09. November 2017 · Kommentare deaktiviert für „Jemen: Saudische Blockade sperrt auch humanitäre Hilfe aus“ · Kategorien: Jemen · Tags: ,

Telepolis | 08.11.2017

Hilfsorganisationen warnen vor katastrophalen Konsequenzen. 7 Millionen Bewohner des Landes sind von den Hilfslieferungen vollkommen abhängig

Thomas Pany

Die Hilfslieferungen in den Jemen sind vorläufig eingestellt. Was viele befürchtet hatten, nachdem Saudi-Arabien infolge des Raketenangriffs auf den Flughafen in Riad die Zugänge in das Land noch stärker abriegeln ließ, ist nun bittere Wahrheit.

Humanitäre Operationen sind blockiert, meldet OCHA (Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, der UN zugehörig), nachdem die von Saudi-Arabien angeführte Koalition die Schließung der See- und Flughäfen angeordnet hatte. Alle Schiffe mit Handelsgütern sollten die Häfen in al-Hudaida und Saleef verlassen. Auch Flüge im humanitären Dienst seien ausgesetzt.

Zwei Flüge mit humanitären Gütern hätten am Montag keine Flugerlaubnis bekommen, so die UN. Am selben Tag hieß es aber aus Saudi-Arabien noch, dass humanitäre Hilfe von der Blockade ausgenommen sei.

Es gebe derzeit aber keine Möglichkeiten für humanitäre Hilfe, beklagen die Hilfsorganisationen, darunter auch das Rote Kreuz; sie fordern von Saudi-Arabien, dass Versorgungswege für humanitäre Hilfe wieder geöffnet werden. Bislang offensichtlich ohne Erfolg.

Etwa 7 Millionen an Mangelernährung und Hunger leidende Menschen seien im Jemen völlig abhängig von den Hilfslieferungen – vornehmlich Nahrung, Medikamente und Treibstoff. Schon jetzt würden sich dramatische Entwicklungen abzeichnen: Der Preis für Treibstoff sei „über Nacht“ um 60 Prozent gestiegen, Gas zum Kochen sei jetzt doppelt so teuer.

80- bis 90-Prozent der Nahrungsmittel für den Jemen müssen laut OCHA importiert werden, das betrifft die gesamte Bevölkerung (27 Millionen). Zur Hungersnot hinzu kommt die Cholera. Krankheitsfälle würden aus allen 22 Gouvernements gemeldet. Insgesamt zähle man über 900.000 Verdachtsfälle. Laut Reuters wurde am Montag eine Rot-Kreuz-Lieferung von Chlor-Tabletten zur vorbeugenden Desinfizierung nicht über die nördliche Grenze in den Jemen gelassen. Man sorgt sich auch über notwendige Insulin-Lieferungen.

Indessen werden vom OCHR seit Anfang November mehrere Angriffe der von Saudi-Arabien geführten Koalition auf Ziele gelistet, bei denen Zivilisten ums Leben kamen. Der Sender Al-Arabiya, der vom saudischen Königshaus finanziert wird, bringt demgegenüber Erfolgsmeldungen über Angriffe, die 50 Houthis und Kommandeure töteten. Bilder und Kurznachrichten in den sozialen Netzwerken vervollständigen die Erfolgsmeldungen mit zur saudischen Position gegenläufigen Darstellungen der Brutalität des Krieges.

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FAZ | 09.11.2017

Blockade Saudi-Arabiens: UN warnen vor Millionen Hungertoten im Jemen

Hilfslieferungen in den Jemen sind nicht mehr möglich – wegen einer Blockade der Häfen und Flughäfen durch die Militärkoalition unter saudischer Führung. Laut der Vereinten Nationen droht die größte Hungerkatastrophe seit Jahrzehnten.

Im Jemen sind wegen der saudi-arabischen Blockade nach Einschätzung der Vereinten Nationen die Leben von Millionen Menschen bedroht. Diese könnten verhungern, wenn die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition die See- und Flughäfen weiter blockiere, warnte der UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock am Mittwoch (Ortszeit) vor Journalisten in New York, nachdem er den Sicherheitsrat über die aktuelle Lage in dem Land unterrichtet hatte.

„Es wird nicht wie die Hungersnot im Südsudan in diesem Jahr sein, wo Zehntausende Menschen betroffen waren. Es wird nicht wie die Hungersnot 2011 in Somalia sein, wo 250.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Es wird die größte Hungersnot sein, die die Welt seit vielen Jahrzehnten gesehen hat – mit Millionen von Opfern“, sagte er.

„Katastrophale humanitäre Lage“

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen forderte das Militärbündnis unter saudischer Führung auf, alle Flughäfen und Häfen in dem Krisenland für Hilfslieferungen offen zu halten. Dies sei im Hinblick auf die „katastrophale humanitäre Lage im Jemen“ entscheidend, sagte der italienische Botschafter Sebastiano Cardi, der dem Sicherheitsrat derzeit vorsitzt, nach einer Sitzung des Gremiums hinter verschlossenen Türen. Darin hätten die 15 Mitgliedsländer ihre „Beunruhigung“ über die Situation im Jemen geäußert. Der UN-Sicherheitsrat hatte auf Antrag Schwedens über die Lage in dem Land beraten.

Das Militärbündnis unter Führung Saudi-Arabiens hatte die Häfen und Flughäfen im Jemen sowie die Zufahrtsstraßen in das Land dicht gemacht, nachdem am Wochenende eine Rakete der pro-iranischen Huthi-Rebellen in der Nähe der saudi-arabischen Hauptstadt Riad abgefangen worden war. UN-Generalsekretär Antonio Guterres habe am Mittwoch mit dem saudi-arabischen Außenminister Adel al Dschubeir telefoniert, um eine sofortige Öffnung der jemenitischen Häfen und Flughäfen zu erwirken, sagte UN-Nothilfekoordinator Lowcock.

In dem von Armut geprägten Land im Süden der Arabischen Halbinsel tobt seit 2014 ein Bürgerkrieg. Schiitische Huthi-Rebellen und ihre Verbündeten haben große Teile des Landes überrannt. Ein saudi-arabisch geführtes Militärbündnis unterstützt die international anerkannte Regierung des Jemen und bombardiert seit rund zweieinhalb Jahren Stellungen der Rebellen aus der Luft. Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

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