09. Mai 2016 · Kommentare deaktiviert für Noch dieses Jahr Drohnen an den EU-Außengrenzen · Kategorien: Europa, Mittelmeer · Tags: ,

Quelle: Telepolis

Drohnen und Satelliten werden Teil der maritimen „Überwachungskette“. Informationen würden über die neue „Weltraumdatenautobahn“ verteilt

Matthias Monroy

Die Agenturen der Europäischen Union wollen in naher Zukunft Drohnen zur Grenzüberwachung und Einhaltung des Umweltschutzes einsetzen. Zuerst beträfe dies das Mittelmeer. Auch die Ortung und Aufklärung von Schiffsbewegungen durch Satelliten soll entscheidend verbessert werden. In Pilotprojekten wurden die nötigen Anwendungen zur Überwachung, Datenübertragung und Nutzung der Informationen entwickelt. Nun muss lediglich die Umsetzung beschlossen und geregelt werden.

Noch in diesem Jahr könnten die europäischen Außengrenzen am Mittelmeer mithilfe von Drohnen überwacht werden. So hat es der Direktor der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), Markku Mylly, dem Informationsdienst EurActiv in einem Interview bestätigt. Das Aufspüren von Geflüchteten sei einer der Bereiche, in denen Drohnen eingesetzt werden sollten. Möglich wäre auch, die Einhaltung von Treibhausgasstandards zu überwachen oder den Schwefelanteil im Schiffstreibstoff zu ermitteln. Drohnen könnten mit Sensoren ausgestattet werden, die über den ausgestoßenen Qualm eines Schiffes den verwendeten Kraftstoff bestimmen.

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Cover der Broschüre „Integrating Maritime Surveillance common information sharing environment (cise)“. Bild: EU

In einer Mitteilung vom Dezember hatte die Europäische Kommission bereits Details zu den Plänen erklärt. Demnach ist die Aufrüstung mit Drohnen und Satelliten Teil der Neustrukturierung jener drei EU-Agenturen, die mit Überwachungsaufgaben der Meere und Küsten betraut sind. Die Grenzagentur FRONTEX, die Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs und die Fischereiaufsichtsagentur verschmelzen dafür zu einer neuen Agentur. Sie soll vorrangig die „Kerntätigkeit“ von FRONTEX erledigen, darunter auch gemeinsame Abschiebungen von Geflüchteten.

„Agentur für die Grenz- und Küstenwache“ heißt weiter FRONTEX

Einzelheiten werden nun im Rahmen eines Pilotprojekts präzisiert. Ziel ist die möglichst reibungslose Weiterverwendung bestehender Systeme sowie die Einführung „neuer, moderner Technik“. Geplant ist die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle, die vermutlich im FRONTEX-Hauptquartier in Warschau angesiedelt wird. Für den Informationsaustausch zwischen den Agenturen und Behörden könnte das bei der Polizeiagentur Europol angesiedelte verschlüsselte SIENA-Netz genutzt werden.

Als neuer Name war zunächst „Agentur für die Grenz- und Küstenwache“ vorgesehen, vermutlich bleibt es aber bei dem Namen FRONTEX. Geplant ist auch die engere Zusammenarbeit mit den 316 zivilen und militärischen Behörden in den Mitgliedstaaten, die ebenfalls Aufgaben der Küstenwache übernehmen. Hierzu gehören außer der Grenzkontrolle auch die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Seeverkehr, Rettungsmaßnahmen, Fischereiaufsicht, Zollkontrolle oder Umweltschutz.

CISE. Bild: EU

CISE. Bild: EU

Schon jetzt arbeiten die drei Agenturen im Europäischen Grenzüberwachungssystem EUROSUR durch den Austausch von Seeverkehrsinformationen eng zusammen. In koordinierten gemeinsamen Aktionen wird dies von der Grenzüberwachung auf alle Aufgaben der Küstenwache ausgedehnt.

EUROSUR nutzt land- und satellitengestützte Technik zur Überwachung der See- und Küstengebiete. Damit können zwar größere Schiffe, aber keine Gummi- oder Holzboote ausgemacht werden. Zudem erfolgt die Aufklärung aus dem All meist mit optischen Satelliten, funktioniert also nur tagsüber und bei wolkenlosem Himmel. Schließlich sind die Kapazitäten auch durch die die Flugbahn der Satelliten begrenzt, Aufnahmen können derzeit erst nach der Erdumrundung zu Boden gefunkt werden. Grenzbehörden verlangen aber nach einer Echtzeit-Funktionalität.

Drohnenflotte mit mobilen Einheiten

Drohnen könnten diese Lücken mit Video- und Infrarot-Daten schließen. Als „Mittel in der gesamten Überwachungskette“ sollen sie die Satellitenaufklärung, Schiffspositionsdaten und die Überwachung durch Seeaufklärungsflugzeuge und Patrouillenboote ergänzen. Die Nutzung unbemannter Luftfahrzeuge wird von der Kommission als kostengünstigere Alternative zu bemannten Aufklärungsflugzeuge bezeichnet. Günstig ist das Programm jedoch nicht, geplant sind Zusatzkosten von 22 Millionen Euro jährlich sowie 17 neuen Arbeitsplätzen zur Umsetzung der Drohnenflotte.

Laut Mylly, dem Chef der noch existierenden EMSA, würden die Drohnen von der neuen Agentur nicht gekauft, sondern ihr Betrieb an einen anderen Dienstleister ausgelagert. Eine öffentliche Ausschreibung sei für den Frühling geplant. Die EMSA habe Euractiv zufolge bereits Pilotprojekte mit Drohnen in Malta, Portugal und den Niederlanden durchgeführt, diese seien laut Mylly „sehr ermutigend“ gewesen. In einem der Projekte seien Drohnen des portugiesischen Herstellers Tekever erprobt worden.

Seit mehreren Jahren betreibt die Europäische Kommission ähnliche Forschungsprojekte (31 Millionen für Drohnen gegen unerwünschte Migranten). Tests finden in Gewässern vor Griechenland oder im zentralen Mittelmeer statt. Weitere Flüge erfolgen im Projekt AEROCEPTOR, mit dem Boote oder Fahrzeuge aus der Luft gestoppt werden sollen. Einsätze sind laut der Projektbeschreibung auch gegen hölzerne Boote mit Geflüchteten denkbar. FRONTEX hat zudem in Finnland und Griechenland Vorführungen mit Herstellern von Drohnen organisiert. An den Veranstaltungen nahm auch die deutsche Bundespolizei teil. Unter anderem hatten dort die Rüstungskonzerne Airbus (damals EADS) und Northrop Grumman Details zu ihrer Spionagedrohne „Euro Hawk“ referiert.

Erster Kunde der „Weltraumdatenautobahn“

Größere Schiffe sind mit Transpondern ausgestattet, die Daten zur Identifikation und Position übermitteln. Sie werden von Empfängern an Land ausgewertet und können auch von Privatanwendern über spezialisierte Webseiten verfolgt werden. Die landgestützten Empfänger sind jedoch nicht zuverlässig, weshalb die EMSA in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation einen kostenlosen Datendienst mit Satellitenempfängern bereitstellt. Das Programm läuft jedoch im Sommer aus und könnte nun von der FRONTEX-Agentur finanziert werden.

Schließlich braucht es auch Satellitenkapazitäten zur Übertragung von Daten zur Steuerung und Aufklärung. Die neue Dreier-Agentur soll hierzu das Europäische Datenrelaissatellitensystem nutzen, das noch dieses Jahr in Betrieb gehen soll. Zwei Satelliten werden hierzu in 36.000 Kilometer Höhe auf eine geostationäre Umlaufbahn gebracht. Sie dienen als Zwischenstation der Funkverbindung von Drohnen und ihren Bodenstationen. Das vom Hersteller Airbus als „Weltraumdatenautobahn“ beworbene System beschleunigt die Übertragungsgeschwindigkeit enorm und erreicht Nahe-Echtzeit. Auch der Einsatzradius der Drohnen vergrößert sich deutlich.

Die Daten werden per Laser übertragen und kommen in verschiedenen Formaten, weshalb bei FRONTEX weitere Änderungen an Hard- und Software erforderlich sind. Die Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs prüft derzeit die erforderlichen Maßnahmen. Die nötigen Investitionen sind in der Schätzung der Kommission noch nicht enthalten, im Papier werden sie als „erheblicher Kostenfaktor“ bezeichnet. Sie werden jedoch teilweise vom Copernicus-Programm übernommen, in dem die Europäische Union die Satellitenaufklärung für Sicherheitsaufgaben beforscht und entwickelt. Sämtliche Sicherheitsbelange des Copernicus-Programms obliegen derzeit den Agenturen FRONTEX und EMSA.

„Gemeinsamer Informationsraum“ der Meeresüberwachungsbehörden

Die satellitengestützten Drohnenflüge könnten gleichzeitig in vier „Interessenbereichen“ erfolgen. Die Kommission nennt hierfür die griechisch-türkische Seegrenze, das zentrale Mittelmeer vor Libyen, die Straße von Gibraltar und das östliche Mittelmeer um Zypern. Die Drohnen sollen von mobilen Einheiten geführt werden, die „im Falle neu entstehender Schwerpunktgebiete“ an die jeweiligen Außengrenzen verlegt werden können.

Die durch Drohnen und Satelliten gewonnenen Informationen fließen als weitere Datenquelle in EUROSUR ein. Das Hauptquartier des Grenzüberwachungssystems in Warschau muss dafür ebenfalls mit neuen Schnittstellen und Software für die neuen Sensoren erweitert werden. Auch hierzu hat die Europäische Kommission entsprechende Pilotprojekte angeschoben. In 2014, also zwei Jahre vor der geplanten Zusammenlegung von FRONTEX, EMSA und EFCA, wurde die „verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Meeresüberwachungsbehörden“ auf den Weg gebracht. Ziel ist der Aufbau eines „gemeinsamen Informationsraums“ (CISE) bis zum Jahr 2020.

Die Projektbeschreibung nimmt die nun vorgeschlagene Fusion der drei Agenturen sowie der Behörden aus den Mitgliedstaaten bereits technisch vorweg. Der „Informationsraum“ soll die Kompetenzen und Kapazitäten von Militär, Zoll, Grenzbehörden, Fischereiaufsicht und Umweltschutz miteinander verzahnen. Geplant ist der Austausch von Informationen zwischen zivilen und militärischen Patrouillenschiffen und flugzeugen in Echtzeit. Auch das Aufspüren und Verfolgen verdächtiger Schiffe soll erleichtert werden, schließlich könnten gemeinsame „Aktionen“ von Militär, Polizei und Zoll folgen.

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