Quelle: Deutschlandfunk
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik in einem ZDF-Interview verteidigt. Heribert Prantl, Innenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung, sprach im DLF von „einer Politik der gespaltenen Zunge“ der Kanzlerin: „Jeder weiß, dass sie die Lage nicht im Griff hat.“
Heribert Prantl im Gespräch mit Christine Heuer
Christine Heuer: Über den Auftritt der Kanzlerin heute Abend im ZDF möchte ich jetzt mit Heribert Prantl sprechen, Innenpolitik-Chef bei der Süddeutschen Zeitung. Guten Abend, Herr Prantl.
Heribert Prantl: Guten Abend, Frau Heuer.
Heuer: Wie hat Angela Merkel auf Sie gewirkt?
Prantl: Es war ein bemerkenswerter Auftritt. Es war ein Auftritt, der mich irgendwie an Helmut Kohl erinnerte. Alles, was sie sagte, widersprach den Fakten. Sie sagt, die Bundeskanzlerin hat die Lage im Griff; jeder weiß, dass sie sie nicht im Griff hat. Sie leugnet das Tohuwabohu in der Union. Sie erklärt schlichtweg die abweichenden Positionen, die es in der Partei zuhauf gibt, für ihre eigenen. Der Innenminister kehrt zurück zu Dublin. Es passt überhaupt nicht zu ihrer politischen Linie. Sie sagt, das ist genau das, was ich will.
Der Innenminister will den Familiennachzug der Syrer stoppen; Sie sagt, genau das will ich auch. Der Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge soll in der bisherigen Form entfallen; Sie erklärt das für in Ordnung, obwohl es im Sinne ihrer angeblichen Politik überhaupt nicht in Ordnung ist. Es ist eigentlich ein, die Lateiner würden sagen, ‚Protestatio facto contraria‘. Sie erklärt etwas, was mit den Realitäten überhaupt nicht übereinstimmt, macht es aber mit einem solchen Selbstbewusstsein, ja einer Chuzpe, dass es schon wirklich erstaunlich ist.