10. November 2017 · Kommentare deaktiviert für „Neuer Drohnenkrieg: Trumps leise Killer über der Sahara“ · Kategorien: Afrika, Sahara, USA · Tags:

Spiegel Online | 10.11.2017

6000 Soldaten, davon 1200 Spezialkräfte, haben die USA in Afrika im Anti-Terror-Einsatz – viele agieren verdeckt. Nun will Donald Trump den Drohnenkrieg in die Sahara tragen. Nigers Regierung ist begeistert.

Von Christoph Titz

Was wollten zwölf US-Soldaten, Mitglieder eines Spezialkommandos, am 3. Oktober irgendwo im Grenzland zwischen Niger und Mali?

Auch länger als einen Monat danach macht das US-Verteidigungsministerium daraus noch ein Geheimnis. Klar ist zumindest: Ihre Mission ging schief. Vier US-Soldaten und vier nigrische Soldaten starben, als sie offenbar von Dutzenden Kämpfern beschossen wurden.

Wie sie in den Hinterhalt gerieten, was sie in der öden Sahelsteppe wollten – eine Region, in der malische Separatisten, Qaida-Islamisten, Menschen- und Drogenschmuggler agieren – darüber schweigt das Pentagon. Einen Abschlussbericht gebe es „spätestens im Januar“. Es soll darum gegangen sein, einen Islamisten aufzuspüren, der im Grenzland Jugendliche für den Terror begeistern wollte, wie nigrische Quellen der Nachrichtenagentur Reuters sagten.

Der gescheiterte Einsatz warf ein Schlaglicht auf die geheimen Kämpfe der USA in Afrika – die weitaus umfangreicher sind als bekannt. Selbst in den USA wusste die Öffentlichkeit bis zu dem Zwischenfall wenig über die Präsenz in Niger. Doch: 400 US-Soldaten sind in dem westafrikanischen Land dauerhaft stationiert.

Präsent in 53 von 54 Ländern

In einer Pressekonferenz sagte US-General Joseph Danford wenig zu dem Zwischenfall, dafür jedoch Spannendes über sonstige Afrikaeinsätze: Insgesamt befänden sich „etwas mehr als 6000 Soldaten“ in Afrika, verteilt auf 53 Länder. Vor allem diese Zahl ist interessant. Der Kontinent hat 54 Staaten. Soll heißen: Wir sind praktisch überall.

Rund 1700 Spezialkräfte in 21 Ländern sind laut dem Magazin „New Yorker“ in Afrika im Einsatz – in Ländern, die der Befehlshaber des Africa Command (Africom), Donald C. Boldcu, als „Grauzonen“ beschreibt: Gebiete, in denen Klima, Kriege und chaotische Regierungsführung Einsätze besonders schwierig machen. Die USA „führen keinen Krieg in Afrika. Aber unsere Partner tun es“, sagte Boldcu – und meint damit die afrikanischen US-Verbündeten. Inwieweit die USA dabei nur unterstützen oder selbst aktiv sind, ist meist Verschlusssache.

In Ostafrika ist Dschibuti das Militärdrehkreuz der Amerikaner. 4000 Männer und Frauen – Soldaten, aber auch alliierte Mannschaften, ziviles Personal und Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen – arbeiten dort für die USA. Das kleine Dschibuti ist quasi ein riesiger Hafen Äthiopiens. Beide Länder sind engste US-Verbündete in Afrika.

In Somalia bekämpfen US-Truppen gemeinsam mit einer Allianz aus sechs afrikanischen Ländern seit Jahren die Terrormiliz al-Schabab. Die US-Regierung setzt dabei vor allem auf Drohnen: Bei einer großen Attacke auf ein Gelöbnis der Islamisten sollen Anfang 2016 bis zu 150 Kämpfer getötet worden sein, Schabab bestätigte den Angriff, dementierte aber die hohe Opferzahl.

Eine neue Leitlinie unter Präsident Donald Trump besagt, dass die USA – am Boden und aus der Luft – öfter und härter zuschlagen sollen. Unter seinem Oberbefehl schickten die Amerikaner im April zum ersten Mal seit dem Blackhawk-Desaster von 1993, bei dem ein GI getötet und durch die Straßen Mogadischus geschleift wurde, wieder offizielle eigene Truppen ins Land.

Einen Monat später starb dann nach langer Zeit wieder ein amerikanischer Soldat auf somalischem Boden. US-Militärhubschrauber hatten die einheimischen Kämpfer transportiert, dann warteten sie in vermeintlich sicherer Entfernung, gerieten aber unter Feuer. Dabei wurden ein Navy Seal erschossen.

Auch unter dem Befehl von Trumps Amtsvorgänger Obama waren laut „New York Times“ schon US-Truppen in Somalia im Einsatz. Rund 200 bis 300 Spezialkräfte eines geheimen Seal-Teams führten 2016 Monat für Monat mehrere Anti-Terror-Operationen durch, auch im benachbarten Kenia und in Uganda.

Hintergrund ist das Erstarken der Schabab-Miliz, die 2013 mehr als 60 Menschen in einem Einkaufszentrum in Kenias Hauptstadt Nairobi tötete und seitdem immer wieder schwerste Angriffe verübt hat.

In Westafrika heißt die bekannteste Terrorgruppierung Boko Haram, die in Nigeria und der Tschadseeregion vor allem mit Selbstmordattacken und Entführungen Angst verbreitet und für mehr als 20.000 Tote in acht Jahren verantwortlich ist.

Mit der nigerianischen Armee allerdings hat die USA einen unzuverlässigen Partner. Die Amerikaner geben dem Verbündeten Informationen nur anonymisiert weiter, weil Washington fürchtet, dass Nigerias Armee von Boko Haram unterwandert ist. Außerdem ist die Zahl ziviler Opfer durch Angriffe von Nigerias Armee erschreckend hoch. Trotzdem ist die Zusammenarbeit dort, und mit den angrenzenden Ländern Niger, dem Tschad, Kamerun und Benin ein gewichtiger Teil der US-Afrikamissionen.

Dritter Hotspot im Antiterrorkrieg sind die Sahara und die Sahelregion. Seit dem Zusammenbruch Libyens und dem Aufstand von Tuareg-Rebellen und Islamisten in Mali ist der islamistische Terror in Westafrika virulent. Lokale IS- und Qaida-Gruppen nutzen ihre Ortskunde in der Wüste und die schwachen staatlichen Strukturen. Meist schlagen sie dann in den Hauptstädten der Region zu, in Hotels, gegen Entwicklungshelfer und Uno-Friedenstruppen.

Was Einsätze dort – wie auch in Somalia – so schwierig macht: Es fehlt verlässliche Aufklärung am Boden, oft ist die US-Armee auf Informationen von Zuträgern angewiesen, ohne sie genau prüfen zu können.

Vor zwei Jahren vernichteten zwei F-15-Kampfflugzeuge ein Gebäude in der libyschen Wüste. Die Attacke galt Mokhtar Belmokhtar, einem algerischen Terrorpaten der westlichen Sahara, der hinter zahlreichen Attentaten stehen soll und in dem Gebäude vermutet wurde.

Doch Beweise für einen aus US-Sicht erfolgreichen Angriff ließen sich nicht beschaffen. Die Islamisten bestätigten den Tod des Afghanistanveteranen Belmokhtar nicht. Inzwischen hat er sich angeblich wieder gemeldet, schriftlich und in einer Audiobotschaft.

Lautloser Luftkrieg: „Unsere Feinde werden es herausfinden“

In Somalia sorgten offenbar schlechte Geheimdienstinformationen für eine schwere Panne: Fälschlich griff die US-Armee aus der Luft die eignen Partner an. Im „friendly fire“ starben im Oktober 2016 mindestens 13 somalische Soldaten. Wutentbrannt beschwerten sich somalische Regierungsmitglieder danach, die USA hätten sich offenbar von Klanchefs hinters Licht führen lassen.

Trotz der gemischten Bilanz wollen die USA den Drohnenkrieg in Westafrika nun tiefer in die Sahara tragen: Bislang starten die US-Drohne von einem Flugfeld in Nigers Hauptsadt Niamey von einer französischen Drohnenbasis aus. Eine neue 50 Millionen Dollar teure Basis bauen die USA nun nahe der Stadt Adadez in den nigrischen Wüstensand.

Jüngster Wunsch der nigrischen Regierung: Die USA möge ihre bewaffneten, unbemannten Bomber doch bitte gegen Islamisten einsetzen. Auf die Frage eines Reuters-Reporters, ob die USA der Bitte nachkommen, sagte Verteidigungsminister Kalla Mountari: „Unsere Feinde werden es herausfinden.“

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