10. August 2015 · Kommentare deaktiviert für „Migration: „Wir haben ein System geschaffen, das nur das organisierte Verbrechen stärkt“ · Kategorien: Europa, Mittelmeer · Tags:

Quelle: Telepolis

von Florian Rötzer

Der wegen seines Kampfes gegen die Mafia berühmt gewordene Bürgermeister von Palermo vergleicht die Prohibition mit dem Umgang mit der Migration

Die Amerikaner hatten versucht, Alkohol zu verbieten, was die Ausbreitung des organisierten Verbrechens begünstigte. Ähnlich ist es mit den „Krieg gegen Drogen“. Der hat nicht den Drogenkonsum reduziert, sondern dafür gesorgt, dass ein großer Markt entstanden ist, der Verbrecherbanden ihr Einkommen sichert, während die Gewalt eskaliert und die Gefängnisse mit kleinen Händlern und Drogenkonsumenten gefüllt werden.

Ganz ähnlich läuft es mit der Flüchtlingspolitik, die die EU verfolgt, kritisiert Leoluca Orlando, Bürgermeister von Palermo, der wegen seines Kampfes gegen die Mafia bekannt wurde. Er geht davon aus, dass die EU eine „neue Mafiageneration“ erzeugt, so lange es keine legalen Einwanderungs- und Arbeitsmöglichkeiten für verzweifelte Migranten gebe. Die gegenwärtige Praxis produziere Kriminalität, wie dies auch in der Zeit der Prohibition der Fall gewesen war, so sagte Orlando dem Telegraph. Er ruft die europäischen Regierungen dazu auf, den durch „europäischen Egoismus verursachten Völkermord“ zu beenden.

Orlando ist wegen seines Kampf gegen die Mafia, besonders gegen die Cosa Nostra bekannt geworden und steht, weil er weiterhin bedroht ist, deswegen noch immer unter Personenschutz. 2012 wurde er zum vierten Mal als Bürgermeister von Palermo gewählt. Die Argumentation ist einleuchtend. Ähnlich wie „die Prohibition in den USA Al Capone geschaffen hat“, entsteht aus den fehlenden legalen Einwanderungserlaubnissen „eine neue Form des organisierten Verbrechens“, da die Migranten gezwungen werden, illegal zu handeln. Zuerst kommen die Schmuggler und dann die Mafia, die die Migranten ausbeutet, die über das Mittelmeer kommen und nicht arbeiten können, während sie darauf warten müssen, bis ihre Asylanträge bearbeitet werden.

Tatsächlich kommen die meisten der Flüchtlinge, die es über das Mittelmeer geschafft haben, zunächst nach Sizilien, der Mafiahochburg. Manche werden auf das Festland geschickt, viele bleiben aber monate- und jahrelang in Flüchtlingslagern. Die Mafia drängt oder zwingt sie zur Arbeit auf dem Schwarzmarkt. Migranten werden daher nicht nur zur Einnahmequelle von Schleusern, sondern auch von der Mafia: „Wir haben ein System geschaffen, das nur das organisierte Verbrechen, Tod und Gewalt stärkt. Die Mafia wartet nur darauf, sie auszubeuten.“

Das ganze Leben habe er gegen die Mafia gekämpft, sagt Orlando, aber jetzt bekämpfe er vor allem die Folgen der Migration. Unglücklicherweise würden sich Mafia und Migration nun verbinden. Dabei geht es nicht nur um illegal Arbeit, sondern auch um die Gelder, die für die Flüchtlingsbetreuung vom Staat bezahlt werden. Manchmal arbeiten kriminelle Gruppen in Nordafrika und Italien zusammen, um Flüchtlinge ins Land zu locken und sie dann als Geiseln zu halten, um weiteres Geld zu erpressen.

Nach der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind bereits mehr als 2000 Flüchtlinge in diesem Jahr ertrunken. Als gefährlichste Route gilt die von Libyen nach Sizilien (Mittelmeer: Grab für über 2.000 Migranten in diesem Jahr). Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR Fleming sagte, als am Mittwoch vor libyschen Küste 400 Migranten gerettet wurde und möglicherweise bis zu 200 ertranken, dass Flüchtlinge nicht sterben dürften, nur weil sie nach einem besseren Leben suchen. Auf Booten, die 40 bis 50 Menschen Platz bieten, würden die Menschen zu Hunderten zusammengepfercht: „Schulter an Schulter, Fuß an Fuß in jeder möglichen Ecke.“

Geldgierige und mitleidlose Schleuser würden die Boote überfüllen, Schuld aber sei auch das „System, durch das Flüchtlinge in den Nachbarländern, in die sie zuerst fliehen, nicht so geholfen wird, wie wir das gerne sehen würden. Das treibt die Menschen dazu zu sagen: ‚Ich halte es hier nicht aus, wir werden nach Europa gehen.“

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