die Grenze zwischen Eritrea und dem Sudan ist bislang nicht gerade eine Hochsicherheitszone. Flüchtlinge aus Eritrea können in der Regel in den Sudan laufen, ohne von einem Grenzbeamten gestoppt zu werden. Es fehlt der sudanesischen Regierung nach eigenen Aussagen an vielem, um der Grenze Herr zu werden. Ein EU-Grenzschutzprojekt soll das nun ändern.

Koordiniert wird das umstrittene Projekt von der staatlichen deutschen Entwicklungshilfeorganisation GIZ. Das geht aus Recherchen des ARD-Magazins Report Mainz sowie des „Spiegel“ hervor. Dabei soll der Grenzschutz und der Kampf gegen Schleuser in Ländern wie Eritrea und dem Sudan verbessert werden. Als Maßnahmen werden in der Projektbeschreibung unter anderem die Ausbildung von Polizisten sowie das Bereitstellen von Equipment wie Fahrzeugen, Scannern und Servern für den Sudan genannt.

Auch der Bau von zwei Flüchtlingslagern mit Hafträumen wird aufgeführt. Das zuständige Bundesentwicklungsministerium sagte auf Anfrage von Report Mainz, der Projektplan sei zwar bindend, über einzelnes Equipment sowie die Aufnahmelager sei aber noch nicht abschließend entschieden worden.

Brisante Menschenrechtslage

Aufgrund der brisanten Menschenrechtslage im Sudan und Eritrea ist die staatliche Entwicklungszusammenarbeit eigentlich ausgesetzt. Gegen den Präsidenten des Sudan, Umar al-Baschir, liegt vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein Haftbefehl vor – wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Projekt wird laut Bundesentwicklungsministerium dennoch durchgeführt, da es sich um ein EU-Projekt handele.

Der sudanesische Außenminister Ibrahim Ghandour sagt: „Wir haben schon lange nach Technologien wie GPS und anderem Grenzschutzequipment gefragt. Also Überwachungstechnologie für die Grenze. Darüber haben wir mit Deutschland und der EU gesprochen. Und wir glauben, dass ein gegenseitiges Einvernehmen hergestellt werden kann.“

Im Gegenzug soll der Sudan Flüchtlinge zurücknehmen

Der sudanesische Außenminister zeigt auch seine Bereitschaft, ein Rückübernahmeabkommen mit der EU zu unterzeichnen – wenn die EU ihr zugesagtes Engagement im Sudan umsetze: „Der Migrationskommissar in Brüssel hat mir gesagt: Wir haben 12.000 illegale Migranten aus dem Sudan in der EU. Sind Sie bereit, die zurückzunehmen? Ich sagte ihm: Sofort. Setzt ihr Eure Versprechungen aus den Konferenzen um und sie sind herzlich willkommen.“

Nötig seien auch mehr Maßnahmen im Kampf gegen die Fluchtursachen, betont Ghandour. Der Sudan und zahlreiche weitere afrikanische Länder hatten Ende vergangenen Jahres mit der Europäischen Union in Valletta einen Fonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen vereinbart. Das von der GIZ koordinierte Grenzschutzprojekt ist Teil dieses Fonds.

Aufbau einer biometrischen Datenbank

Awad Dahiya, der zuständige General im sudanesischen Innenministerium, erklärt, dass sein Land europäische Sicherheitstechnologie brauche. Man wolle alle Menschen im Sudan registrieren, sowohl Migranten als auch Sudanesen. „Dabei bauen wir eine biometrische Datenbank auf, mit Fotos und Fingerabdrücken. So könnte auch Europa mit unserer Hilfe erkennen, wer tatsächlich Sudanese ist und wer nicht. Oder ob ein Flüchtling durch den Sudan gekommen ist.“ Es sei wichtig, Unterstützung beim Aufbau dieser Datenbank zu bekommen, so der General.

„Das ist völliger Wahnsinn“

Der Obmann der Linken im Entwicklungsausschuss des Bundestags, Niema Movassat, kritisiert das geplante Abkommen scharf. Es sei formal ein Verstoß gegen die Richtlinien mit welchen Ländern man zusammenarbeite – auch im Hinblick auf die Menschenrechtssituation vor Ort, sagt er. „Aber jetzt sind diese Länder plötzlich gut genug dafür, dass man dort Grenzpolizisten ausbildet“, so Movassat. „Das ist völliger Wahnsinn. Also wenn man überhaupt mit solchen Ländern zusammenarbeitet, dann doch an der Basis mit den Menschen vor Ort, aber nicht mit den Regierungen.“

Wirft Deutschland menschenrechtliche Positionen über Bord?

Auch der Sudan-Experte Wolf-Christian Paes vom Bonner International Center for Conversion (BICC) sieht das geplante Projekt kritisch. Mit Staaten wie Eritrea oder dem Sudan sei die von Deutschland finanzierte Entwicklungszusammenarbeit vor einigen Jahren mit Verweis auf die Menschenrechtslage eingestellt worden. „Wenn man sagt, nun über die Europäische Union fangen wir da wieder an, kreiert man natürlich einen Präzedenzfall“, sagt er. Das sei auch genau der Grund, warum die Staaten in der Region ein Interesse daran hätten. „Aber es gab ja gute Gründe dafür, die bilaterale Zusammenarbeit einzustellen. Hier stellt sich schon die Frage, ob wir unsere menschenrechtlichen Positionen unnötig über Bord werfen bei dem Versuch, der Flüchtlingsströme Herr zu werden.“

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