28. November 2017 · Kommentare deaktiviert für „EU-Afrika-Gipfel könnte von Flüchtlingskrise in Libyen überschattet werden“ · Kategorien: Afrika, Europa, Libyen · Tags:

EurActiv | 27.11.2017

Beim anstehenden EU-Afrika-Gipfel werden afrikanische Führer die Europäer wohl warnen, dass ein „Outsourcing“ der Migrationskrise nach Libyen alte Wunden in den Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten aufreißen könnte.

Die Regierungschefs der 28 EU-Staaten und ihre Partner aus den 27 Ländern der Afrikanischen Union treffen sich am 29. und 30. November in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste.

Auf dem Gipfel sollen die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Afrika besprochen werden – mit Fokus auf Investitionen in die Jugend. Gerade für die afrikanischen Staaten ist dies ein wichtiges Anliegen, da 60 Prozent der Einwohner Afrikas unter 25 Jahre alt sind.

Die EU hingegen sieht sich immer mehr Einwanderungsversuchen junger Afrikaner gegenüber, die unter höchster Lebensgefahr das Mittelmeer überqueren, meist von Libyen aus nach Italien. EU-Vertreter unterstreichen aber, dass es beim Gipfel nicht um Migration, sondern vorrangig um Partnerschaft und Entwicklungszusammenarbeit gehen soll.

Das bestätigte auch die EU-Außenvertretrin Federica Mogherini vergangenen Mittwoch: „Ich möchte unterstreichen, dass dies kein Migrationsgipfel ist. Es ist ein Gipfel über die Partnerschaft zwischen der Afrikanischen Union und der Europäischen Union, die weit über das Thema Migration hinausgeht. Dennoch kann der Gipfel für uns natürlich auch die Möglichkeit bieten, gemeinsame Maßnahmen der Afrikanischen Union und der Europäischen Union zu beschließen, beispielsweise zur Situation von Migranten in Libyen. Diese Misslage dort ist kein neues Phänomen, sie besteht leider schon seit Jahren.”

In Bezug auf die Flüchtlingskrise in Libyen ist Mogherini in einer schwierigen Position: Einerseits verfolgt ihr Heimatland Italien radikale Maßnahmen, um die Einwanderung zu begrenzen und vertraut darauf, dass die libyschen Behörden alles unternehmen, dass Migranten gar nicht erst in italienische Gewässer gelangen können. Gleichzeitig versucht die EU, Lösungen in/für Libyen zu finden, die auch unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten akzeptabel sind.

Katastrophale Zustände in Libyen

Sichere Informationen über Libyen, wo aktuell chaotische Zustände herrschen, sind selten. Vor zehn Tagen löste der US-Sender CNN eine Welle der Entrüstung aus, als er Bilder von einer vermeintlichen Auktion ausstrahlte, bei der dunkelhäutige Männer als Erntehelfer an nordafrikanische Käufer versteigert wurden.

In den grobpixeligen Aufnahmen ist zu sehen, wie Menschen auf einem Sklavenmarkt in Libyen für umgerechnet 400 Euro verkauft werden.

In einem Interview mit dem französischen TV-Sender France24 äußerte der Präsident der Elfenbeinküste Alassane Ouattara seinen „Ekel“ und seine „Abscheu“. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen und vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden. Die Vorfälle würden beim EU-Afrika-Gipfel, den sein Land ausrichtet, thematisiert werden, versprach Ouattara.

Seine Empörung über die Zustände in Libyen wurde von vielen afrikanischen Politikern geteilt, insbesondere in Westafrika, woher derzeit die meisten Migranten stammen. Mahamadou Issoufou, Präsident des Niger, berief sogar den libyschen Botschafter ein und forderte den Internationalen Strafgerichtshof auf, den Sklavenhandel in Libyen zu untersuchen.

Laut France24 hat auch der Außenminister Burkina Fasos, Alpha Barry, den libyschen Botschafter zu Konsultationen einberufen. Auch von Seiten der Vereinten Nationen wurden deutliche Warnungen bezüglich der Situation in Libyen ausgesprochen.

Auf europäischer Seite musste Mogherini auf Fragen reagieren, die die EU-Strategie des „Outsourcing der Migrationskrise“ in Länder wie Libyen oder die Türkei thematisieren. Letzteres Land erhält Milliarden dafür, dass geflüchtete Syrer nicht mehr die Grenze nach Griechenland überqueren.

Mogherini verwies darauf, dass die Situationen in Libyen und der Türkei allerdings unter mindestens zwei Gesichtspunkten unterschiedlich seien: Erstens seien die in Libyen gestrandeten Migranten keine Asylsuchenden wie diejenigen, die vor dem Krieg in Syrien fliehen. Zweitens seien unterschiedliche internationale Institutionen zuständig.

„In der Türkei geht es größtenteils um Kriegsflüchtlinge aus Syrien; in Libyen sehen wir eher Migranten aus Subsahara-Afrika. Daher werden verschiedene internationale Gesetze unterschiedlich angewendet und auch die entsprechenden UN-Stellen sind verschieden: Einerseites der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) in der Türkei, andererseits die Internationale Organisation für Migration in Libyen.“

Europäische Präferenzen

Aus Sicht der EU soll das Thema Flucht und Migration beim Gipfel nicht an vorderster Stelle stehen. Viel mehr gehe es darum, die bisherige paternalistische Geldgeber-Empfänger-Beziehung zwischen Europa und Afrika aufzubrechen und eine neue Art der politischen Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ zu erreichen.

Der EU-Afrika-Gipfel Ende diesen Monats ist der bislang fünfte. Beim letzten großen Treffen im Jahr 2014 kamen mehr als 60 Regierungschefs aus Europa und Afrika zusammen.

Darauf folgend wurde im November 2015 der sogenannte EU-Treuhandfonds für Afrika eingerichtet, über den Milliarden für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden sollen. Tatsächlich haben die Mitgliedstaaten bisher relativ wenige Mittel bereitgestellt, während der Großteil der Zuwendungen aus dem EU-Budget stammt.

Vergangenen Monat hatte die Europäische Kommission die EU-Staaten deshalb aufgefordert, unverzüglich zusätzliche 225 Millionen Euro für Projekte zur Migration in Afrika bereitzustellen, die noch in diesem und Anfang nächsten Jahres durchgeführt werden.

Am Donnerstag letzter Woche präsentierte die Kommission darüber hinaus fünf konkrete Bereiche, sogenannte „Investitionsfenster“, in ihrem Investitionsplan für Drittstaaten (External Investment Plan, EIP).

So sollen nachhaltige Investitionen in Höhe von insgesamt 44 Milliarden Euro in Afrika und der direkten EU-Nachbarschaft  mobilisiert werden. Diese Investments seien essenziell für die weitere Entwicklung der afrikanischen Staaten.

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