03. Mai 2016 · Kommentare deaktiviert für „Mazedonien: Ein Deal und seine Folgen“ · Kategorien: Balkanroute, Mazedonien

Quelle: derStandard

Die Grenzschließung hat die Position der mazedonischen Regierung in der EU gestärkt

von Adelheid Wölfl

„Mazedonien verteidigt Europa vor sich selbst“, meint der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov, wenn es um die Rolle des Balkanstaats in der Flüchtlingskrise geht. Er beklagte sich mehrmals, dass die EU Skopje zu wenig Geld für das Flüchtlingsmanagement gäbe. Neben technischer Hilfe an der Grenze sind noch ein paar EU-Beamte vor Ort – unter anderem Österreicher. Das große Geld – wie für die Türkei – gab es nicht.

Dennoch: Wenn man Diplomaten aus der EU fragt, ob die Flüchtlingskrise Einfluss auf die mazedonische Regierung und ihr Agieren in der derzeitigen Staatskrise hatte, nicken alle. Und dann schweigen sie meistens. Das Thema ist sehr unangenehm. Die mitteleuropäischen Staaten Österreich, Slowenien und Kroatien haben schließlich einen Deal mit Mazedonien geschlossen. Und dieser Deal hat zur Folge, dass die Grenze zu Griechenland halbwegs dichtgemacht wurde und viel weniger Flüchtlinge nach Mitteleuropa kommen. Der Deal hat aber auch indirekte Auswirkungen.

Starke Rolle

Dadurch, dass Mazedonien das Schlüsselland bei der Schließung der Balkanroute war, wurde die Verhandlungsposition der Regierung gestärkt. Wenn der Deal mit der Türkei in der Flüchtlingskrise zur Achillesferse der deutschen Regierung wurde, so ist es der Deal mit Mazedonien für die Mitteleuropäer. Denn die mazedonische Regierung ist, wenn es um Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit geht, ähnlich problematisch wie die Türkei.

Die Regierungspartei VMRO-DPMNE verwendet die Flüchtlingskrise als ein Argument, um für ihre Politik zu werben. Die nationalkonservative VMRO-DPMNE ist zudem mit der Europäischen Volkspartei (EVP) assoziiert, und von dort kam es in den letzten Monaten zu Interventionen zugunsten der VMRO.

Unterstützung bekommt die VMRO auch von der Visegrád-Gruppe (besonders von Ungarn) und von Bulgarien. Beim heutigen Treffen der Visegrád-Gruppe in Prag wird Mazedonien sicherlich auch ein Thema sein. Denn der Deal mit Mazedonien gewinnt nun angesichts der jüngsten Aktionen in Skopje weiter für die EU an Brisanz. Ivanov, der der VMRO nahesteht, hat mit der Begnadigung von verdächtigen Politikern die Bemühungen der EU, mehr Rechtsstaatlichkeit einzuführen, ad absurdum geführt. Die betroffenen Politiker – etwa der Chef der VMRO Nikola Gruevski, Expolizeiministerin Gordana Jankulovska und Geheimdienstchef Saso Mijalkov – stehen im Mittelpunkt von Affären, wo es um Korruption, Amtsmissbrauch und Wahlbetrug geht. Für diese Politiker geht es ums politische Überleben.

Deutschland gegen Amnestie

Während der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte, dass Ivanov mit seiner Amnestie „rechtsstaatliche Standards und den Rechtsfrieden“ beschädige, heißt es im Wiener Außenamt nur, man „unterstütze“ die Bemühungen von Kommissar Hahn, den innenpolitischen Konflikt zu lösen. Bezüglich der Balkanroute heißt es in Wien, es „sei das Recht eines souveränen Staates, seine Grenzen zu schützen“.
Einen Tag nachdem Ivanov die Amnestie erlassen hatte, kamen zudem der slowenische Präsident Borut Pahor und seine kroatische Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic nach Skopje und hielten Ivanov demonstrativ die Hände. Auch Slowenien und Kroatien war die Schließung der Balkanroute ein großes Anliegen.

Der Präsident des Europäischen Rats Donald Tusk warnte nach der Amnestie immerhin, dass Mazedonien seine euroatlantische Zukunft aufs Spiel setze. Im März, als es zur Schließung der Balkanroute kam, sagte er, dass die Einbeziehung in der Migrationskrise notwendig wäre, auch wenn das kontroversiell betrachtet würde. „Die Kooperation mit unseren balkanischen Partner wie Mazedonien ist nicht einfach“, räumte er ein.

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