22. Januar 2016 · Kommentare deaktiviert für „Auf dem Balkan lieben sie Deutschlands offene Grenze“ · Kategorien: Balkanroute, Kroatien, Österreich, Serbien, Slowenien · Tags:

Quelle: Die Welt

Ändern Österreich und Deutschland ihre Flüchtlingspolitik, hat das Auswirkungen auf die Balkanstaaten. Mazedonien reagierte sofort, Slowenien debattiert noch. Sind am Ende alle Grenzen geschlossen?

Noch war die Obergrenze für Flüchtlinge in Österreich gar nicht beschlossen, da kam auf dem Balkan schon die erste Reaktion. Mazedonien schloss schon am Dienstagabend seinen Flüchtlingsübergang zu Griechenland; um die 350 Menschen mussten bei eiskalten Temperaturen in ungeheizten Bussen ausharren. „Eine Panne bei der Eisenbahn in Slowenien“, begründete das Innenministerium in Skopje – dem wurde von der slowenischen Bahn aber widersprochen.

„Eigentlich hätten wir erwartet, dass die Grenze sich dann wieder öffnet“, sagte Stella Nanou vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen in Griechenland. Aber das geschah nicht. Es schneite, die Temperaturen lagen weit unter null Grad. „Glücklicherweise hat die griechische Polizei reagiert und das eigentlich geschlossene Lager im Grenzort Idemoni wieder eröffnet“, so Nanou. Dramatische Szenen blieben aus. Wegen des schlechten Wetters in der Ägäis warteten nur etwa 600 Menschen auf den Einlass nach Mazedonien, die meisten von ihnen Syrer. Schließlich wurde die Grenze so unerwartet wieder geöffnet, wie sie zuvor geschlossen worden war.

Wann immer ein skandinavisches Land oder eines der beiden Schlüsselländer Österreich und Deutschland sein Grenzmanagement ändert oder sich eine Änderung auch nur andeutet, reagieren die Balkanstaaten sofort. „Wir wollen nicht Hotspot werden“: Der Spruch des slowenischen Regierungschefs Miro Cerar ist zwischen Ljubljana und Skopje immer wieder zu hören. Ändern Österreich oder Deutschland ihre Flüchtlingspolitik oder legen Obergrenzen fest, müssen Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien sich dieser Politik annähern. Sonst wären die Balkanstaaten, alle kleiner als Österreich, binnen Tagen überfordert. Slowenien und Mazedonien haben je zwei, Kroatien hat viereinhalb und Serbien sieben Millionen Einwohner.

Das erste Mal trat der „Domino-Effekt“ im November ein. Auf das bloße Gerücht hin, Slowenien wolle künftig nur noch Syrer, Iraker und Afghanen durchlassen, stießen Kroatien, Serbien und Mazedonien ins gleiche Horn. Und mit nur einem Tag Verzögerung folgten alle Balkanstaaten Anfang Januar der deutschen Entscheidung, zumindest offiziell keine nach West- oder Nordeuropa durchreisenden Flüchtlinge mehr ins Land zu lassen.

Die liberale Regierung in Ljubljana sieht sich mit einer skeptischen Stimmung in der Bevölkerung konfrontiert, sympathisiert aber mit dem liberalen Grenzregime in Deutschland und Österreich. Nach der Entscheidung in Wien, eine Obergrenze einführen zu wollen, attackierten die rechten Parteien die Regierung mit scharfen Worten: Slowenien sei in seiner Existenz bedroht, tönte Oppositionsführer Janze Jansa. Sei die österreichische Quote von 37.500 Menschen in wenigen Monaten erreicht, blieben die Zurückgewiesenen alle in Slowenien. Innenministerin Vesna Gjerkes Znidar versuchte zu beruhigen: Es gebe ja noch Deutschland. Und dass Berlin die Grenzen schließe, sei unwahrscheinlich.

Slowenien spielt Schlüsselrolle

Während auf offener Bühne gestritten wird, spielt der slowenische Regierungschef Cerar hinter den Kulissen eine Schlüsselrolle. Nach seinem Besuch bei seiner deutschen Kollegin Angela Merkel vorige Woche schrieb er allen seinen EU-Kollegen einen Brandbrief: Alle Staaten auf der Balkanroute trügen eine „immense Last“. Eilige Interpreten in Belgrad und Zagreb machen daraus einen „Plan“: Angeblich seien Berlin und Wien übereingekommen, ganz Griechenland zum „Hotspot“ für Flüchtlinge zu machen und dem Land dafür in der Schuldenkrise weit entgegenzukommen.

Die vorübergehende Grenzschließung in Mazedonien passt da ins Bild, denn das Land steht im Bann einer für April geplanten Neuwahl. Die Entscheidungen trifft noch immer der starke Mann des Landes, Nikola Gruevski, der vorige Woche formal als Regierungschef zurücktrat. Seine Beziehungen zu den großen EU-Staaten sind allerdings so gespannt, dass ein flüchtlingspolitischer Masterplan kaum eine Chance hätte.

In Kroatien und Serbien immerhin blieb zunächst alles unverändert. „Die Flüchtlinge sind wie immer mit dem Zug nach Slavonski Brod gebracht, dort registriert und dann mit dem Zug weiter nach Dobova in Slowenien gefahren worden“, sagte Jan Kapic vom Flüchtlingshilfswerk in Zagreb. Und in Serbien stehen ebenfalls Neuwahlen an. In beiden Ländern bekommt die Bevölkerung von der Krise kaum etwas mit: Die Flüchtlinge reisen in Bussen oder Zügen in wenigen Stunden von Grenze zu Grenze – solange sie eben offen bleiben.

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