21. Mai 2016 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlinge in Europa: Minderjährig, flüchtig, kriminell“ · Kategorien: Europa · Tags:

Quelle: Handelsblatt

Sie verkaufen Drogen in Rom, stehlen in Stockholms Supermärkten oder versuchen in Calais den Sprung nach Großbritannien: In Europa leben Tausende minderjährige Flüchtlinge auf der Straße – weil sie müssen.

Rom Wie die Erwachsenen kommen auch die minderjährigen Flüchtlinge in der Hoffnung auf Sicherheit und ein besseres Leben nach Europa. Doch viele verschwinden anschließend aus Erstaufnahmelagern oder anderen Einrichtungen – und schlagen sich auf Europas Straßen alleine durch. Europol schätzt ihre Zahl auf mindestens 10.000. Nicht wenige rutschen in die Kriminalität ab, werden bei illegalen Jobs ausgebeutet oder verkaufen ihren Körper gegen Kleidung und Bargeld, wie die Nachrichtenagentur AP in Gesprächen von Jugendlichen erfuhr.

Das Phänomen der Minderjährigen ohne Familie gibt es in ganz Europa. In den Menschenmengen der Großstädte gehen sie oft unter und führen ein Schattendasein auf den Straßen – doch ihre Anzahl wächst nach Beobachtung von Experten beständig. Diese unbegleiteten Minderjährigen fallen durch die Maschen eines europäischen Systems, das nach dem großen Flüchtlings- und Migrantenstrom von 2015 ohnehin am Rande des Kollapses steht. Und sie stellen eine der größten Herausforderungen der gegenwärtigen Flüchtlingskrise dar.

Das Problem ist zwar nicht neu, doch die schiere Anzahl von Migranten und Flüchtlingen, die 2015 in die EU kamen, hat es nun akut werden lassen. Fast 90.000 der Asylsuchenden waren nach Daten des EU-Statistikamtes Eurostat minderjährig – neunmal mehr als noch 2012.

Rund die Hälfte sei aus Asylbewerberheimen oder anderen Unterkünften innerhalb von zwei Tagen nach ihrer Ankunft verschwunden, so Missing Children Europe, ein Verband aus nichtstaatlichen Organisationen in 24 Ländern. Die Gründe dafür: Einigen dauert es zu lange, bis sie legalen Status haben, andere haben Angst, zurück in ihre Heimatländer oder gemäß dem Dublin-Verfahren in das erste EU-Land ihrer Ankunft geschickt zu werden. Dritte wiederum kommen bei Familienangehörigen unter oder wollen ihr Glück einfach auf eigene Faust versuchen.

Der 13-jährige Imran floh aus Afghanistan, nachdem sein Vater vor Jahren schon von den Taliban ermordet worden war und auch er immer öfter Drohungen erhielt, wie der Jugendliche der AP erzählt. Seine Mutter habe das Haus verkauft, um Schlepper zu bezahlen, die ihn zu seinem Onkel nach Großbritannien bringen sollten.

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