26. Juli 2017 · Kommentare deaktiviert für „So hat Italien die Zahl der Mittelmeer-Flüchtlinge deutlich reduziert“ · Kategorien: Italien, Libyen · Tags: ,

Welt | 26.07.2017

Nachdem die Balkan-Route geschlossen wurde suchten immer mehr Flüchtlinge den Weg übers Mittelmeer. Nun hat Italien es trotz des Sommers geschafft, die Ankunftszahlen zu senken. Kein Zufall, wie die Italiener meinen.

Von Constanze Reuscher, Rom

In diesem Juli ist die Zahl der Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet und nach Italien gebracht worden sind, stark gesunken. Zumindest im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – also vom 1. bis zum 25. Juli 2016 – sind bisher rund 14.000 Flüchtlinge weniger angekommen, nicht 23.552 wie 2016, sondern 9.396.

Dies sei kein Zufall und wegen der günstigen klimatischen Bedingungen in den Hochsommermonaten auch ungewöhnlich. Es sei auf die “intensive Arbeit des Innenministers Marco Minniti in den vergangenen Monaten” zurückzuführen, wie die WELT aus hohen Regierungskreisen erfuhr. “Vor allem hat die Kooperation und Unterstützung der libyschen Küstenwache funktioniert”, hieß es.

Verhandlungen mit NGOs bisher ergebnislos

Die italienische Regierung hat in den vergangenen Monaten die Mitarbeiter der libyschen Küstenwache geschult, der Einheit technische Hilfe, Material und Boote zur Verfügung gestellt. Deren Rettungsboote bringen aufgegriffene Migranten an die libysche Küste zurück.

Als Ende Juni die Zahlen in Italien angekommenen Flüchtlinge noch einmal hochgeschnellt waren und 12.000 Flüchtlinge in 48 Stunden Italiens Häfen erreichten, hatte Innenminister Minniti spontan eine USA-Reise abgebrochen, und war nach Rom zurückgekehrt. Sein Krisenmanagement sah vor, die Kooperation mit den Libyern noch einmal zu intensivieren.

In jenen Tagen schrieb er auch einen Verhaltenskodex für die Rettungseinheiten der NGOs im Mittelmeer. Es bestand seit Monaten der Verdacht, dass diese die Schleuser noch ermutigen würden, in dem sie möglicherweise vom Mittelmeer aus ihre Präsenz vor der Küste signalisierten.

Die Verhandlungen mit den NGOs, an der heute Nachmittag im italienischen Innenministerium 15 der Organisationen teilgenommen haben, sind bisher ergebnislos. Am Freitag ist daher eine zweite Runde angekündigt. Die NGOs wollen Innenminister Marco Minniti dann Vorschläge vorlegen, um zu einer Einigung zu kommen. Beide Seiten sprachen nach dem Treffen aber von einem freundschaftlichen Klima.

Italiens Regierung droht NGOs

Im Wesentlichen protestieren sie gegen drei Forderungen in dem von Minniti erarbeiteten Verhaltenskodex für die freiwilligen Rettungsorganisationen. Dem “Code” hatten Ende Juni bei einem Treffen in Tallinn alle der EU-Innenminister zugestimmt. Im Falle einer Weigerung von Seiten er NGOs hatte die italienische Regierung gedroht, den Schiffen unter nicht-italienischer Flagge in Zukunft nicht die Einfahrt in internationale Gewässer zu gestatten.

Vor allem wollen die NGOs nicht die Forderung akzeptieren, Flüchtlinge in jedem Fall an größere Boote – Frontexschiffe und die Rettungsboote der italienischen Küstenwache zu übergeben. Dies könne in bestimmten Situationen, beispielsweise bei hohem Seegang, sehr gefährlich sein und berge unnötige Sicherheitsrisiken für Flüchtlinge und Mannschaften. Sie unterstrichen außerdem, dass es in bestimmten Situationen schwierig sei, das Einfahrverbot für libysche Gewässer zu respektieren, wie es der neue Kodex für NGOs vorsieht.

In manchen Situation sei die Lebensrettung nur möglich, wenn man die Grenze überschreite. Darüber hinaus wollen die Organisationen die Präsenz der italienischen Justizpolizei auf ihren Booten nicht akzeptieren. Diese sollte dazu dienen, die rechtmäßige Verfahrensweise zu prüfen und vor allem frühzeitig die Präsenz Krimineller – Schleuser, Terroristen oder Gefährder – zu identifizieren.

Sowohl der Präfekt Mario Morcone, der für die italienische Regierung verhandelte, als auch Vertreter der NGOs zeigten sich zufrieden. Der Gründer der deutschen NGO “Sea Eye“, Michael Buschheuer, betonte, man wolle weiter Leben retten und einige Punkte im Verhaltenskodex seien problematisch, aber “die italienische Regierung hält es – im Gegensatz zum deutschen Innenminister – für nötig, mit NGOs zu sprechen”, Voraussetzung für einen Kompromiss.

 

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