20. April 2017 · Kommentare deaktiviert für „Zivile Luftaufklärungsmission an Europas tödlicher Seegrenze gestartet“ · Kategorien: Mittelmeer · Tags: ,

Sea-Watch | 20.04.2017

Sea-Watch und Humanitarian Pilots Initiative verhindern Bootskatastrophe

Mehr als 100 Flüchtende auf einem sinkenden Schlauchboot konnten am Ostersonntag in letzter Minute gerettet werden, nachdem sie weitab jeglicher Rettungsschiffe von einem Aufklärungsflugzeug entdeckt wurden. Mindestens sieben Menschen waren zu diesem Zeitpunkt bereits ertrunken. Dies ist die bisherige Bilanz der am Osterwochenende gestarteten Luftaufklärungsmission von Sea-Watch und der Humanitarian Pilots Initiative (HPI). Dank großzügiger Unterstützung durch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wird das Kleinflugzeug mit dem Rufzeichen “Moonbird” den ganzen Sommer über im Einsatz sein: Um bei der Koordination von Rettungseinsätzen zu helfen, um Druck auf die EU auszuüben, die auf dem Mittelmeer Menschen ertrinken lässt, und um Bootskatastrophen zu verhindern, wie am Ostersonntag geschehen.

“Erst war es nur ein Punkt am Horizont, dann wurde schnell klar, dass sich unter uns eine Tragödie abspielt: Meilenweit war kein Rettungsschiff zu sehen und es sind bereits einige Menschen über Bord gegangen,” sagt Pilot Fabio Zgraggen. “Durch spezielle Flugmanöver konnten wir einen libyschen Fischer auf das sinkende Schlauchboot aufmerksam machen, er hat mehrere Menschen aus dem Wasser gezogen, gemeinsam mit den von uns über Funk alarmierten Schnellbooten von Jugend Rettet und MOAS konnte Schlimmstes verhindert werden.” Einige trieben da bereits leblos im Wasser, für mindestens sieben Menschen kam jede Hilfe zu spät. “Ohne den Einsatz des Flugzeugs wären es wohl über 100 gewesen,” so Zgraggen. Bei einem ähnlichen Vorfall in der vergangenen Woche waren mindestens 97 Menschen ertrunken.

“Unser Ziel ist es, durch den Einsatz unseres Flugzeugs Bootskatastrophen zu verhindern. Die ersten Einsatztage haben bereits deutlich gezeigt, dass wir dazu auch in der Lage sind,“ sagt Ruben Neugebauer, Projektleiter der Luftaufklärungsmission. “Außerdem wollen wir Druck auf die Europäische Union aufbauen, die hier wissentlich Menschen ertrinken lässt, indem sie sichere Wege versperrt und Seenotrettung verweigert.” Das Suchflugzeug vom Typ Cirrus SR22 ist dazu in der Lage, wann immer nötig, das Seegebiet nördlich der libyschen Küste abzufliegen, um Boote in Seenot zu entdecken, auch dann wenn keine Schiffe in der Nähe sind. “Durch Sicherheitsfeatures wie einem Fallschirmrettungssystem und spezieller Kommunikationstechnik sind wir bestens für den Einsatz ausgerüstet, einige sehr erfahrene Piloten und Pilotinnen haben sich bereits gemeldet, weil sie unsere Mission unterstützen wollen. Nach einigen Versuchen im letzten Jahr haben wir nun eine gute Lösung gefunden,” sagt der schweizer Pilot Zgraggen.

Das Flugzeug füllt eine Lücke in der zivilen Seenotrettung

“Das Flugzeug füllt eine Lücke in der zivilen Seenotrettung. Bereits im vergangenen Jahr leistete die zivile Rettungsflotte großartige Arbeit, wo die Europäische Union versagte, ausreichend Rettungskräfte zu schicken. Mit dem Flugzeug können die vorhandenen Ressourcen jetzt noch deutlich effektiver genutzt werden: Wir können Boote in Seenot nicht nur entdecken, sondern auch bei der Koordination der Rettungseinsätze unterstützen, da wir aus der Luft eine sehr gute Übersicht haben,” so Zgraggen. “Dank der großzügigen Unterstützung durch die Evangelische Kirche und zahlreiche Spender*innen wird es uns nun möglich sein, das Flugzeug den ganzen Sommer einzusetzen, um so noch viele weitere Leben zu retten. Wir werden auch die immer wieder unterlassene Hilfeleistung durch die Europäische Union dokumentieren,” sagt Einsatzleiter Neugebauer.

Der Moonbird, nach dem das Flugzeug benannt ist, ist ein Zugvogel, der jedes Jahr über dem Meer die Strecke von der Erde bis zum Mond zurücklegt und dabei zahlreiche Grenzen überwindet. “Migration hat es immer schon gegeben und es hat in der Geschichte den unterschiedlichsten Umgang mit diesem Phänomen gegeben. Abschottung hat dabei eigentlich nie wirklich funktioniert, genau dafür hat sich die EU jedoch entschieden und ist dafür offensichtlich bereit, elementarste Grundrechte zu ignorieren,” so Ruben Neugebauer. “Es ist völlig inakzeptabel, dass an der Wohlstandsgrenze zwischen Europa und Afrika jährlich tausende Menschen ertrinken. Mit unserem Aufklärungsflugzeug werden wir alles uns mögliche tun, um diesen Zustand zu beenden.”

Weitere Fotos: https://www.flickr.com/photos/sea-watch/albums/

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