15. März 2017 · Kommentare deaktiviert für „Abschiebungen nach Griechenland sind wieder möglich“ · Kategorien: Deutschland, Europa, Griechenland · Tags: ,

Welt | 15.03.2017

Seit 2011 konnten Flüchtlinge wegen unzureichender Menschenrechtsstandards nicht nach Griechenland rückgeführt werden. Brüssel will nun die Dublin-Regeln wieder anwenden. Doch es gibt mehrere Probleme.

Angela Merkel (CDU) ist auf das Problem gestoßen, dass etwas nicht sein kann, aber trotzdem ist: Es könne nicht sein, dass sich Flüchtlinge aussuchten, wo in Europa sie Asyl beantragten, stellte die Bundeskanzlerin seit dem September 2015 mehrfach fest. Doch noch immer bringt die Bundesrepublik nur wenige der aus anderen EU-Staaten unerlaubt weiterreisenden Schutzsuchenden wieder dorthin zurück, wie es das Dublin-Abkommen eigentlich vorsieht.

In den meisten Fällen versucht sie es gar nicht: Zwar kamen im vergangenen Jahr rund 280.000 Migranten auf diese Art ins Land, im selben Zeitraum stellten deutsche Behörden aber nur 55.690 sogenannte Übernahmeersuchen an die Durchreiseländer. Die angefragten EU-Partner lehnten fast jede zweite Anfrage ab (26.416).

Doch selbst in den übrigen Fällen – wenn die Staaten anerkennen, dass sie laut „Dublin“ für einen Asylantragssteller zuständig sind – bleibt dieser meist in Deutschland. Nur 3968 wurden tatsächlich innerhalb Europas zurückgebracht und damit nur unwesentlich mehr als ein Jahr zuvor (3597), wie aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linkspartei hervorgeht.

„Dringende Mahnung an die EU“

Nach Griechenland, dem nach Italien wichtigsten Einreisestaat, wurden die Rückführungen seit 2011 nach zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sogar vollständig ausgesetzt – wegen „systemischer Mängel“ im griechischen Asylsystem und der Unterschreitung von Menschenrechtsstandards. Mittlerweile hat sich die Situation in Griechenland nach Ansicht der EU-Kommission aber wieder deutlich gebessert.

In einer rechtlich nicht bindenden Empfehlung vom 8. Dezember 2016 schlägt Brüssel vor, die Dublin-Regeln auf Griechenland wieder schrittweise anzuwenden und zwar nur für solche Migranten, die ab Mittwoch, den 15. März 2017 in Griechenland landen und dann weiterziehen – für die bis jetzt auf diesem Weg nach Deutschland gereisten, ändert sich nichts.

Die Schutzsuchenden sollen auch „nur dann nach Griechenland gebracht werden, wenn die griechischen Behörden im Einzelfall versichern, dass der Asylbewerber in angemessenen Aufnahmezentren untergebracht wird und entsprechend den Standards der EU-Gesetzgebung behandelt wird“, schreibt die Kommission. Nicht betroffen sind besonders schutzbedürftige Migranten, das sind vor allem unbegleitete Minderjährige.

Ansgar Heveling, der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestags, hält die Kommissionsentscheidung zu Griechenland für einen „wichtigen Schritt“ und geht „davon aus, dass Überstellungen im durch die EU vorgegebenen Rahmen jetzt auch wieder strikt vorgenommen werden“, sagt der CDU-Politiker der „Welt“.

„Die Diskrepanz zwischen Überstellungsersuchen und tatsächlichen Überstellungen ist vor allem eine dringende Mahnung an die EU. Sie muss bei den Mitgliedsstaaten Druck machen, sodass Defizite in den Asylsystemen endlich beseitigt werden“, fordert Heveling. Das Dublin-System sei „geltendes europäisches Recht und muss schnellstmöglich wieder vollständig in Gang gesetzt werden“.

Alexandra Stiglmayer, die Chefanalystin des Migrationsforschungsinstituts Europäische Stabilitätsinitiative, ist skeptischer: „Wir rechnen nicht damit, dass es zu nennenswerten Überstellungen nach Griechenland kommt.“ Die Behörden seien jetzt schon überlastet und wären kaum in der Lage, Übernahmeersuchen schnell zu bearbeiten, sodass Schutzsuchende innerhalb der Sechsmonatsfrist aus ihren Wunschstaaten zurückgebracht werden könnten. „Es wäre auch nicht fair, einerseits Migranten aus Griechenland in andere Staaten umzusiedeln und ihnen andererseits über Dublin wieder irregulär Weitergereiste zurückzuschicken“, sagte Stiglmayer.

Im Laufe des vergangenen Jahres wurde in Griechenland erstmals ein funktionierendes Asylsystem aufgebaut, mit Registrierung und Identifizierung der Ankommenden, zudem haben sich die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen auf dem Festland deutlich verbessert, seitdem das UNHCR für die Unterbringung zuständig ist.

16.000 Flüchtlinge auf den griechischen Inseln

Weil die Zuwanderung über die Ägäis zwar drastisch reduziert werden konnte, aber auch in diesem Jahr laut Internationaler Organisation für Migration wieder 2800 Menschen über das Meer nach Griechenland fuhren, steht das griechische Asylsystem derzeit immer noch stark unter Druck. Auf den Inseln leben 16.000 Flüchtlinge, die sogenannten Hotspots sind doppelt überbelegt – auch weil die zugesagte Umverteilung auf die übrigen EU-Staaten kaum umgesetzt wird.

Eigentlich sollten Griechenland ab Dezember 2016 monatlich 2000 Migranten abgenommen werden, ab April 2017 sollten es 3000 sein. Bisher wurden lediglich rund 12.000 Füchtlinge aus den Hauptankunftsstaaten Griechenland und Italien umverteilt.

Jedenfalls würde die EU-Komission bei einem Wiederanstieg der Zuwanderung nach Griechenland die Angelegenheit neu überprüfen. Ziel ihrer Empfehlung sei es, so die Kommission, „Griechenland nicht eine untragbare Last aufzubürden, sondern sicherzustellen, dass das griechische Asylsystem angemessen funktioniert und Griechenland in das Dublin-System zurückkehrt“

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