19. Mai 2016 · Kommentare deaktiviert für „EU-Staaten: Umverteilung von Flüchtlingen stockt“ · Kategorien: Europa, Griechenland, Italien

Quelle: Spiegel Online

In Italien und Griechenland stauen sich die Flüchtlinge, und wieder enttäuschen die anderen EU-Staaten ihre südlichen Partnerländer: Bislang sind nur 1500 der versprochenen 160.000 Migranten mit Aussicht auf Asyl umverteilt.

Griechenland und Italien hoffen in der Flüchtlingskrise weiter vergeblich auf Entlastung. Nur 1500 Flüchtlinge wurden bislang aus den beiden Staaten in andere EU-Länder umverteilt, wie die EU-Kommission jetzt in Brüssel mitteilte. Sie hatte vor zwei Monaten 20.000 Umsiedlungen als Ziel bis Mitte Mai genannt.

Seit dem jüngsten Bericht von Mitte April wurden aber lediglich 355 weitere Asylbewerber aus den beiden Hauptzielländern in andere EU-Länder überführt. Das Versprechen, binnen zwei Jahren insgesamt 160.000 Migranten mit guten Chancen auf Asyl in anderen Länder zu bringen, datiert aus dem Spätsommer 2015: Damals hatten sich die EU-Staaten verpflichtet, diese Gesamtzahl aufzunehmen.

Laut EU-Kommission haben Österreich, Ungarn und die Slowakei bisher noch gar keine Plätze angeboten. Doch auch Deutschland hält sich nicht an die Vorgabe, alle drei Monate neue Plätze nach Brüssel zu melden und hat zudem bisher weniger als fünf Prozent der vereinbarten mehr als 27.000 Plätze zur Verfügung gestellt. Bisher sind erst 57 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien nach Deutschland umgesiedelt worden.

EU-Kommission: Griechenland steckt in „humanitärer Krise“

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos zeigte sich dementsprechend unzufrieden. Es müsse rasch auf die humanitäre Notlage in Griechenland reagiert und verhindert werden, dass sich die Situation in Italien verschlechtere, sagte Avramopoulos. Laut EU-Kommission sieht sich das Land, in dem sich aktuell 46.000 Asylbewerber befinden, einer „humanitären Krise“ gegenüber.

Die mit der Regierung in Ankara vereinbarte Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus der Türkei kommt laut EU-Kommission hingegen in Gang. Bisher seien 177 Syrer aus der Türkei in EU-Staaten aufgenommen worden, die meisten davon in Schweden, Deutschland und den Niederlanden. Im Gegenzug schickt die EU illegal eingereiste Migranten von den griechischen Inseln zurück in die Türkei. Bei weiteren 723 Flüchtlingen lägen Genehmigungen vor, sie warteten derzeit auf die Einreise in sieben verschiedene EU-Staaten.

Allerdings bleiben auch hier die tatsächlichen Zahlen bislang hinter den Vereinbarungen zurück: Im Rahmen des Flüchtlingsabkommens mit Ankara haben sich bislang 19 EU-Staaten zur Aufnahme von Syrern aus der Türkei bereit erklärt. Es lägen aus der EU sowie aus einem assoziierten Land Zusagen für fast 12.200 Flüchtlinge vor, so die EU-Kommission. Zwischen Mai und Juli würden 1900 Syrer aus der Türkei auf legalem Weg in die EU einreisen können, so die Prognose.

Die Türkei hatte sich im März verpflichtet, alle neu ankommenden Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurückzunehmen. Die EU sagte ihrerseits zu, für jeden so abgeschobenen Syrer einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei aufzunehmen. Ziel ist es, die Einreise über kriminelle Schleppernetzwerke zu unterbinden.

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siehe auch: FAZ

Bericht der EU-Kommission: Verteilung der Flüchtlinge verläuft schleppend

Bis Mitte Mai hätten 20.000 Flüchtlinge von Griechenland und Italien auf Europa verteilt werden sollen. Tatsächlich sind bisher nur 1500 Personen ausgereist. Der EU-Innenkommissar ermahnt die Mitgliedstaaten, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

von Michael Stabenow, Brüssel
Die vereinbarte Umverteilung und Neuansiedlung von Flüchtlingen in der EU kommt weiter nur schleppend voran. Von knapp 100000 in Italien und Griechenland angelangten Flüchtlingen, die entsprechend einem 2015 von den EU-Innenministern mehrheitlich gefassten Beschluss innerhalb von zwei Jahren verteilt werden sollen, haben sich bisher nur 1500 in anderen Staaten niedergelassen. Günstiger verläuft die Entwicklung, wie aus einem am Mittwoch von der Europäischen Kommission veröffentlichten Bericht hervorgeht, bei der Neuansiedlung vor allem syrischer Flüchtlinge, die sich in Jordanien, der Türkei oder dem Libanon befinden und vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen anerkannt wurden. So hatten sich 16 EU-Staaten im Juli 2015 zur Übernahme von 22504 Flüchtlingen verpflichtet. 6321 seien bis Mitte Mai eingetroffen.

Innenkommissar Dimitris Avramopoulos zeigte sich insgesamt enttäuscht. Mitte März sei das Ziel vorgegeben worden, bis Mitte Mai mindestens 20000 Flüchtlinge umzuverteilen. Tatsächlich habe sich zuletzt die Zahl der aus Griechenland und Italien in andere EU-Länder legal ausgereisten Flüchtlinge nur um 355 auf nun 1500 erhöht. Griechenland, das derzeit 46000 Asylbewerber mehr schlecht als recht beherberge, stehe vor einer humanitären Krise. Avramopoulos ermahnte insbesondere Staaten wie Ungarn, Polen, die Slowakei und Tschechien, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

In ihrem Bericht verweist die Kommission auch auf ermutigende Entwicklungen. So seien in Österreich 1443 von 1900 Flüchtlingen eingetroffen, zu deren Aufnahme sich Wien verpflichtet hatte. An zweiter Stelle folgt Dänemark, das 1000 Flüchtlingen eine Bleibe zugesagt und inzwischen 481 aufgenommen hat. Auf Deutschland entfällt ein Anteil von 1600 Flüchtlinge; es hat bisher 54 aufgenommen. Dabei handelt es sich um Syrer, die gemäß der Mitte März zwischen der EU und der Türkei getroffenen Vereinbarung einreisen konnte.

Das Abkommen sieht vor, dass für jeden irregulär auf die griechischen Inseln gelangten und in die Türkei zurückgeschickten Flüchtling ein syrischer Flüchtling legal im Verhältnis eins zu eins in ein EU-Land ausreisen kann. Seit Anfang April haben sich erst 177 Flüchtlinge dementsprechend in insgesamt fünf EU-Staaten angesiedelt. Die Kommission rief die EU-Partner am Mittwoch abermals zu mehr Aufnahmebereitschaft auf. „Wir haben jetzt dem Geschäftsmodell der Schlepper den Boden entzogen. Aber dieser Erfolg wird nur von Bestand sein, wenn sich auch für Asylsuchende ein legaler Weg öffnet“, sagte Avramopoulos.

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