Quelle: movements
Einleitung zur zweiten Ausgabe
von Ilker Ataç, Stefanie Kron, Sarah Schilliger, Helge Schwiertz, Maurice Stierl
Spätestens seitdem die ungarischen Behörden im August 2015 den internationalen Zugverkehr am Budapester Ostbahnhof vorübergehend einstellten und tausende gestrandete Geflüchtete dort mehr oder weniger ihrem Schicksal überließen, erreichen uns täglich unzählige beeindruckende wie auch höchst verstörende Bilder: Geflüchtete, die sich zu hunderten entlang von Autobahnen und Bahngleisen zu Fuß durch Ungarn, Österreich, Deutschland und Dänemark bewegen, weil internationale Zug- und Busverbindungen gestoppt wurden; eine überwältigende grenzüberschreitende Hilfsbereitschaft von engagierten Menschen, die Flüchtenden Mitfahrgelegenheiten anbieten, sie an Bahnhöfen empfangen und versorgen oder Hilfskonvois nach Ungarn, Kroatien, Griechenland und Mazedonien organisieren; aber auch prügelnde Grenzbeamt_innen, hetzende Nazis, grölende ‚besorgte Bürger‘ und brennende Geflüchtetenunterkünfte. Während dieses „langen Sommers der Migrationen“ (Kasparek/Speer 2015) geriet der Schengen-Raum sowie das gesamte Projekt der EU in eine schwere Krise, was sich nicht zuletzt in der Wiedereinführung von Kontrollen an den deutschen, österreichischen, niederländischen und dänischen Grenzen zeigte. Zudem wurde das Dublin-System de facto außer Kraft gesetzt. Die Kämpfe der Migration gewannen dabei täglich an Dynamik. Es gelang, durch die Märsche und das Ringen um Bewegungsfreiheit die Widersprüche des europäischen Grenzregimes zum Vorschein zu bringen und selbstbestimmte Mobilität durchzusetzen.