17. September 2015 · Kommentare deaktiviert für EU-Militärmission im Mittelmeer: Zivile und militärische Sicherheitsbehörden sollen Personendaten austauschen · Kategorien: Mittelmeer · Tags: , ,

Quelle: Netzpolitik.org

von Matthias Monroy

Ende Juni hatten die Regierungen der 28 EU-Mitgliedstaaten den Start der militärischen Mission EUNAVFOR MED im Mittelmeer beschlossen. Ziel ist das Aufspüren der Netzwerke von kommerziellen Fluchthelfern, die in entsprechenden Dokumenten gewöhnlich als „Schlepper“ und „Schleuser“ bezeichnet werden. EUNAVFOR MED untersteht dem Auswärtigen Dienst in Brüssel, der für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik zuständig ist.

Die Mission wird als Teil einer „Gesamtinitiative der EU zur Unterbindung des Geschäftsmodells der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke im südlichen und zentralen Mittelmeer EU“ bezeichnet. Bislang befand sich EUNAVFOR MED in „Phase 1“, Ziel war die Erstellung eines Lagebildes mithilfe fliegender Seeaufklärer und mit Kriegsschiffen aus Frankreich, Spanien, Deutschland und Luxemburg. Seit Ende Juni beteiligt sich die deutsche Marine mit der Fregatte „Schleswig-Holstein“ und dem Tender „Werra“. Angeführt wird die Mission vom italienischen Flugzeugträger „Cavour“ mit zwei eingeschifften Hubschraubern.

Die italienische Luftwaffe setzt nach Medienberichten zur Aufklärung ihre in den USA gekauften, unbewaffneten Drohnen vom Typ „Predator“ ein. Ein französisches Flugzeug ist vor libyschen Küsten unterwegs, um mit Radartechnologie verdächtige Aktivitäten aufzuklären. Großbritannien beteiligt sich mit einem „Mehrzweckschiff“ HMS Enterprise und einem auf Malta stationierten Hubschrauber, Luxemburg entsendet einen Seefernaufklärer. Die italienische Regierung hat außerdem die Entsendung eines U-Bootes zugesagt, ein weiteres soll aus Griechenland in See stechen.

Bundeskabinett beschließt Übergang zur „Phase 2/1“

Gestern hat das Bundeskabinett den Übergang zur „Phase 2/1“ beschlossen. Nun sollen auf hoher See Schiffe angehalten, durchsucht und gegebenenfalls beschlagnahmt werden. Dies wäre nach dem Seerechtsübereinkommen zulässig, wenn ein Schiff keine Staatszugehörigkeit besitzt. Führt das Schiff aber eine Flagge, muss vor jeder militärischen Zwangsmaßnahme eigentlich die Zustimmung des Flaggenstaats eingeholt werden. Vermutlich geht es aber vielmehr um Zwangsmaßnahmen gegen kleine Schiffe und Schlauchboote, die flaggenlos unterwegs sind.

Zum Einsatzgebiet von „Phase 2/1“ gehören das „mittlere und südliche Mittelmeer“ sowie der entsprechende Luftraum. Gemeint sind die Meeresgebiete südlich Siziliens sowie vor der Küste Libyens und Tunesiens. Während zu Tunesien keine Angaben zu Operationen in Hoheitsgewässern gemacht werden, soll die Mission nur bis 25 nautische Meilen vor den Territorialgewässern Libyens erlaubt sein.

Anvisiert ist in einer späteren „Phase 2/2“, in den Hoheits- und Küstengewässern Libyens oder anderer Staaten zu operieren. Hierfür wäre die Zustimmung der jeweiligen Regierung oder des UN-Sicherheitsrates erforderlich. „Phase 3“ könnte schließlich den Einsatz von Bodentruppen in Libyen ermöglichen, in einer derzeit utopischen „Phase 4“ würde die komplette Mission schließlich an libysche Militärs abgegeben.

Bundestag soll 42,3 Millionen Euro beschließen

Der Übergang zur „Phase 2/1“ soll nun vom deutschen Bundestag beschlossen werden. Bis zu 950 SoldatInnen und Soldaten könnten eingesetzt werden, was eine deutliche Zunahme der bislang rund 350 Militärs zur Folge hätte. In nicht näher erläuterten „Notsituationen“ soll eine weitere Steigerung möglich sein. Die Mission ist zunächst bis zum 31. Oktober 2016 befristet. Die Kosten für die deutsche Beteiligung an EUNAVFOR MED werden bis dahin mit rund 42,3 Millionen Euro angegeben.

Das militärische Personal soll aber nicht nur Schiffe beobachten und gegebenenfalls entern und durchsuchen. Geplant ist auch, die Daten aller an Bord genommenen Personen zu erheben und zu speichern. Dabei handelt es sich um Geflüchtete und deren mutmaßliche HelferInnen gleichermaßen.

Ziel ist die „Identifizierung besagter Personen“. Außer den Fingerabdrücken und Angaben zur Person und Staatsangehörigkeit werden Beruf, Führerscheine sowie alle Daten mitgeführter Identitätsdokumente und Reisepässe gespeichert.

„Feldnachrichtentruppe“ und „Unterstützungselement Militärisches Nachrichtenwesen“

Erst kürzlich hatte die Bundesregierung mitgeteilt, dass schon jetzt alle an Bord genommenen Geflüchteten zu Transitrouten und HelferInnen ausgefragt werden. Die Befragungen können zwar verweigert werden, doch dürften viele der Befragten wegen vermuteter Nachteile im späteren Asylverfahren davon keinen Gebrauch machen. Vor jeder Befragung müssten die Betroffenen eigentlich belehrt werden, dass sie sich nicht selbst belasten müssen. Denn Behörden leiten Ermittlungsverfahren ein, wenn Geflüchtete Boote gesteuert haben und dafür weniger Geld für die Überfahrt bezahlen mussten.

Die Bundeswehr hat mit den Befragungen eine „Feldnachrichtentruppe“ beauftragt. Auch der Bundesnachrichtendienst beteiligt sich mit einem „Unterstützungselement Militärisches Nachrichtenwesen“. Inwiefern dort Personendaten erhoben und verarbeitet werden, war aber unklar. Auch war unbekannt, welche Nachrichtendienste und Polizeien gemeinsame Dateien führen. In Medienberichten ist hierzu von einem „gemeinsamen Informationspool“ die Rede.

Konkreter wird die Bundesregierung nun zu den Modalitäten für die „Phase 2“. Demnach sollen die erhobenen Daten zu Personen und von ihnen benutzten „Schiffen und Ausrüstungen“ an die einschlägigen Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten weitergeleitet werden. Auch „die zuständigen Stellen der Union“ würden beliefert. Zwar wird diese nicht direkt benannt, doch dürfte es sich dabei um die Polizeiagentur Europol handeln, die selbst mit zwei maritimen Lagezentren in Den Haag und Catania/ Sizilien Netzwerke von „Schleusern“ ermitteln will. Unter Mitarbeit des Bundeskriminalamtes nutzt Europol hierfür vor allem Finanzermittlungen.

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