28. April 2017 · Kommentare deaktiviert für „EU-Streit um Flüchtlingsquoten: Wer viele aufnimmt, soll belohnt werden“ · Kategorien: Europa, Malta · Tags:

Spiegel Online | 28.04.2017

Durchbruch im Streit um die Flüchtlingsverteilung in der EU? Dem SPIEGEL liegt ein Kompromisspapier der maltesischen Ratspräsidentschaft vor. Die Idee: Finanzielle Anreize für die Aufnahme von Flüchtlingen.

Von Peter Müller

In den Streit um einen dauerhaften Verteilungsmechanismus für Flüchtlinge in der Europäischen Union kommt Bewegung. In einem Kompromisspapier setzt die derzeitige maltesische Ratspräsidentschaft zahlreiche Anreize, um Ländern, die einer Umverteilung von Flüchtlingen bislang ablehnend gegenüberstehen, die Zustimmung zu erleichtern.

Nach SPIEGEL-Informationen soll es beispielsweise finanzielle Anreize für die Aufnahme von Flüchtlingen geben. Wer in Zeiten verstärkten Flüchtlingszuzugs die Quote an Migranten aufnimmt, zu der er verpflichtet ist, oder darüber hinausgeht, soll pro Flüchtling 60.000 Euro innerhalb von fünf Jahren erhalten; wer unter seiner Quote bleibt, den gleichen Betrag zahlen.

Das sechsseitige Papier vom 21. April mit dem Titel „Die Solidaritätskomponente bei der Reform des Dublin-Systems“ liegt dem SPIEGEL vor. Zuletzt diskutierten die EU-Botschafter am vergangenen Mittwoch darüber. Bis Juni soll der Kompromiss stehen.

Der Kompromissvorschlag sieht sogenannte „alternative Formen der Solidarität“ vor. Länder, die ihre Flüchtlingsquote nicht erfüllen wollen, können stattdessen zusätzliche Beamte für die EU-Grenzschutzagentur Frontex oder die EU-Asylbehörde EASO abstellen. Länder, die bislang traditionell kaum Flüchtlinge aufnehmen oder deren Kapazitäten nicht ausreichen, sollen ihren Verpflichtungen in einer längeren Anlaufphase von bis zu drei Jahren nachkommen dürfen.

Als weiteres Entgegenkommen sieht der Kompromissvorschlag vor, den automatischen Umverteilungsmechanismus zu stoppen, wenn EU-weit im Jahr mehr als eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen umzuverteilen ist, im Gespräch ist eine Zahl von 200.000. In diesem Fall einer „schweren Krisensituation“ sind „vereinfachte juristische Verfahren“ im Gespräch, um das Konzept sicherer Herkunftsstaaten anzuwenden. Dann würden wohl nur noch die Mindeststandards der Genfer Flüchtlingskonvention gelten.

Sich aber gänzlich von der Verpflichtung freikaufen, Flüchtlinge aufzunehmen? Das soll auch künftig kein EU-Land können. Vor allem auf Drängen Deutschlands muss jedes Land mindestens 50 Prozent der vorgesehenen – und noch festzusetzenden – Quote erfüllen.

De Maizière für weitere Kontrollen der Binnengrenzen

Als nächste Station wollen die EU-Innenminister Mitte Mai über den Kompromiss diskutieren. Die EU-Mitglieder hatten sich 2015 darauf verständigt, 160.000 Flüchtlinge, die vor allem in Griechenland und Italien ankamen, umzuverteilen.

Doch dies geht weiterhin recht schleppend voran. Mit Stand vom 24. April waren 5370 Migranten aus Italien und 12.164 aus Griechenland in andere Länder verteilt worden. Länder wie die Slowakei und Ungarn weigern sich, an der Umverteilung teilzunehmen. Sie gehören bislang auch zu den Hauptgegnern des neuen, permanenten Umverteilungssystems, das die EU-Kommission im vergangenen Jahr vorgeschlagen hatte.

Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Gianni Pittella, erhöhte den Druck auf die EU-Mitgliedstaaten, sich zu einigen. „Mehr als tausend Menschen sind in diesem Jahr bereits gestorben bei ihrem Versuch, die Küsten Europas zu erreichen. Dies wird sich in den kommenden Sommermonaten weiterhin erhöhen“, so der italienische Politiker. „Wir brauchen ein vollständig funktionierendes europäisches Asylsystem, das auf der Basis von einer fairen und automatischen Teilung der Verantwortlichkeiten beruht.“

Um der aktuell wieder steigenden Zahl von Flüchtlingen, die von Libyen nach Italien kommen, Herr zu werden, wird die angestrebte Regelung allerdings zu spät kommen.

Bereits Anfang Mai muss die EU-Kommission entscheiden, ob sie die Grenzkontrollen erneut verlängern will, die derzeit auch an deutschen Grenzen möglich sind. Zuletzt hatte der Ministerrat im Februar nach einer entsprechenden Empfehlung der Kommission Deutschland und vier weiteren Ländern erlaubt, die Kontrollen bis Mitte Mai zu verlängern.

Nach Informationen des SPIEGEL hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am 18. April in einem Bericht an die Kommission dargelegt, dass Binnengrenzkontrollen auch über den 10. Mai hinaus erforderlich sein sollen. Es wird erwartet, dass die Kommission diesem Wunsch nachkommen wird.

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