28. August 2015 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlingstragödie im Burgenland: Die Gewalt zieht in die EU-Festung ein“ · Kategorien: Deutschland, Österreich · Tags: , ,

Quelle: Telepolis

von Florian Rötzer

Nicht nur an den Außengrenzen mehren sich die Toten der gescheiterten Flüchtlingspolitik, in Deutschland gab es den ersten Brandanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft

War die Rede zuerst von bis zu 50 Flüchtlingen, die im Laderaum eines in Ungarn zugelassenen Kühl-LKWs auf der Ostautobahn im Bezirk Neusiedl tot aufgefunden gefunden wurden, so wurden nach Angaben der Polizei nun 71 Tote gefunden, 59 Männer, 8 Frauen und 4 Kinder, die vermutlich erstickt sind. Ein syrischer Ausweis wurde gefunden. Es seien drei mutmaßliche Schlepper, ein Ungar und zwei Bulgaren, darunter der Fahrzeughalter, in Ungarn festgenommen worden. Die Polizei geht davon aus, dass sie auch die beiden Fahrer erwischt hat, bei den mutmaßlichen Tätern handele es sich aber um eine untere Ebene der Organisation.

Aufmerksam wurde ein Autofahrer, weil aus dem Kühlwagen bereits Verwesungsflüssigkeit austrat, dieser also schon länger dort stehen musste. Am 26. August soll der LKW noch in Budapest gesehen worden sein. Wahrscheinlich waren die Menschen schon tot, als der LKW die Grenze passiert hatte.

Auch auf dem Mittelmeer gibt es ein neues Flüchtlingsdrama. Ein mit 400 Flüchtlingen beladenes Boot ist vor der Küste Libyens gekentert. Vermutlich sind 200 Menschen ertrunken, die Hälfte konnte gerettet werden. Die Zahl der Toten vor und in der Festung Europa nimmt zu. Politiker geben sich vor allem angesichts der Toten in Österreich entsetzt, denn damit ist der Tod in die Festung eingedrungen und geschieht nicht mehr fern auf dem Meer und außerhalb Europas. Als im April 800 Menschen im Mittelmeer ertranken, wurde schon einmal große Betroffenheit gezeigt, geschehen ist seitdem wenig.

Man zeigt freilich dabei nicht auf die eigene Politik, sondern lastet die Katastrophe den kriminellen Taten von skrupellosen Schleppern an – wohl wissend, dass diese nicht die Menschen, die nach Sicherheit und einem besseren Leben suchen, ausbeuten und gute Geschäfte machen könnten, wenn Asylbewerber von allen EU-Staaten aufgenommen und andere Flüchtlinge legale Möglichkeiten hätten, in die EU einzureisen. So können Schlepper die Not und Verzweiflung der Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, ausnutzen und sie schlimmer wie Vieh auf Boote und in Lastwagen quetschen, um die Grenzen passieren zu können.
Schleppern die „Geschäftsgrundlage“ durch legale Einreisemöglichkeiten entziehen

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der konservativen ÖVP sieht sich offenbar nicht mehr in der Lage, die Schuld alleine den Schleppern zuzuschieben. Gestern noch hatte erklärt, dass nun alle Züge „lückenlos“ und der Bereich an der Grenze zu Ungarn schärfer kontrolliert würden. Die Ermittlerteams gegen Schlepper sollten aufgestockt, die Strafen verschärft werden. Es ging nur um die übliche Abwehr, die allerdings dazu führt, dass Flüchtling desto eher die Dienste der Schlepper in Anspruch nehmen, je geringer die Chancen sind, ohne diese ins Land zu kommen. Zudem sagte sie: „Es müssen auch Anlaufstellen an den EU-Außengrenzen geschaffen werden, damit Flüchtlinge Schutz finden und gerecht aufgeteilt werden können. Die innereuropäische Schlepperei muss so rasch wie möglich ein Ende finden.“

Mikl-Leitner fordert nun auch Möglichkeiten der legalen Anerkennung als Flüchtlinge, da ansonsten diese gezwungen seien, die Dienste von Schleppern anzunehmen. Schon vor einiger Zeit hatte der Bürgermeister von Palermo, der große Erfahrungen im Kampf mit der Mafia hat, die derzeitige Situation mit der Prohibition in den USA verglichen. Das Alkoholverbot habe damals ähnlich die Herausbildung der Mafia und einer brutalen organisierten Kriminalität verursacht, wie heute die geschlossenen Grenzen eine Mafia entstehen lassen (Migration: „Wir haben ein System geschaffen, das nur das organisierte Verbrechen stärkt“).

Wenn Hunderte von Menschen auf kleinen Booten oder Dutzende in Laderäumen von LKWs eingepfercht werden und deren Tod zur Profitmaximierung in Kauf genommen wird, dann müssen sich endlich auch die politisch für die geschlossene Festung Verantwortlichen fragen, was sie zu diesen Zuständen beitragen, indem sie vor allem die Grenzen hochziehen und ansonsten die Überforderung durch die Aufnahme der Flüchtlinge beklagen, womit sie direkt oder indirekt in die Hände der Rechten und derjenigen spielen, die vor einer „Überfremdung“ Angst haben oder die schlicht Rassisten sind.

Mikl-Leitner wiederholte im ORF gestern erneut den Vorschlag, an den Außengrenzen „Anlaufstellen“ einzurichten, sagte aber auch, es müssten „legale Wege nach Europa“ geschaffen werden. Dazu sollte das UN-Flüchtlingshochkommissariat Zentren „in Krisenregionen“ einrichten, die eben dies ermöglichen. Und sie forderte auch erneut, dass Flüchtlinge fair auf die EU-Mitgliedsländer verteilt werden müssten. Das allerdings ebenso wie die deutsche Regierung erst, nachdem nicht mehr nur Griechenland und Italien mit dem Problem konfrontiert sind.

Mit ihren Vorschlägen will die Innenministerin „den Schleppern die Geschäftsgrundlage“ entziehen, wobei nicht nur die Schlepper, sondern auch die „Terroristen, vor denen die Menschen fliehen“, Schuld an der Tragödie im Burgenland seien. An die Mitschuld Europas und der USA an den Zuständen im Irak und in Syrien will sie allerdings wie die meisten EU-Politiker nicht rühren. Dazu wird beredt geschwiegen.
Terror von innen

Zu den kriminellen Schleppern kommen nun kriminelle Rechtsextremisten, die immer dreister Flüchtlingsunterkünfte angreifen. Bislang wurden in der Regel noch Häuser angegriffen und in Brand gesetzt, in die erst noch Flüchtlinge einziehen sollten, gestern wurde aber heute um zwei Uhr in der Früh ein Brandanschlag auf eine Wohnung von Asylwerbern in Salzhemmendorf bei Hameln. Die Polizei geht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus.

Trifft dies zu, dann wäre Deutschland erneut in den neunziger Jahren angekommen, als nach der Wiedervereinigung der Hass auf die Fremden bereits einmal explodiert ist und sich rechtsterroristische Strukturen wie der NSU ausgebreitet haben.

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