18. Januar 2016 · Kommentare deaktiviert für „Gestrandet zwischen Deutschland und Slowenien“ · Kategorien: Balkanroute, Deutschland, Österreich, Slowenien

Quelle: der Standard

Nach der ÖVP verschärft auch die SPÖ beim Asylthema den Tonfall. Wie aber funktionieren derzeit die Kontrollen? Und was passiert mit jenen, die Deutschland nicht nimmt? Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Frage: Werner Faymann hat einen „Neustart“ bei der Kontrolle an den Grenzen angekündigt. Gibt es derzeit viele Flüchtlinge, die ohne Kontrolle einreisen können?

Antwort: Eigentlich nicht. Seit 20. Oktober 2015 gibt es eine mit Slowenien abgestimmte Vorgangsweise. Die slowenischen Behörden nehmen also die Registrierung der Flüchtlinge vor (auch 15 heimische Beamte sind dort im Einsatz). Österreich übernimmt nur Menschen, die eine Bestätigung des Nachbarlandes haben. Diese werden dann nochmals stichprobenartig kontrolliert. Pro Tag kommen in Villach drei Sonderzüge an, dazu kommen viermal am Tag acht bis zehn Busse. Aktuell kommen laut Kärntner Polizei zwischen 2000 und 3000 Menschen pro Tag nach Österreich. Die meisten wollen weiter, im Schnitt beantragt ein Zehntel bei uns Asyl.

Frage: Was soll sich also ändern?

Antwort: Klar scheint: Menschen, die nicht in Österreich oder Deutschland, sondern beispielsweise in Schweden Asyl beantragen wollen, sollen nicht mehr weitertransportiert werden. Deutschland weist solche Menschen, wie berichtet, seit Jahresbeginn an der deutsch-österreichischen Grenze ab. An manchen Tagen waren es bis zu 200, am Sonntag laut dem zuständigen oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober (Grüne) 66. Insgesamt schätzt das Innenministerium, dass bisher rund 2000 Flüchtlinge nicht von Deutschland übernommen wurden.

Frage: Wo sind diese Menschen nun?

Antwort: So genau weiß das niemand. In die Grundversorgung kommt man nur, wenn man hier einen Asylantrag stellt – was bisher offenbar nicht viele dieser Gruppe gemacht haben. Die meisten versuchen also, die Weiterreise selbst zu organisieren. Anschober berichtet, dass manche schon fünfmal von den Deutschen zurückgewiesen wurden und es immer wieder probieren. „Es gibt nur eingeschränkte Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden, sie unter Aufsicht zu behalten“, heißt es im Innenministerium. Auch Slowenien nimmt diese Menschen nicht zurück.

Frage: Aber gab es nicht auch Zurückweisungen nach Slowenien?

Antwort: Ja, seit Weihnachten wurden ungefähr 3000 Leute zurückgewiesen, weil offensichtlich falsche Angaben zur Identität oder Nationalität gemacht wurden. Hier arbeiten die Behörden mit Dolmetschern. Allerdings: Korrigiert der Flüchtling seine Angaben und Slowenien stellt eine neue Registrierungsbestätigung aus, ist auch ein neuerlicher Einreiseversuch nach Österreich möglich. In Regierungskreisen heißt es jedenfalls, dass man künftig noch genauer darauf achten wolle, ob gefälschte Dokumente verwendet wurden und ob der Flüchtling auch kooperationswillig ist.

Frage: Wie lange läuft der Assistenzeinsatz an der Grenze noch?

Antwort: Bis 15. Februar, aber er dürfte beim Asylgipfel diese Woche wohl neuerlich verlängert werden. Abgesehen von den Kontrollen bei den Flüchtlingstransporten führt die Polizei auch jetzt stichprobenartige Kontrollen auf den Straßen durch.

Frage: Kommen noch immer primär Afghanen, Syrer und Iraker?

Antwort: Angesichts der Flut an Registrierungsbestätigungen gibt es in Kärnten noch keine aktuelle Auswertung. Von jenen 3000, die nach Slowenien zurückgeschickt wurden, sollen aber 500 aus nordafrikanischen Ländern kommen. Aus dem Salzburger Transitquartier auf dem früheren Asfinag-Gelände berichtete der Leiter der freiwilligen Helfer, Karl Heinz Müller, am Montag, dass die Zahl der Nordafrikaner stark sinke. Nur mehr zwei Prozent kämen aus Algerien, Marokko und der Westsahara, was er begrüße, da es vor allem mit Marokkanern immer wieder Probleme mit Drogen, Alkohol und anderen Delikten gegeben habe.

Frage: Was ist nun mit der vieldiskutierten Obergrenze?

Antwort: Selbst in der ÖVP räumt man ein: Eine absolute Obergrenze per Gesetz zu verankern ist rechtlich nicht möglich. Darauf wies am Montag auch der Präsident des Europäischen Gerichtshofes hin. Es geht also auch hier vor allem um ein politisches Signal. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner brachte auch „Transitzonen“ oder „Pufferzonen“ an den Grenzen ins Spiel. Wenn also im Land keine Kapazitäten vorhanden sind, sollen Flüchtlinge dort auf die Einreise warten. Völlig unklar ist aber, wie die Umsetzung dieses Vorschlags aussehen soll, schließlich würde sie das Quartierproblem nur an den Grenzraum verschieben.

Frage: Eine weitere Phrase lautet: Wirtschaftsflüchtlinge sollen rascher abgeschoben werden. Wie soll das umgesetzt werden?

Antwort: Auch das ist völlig unklar. Bekannt ist nur, dass ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, um zu prüfen, ob schon Entscheidungen an der Grenze möglich sind. Ob jemand Anspruch auf Asyl hat, kann freilich erst im Zuge eines Verfahrens geklärt werden. Solche Entscheidungen dauerten bisher – im besten Fall – einige Monate, oft auch Jahre. Und selbst bei rechtskräftig negativ beschiedenen Asylanträgen ist eine Abschiebung oft schwierig, weil es nicht mit allen Ländern Rückführabkommen gibt.

Frage: Gibt es Hinweise, dass Deutschland endgültig die Grenzen dichtmachen könnte?

Antwort: Derartige Gerüchte gibt es immer wieder. Im Innenministerium geht man allerdings weiterhin davon aus, dass die Deutschen auch in Zukunft Flüchtlinge aufnehmen werden. Auch Oberösterreichs Landesrat Anschober meint, es gebe keine Hinweise aus Deutschland in Richtung Aufnahmestopp. Es gebe allerdings sehr wohl einen „Plan B“ für diesen Fall.

Frage: Werden Deutschland, Österreich und Slowenien die Zusammenarbeit noch ausbauen?

Antwort: Dazu wurde zumindest eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Feste Zusagen will man im deutschen Innenministerium aber noch nicht machen. „Es hat erste Telefongespräche gegeben, aber ein konkretes Konzept liegt dem Bundesministerium für Inneres nicht vor“, sagt Tobias Plate, der Sprecher des deutschen Innenministers, Thomas de Maizière (CDU). Grundsätzlich werde sich das Ministerium aber „mit allen Konzepten und Ideen“, die aus Österreich herangetragen werden, befassen. Plate erklärte auch, dass sich bereits elf deutsche Bundespolizisten an der slowenischen EU-Außengrenze befinden.

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