Sexuelle Ausbeutung im Jihad
Heiliger Krieg mit unkeuschen Mitteln
„Junge Frauen im Nikab brechen nach Syrien auf, um den kämpfenden Jihadisten sexuelle Dienste zu leisten. Das Paradies wird ihnen versprochen. Prostitution im syrischen Bürgerkrieg und gesellschaftliche Ächtung zu Hause erwarten sie.
Annette Steinich, Tunis
Innenminister Lotfi Ben Jeddou wollte mit seiner Rede vor der Konstituante am 19. September nach einer monatelangen Regierungskrise die tunesischen Familien beruhigen: Der Staat kümmere sich um die Sicherheit ihrer Kinder. Mehr als 4000 junge Männer und Frauen auf dem Weg nach Syrien zur Unterstützung des «heiligen Krieges» der Rebellen gegen das Regime Asad habe man seit Beginn des Jahres von der Ausreise abgehalten. Zehn Organisationen in Tunesien seien bisher aufgedeckt und 83 Schlepper verhaftet worden. Bekannt war, dass laut Uno-Statistik mindestens 3000 Tunesier seit 2012 in Syrien in den Reihen der Rebellen, vor allem der Nusra-Front, gekämpft haben. Zum ersten Mal jedoch sprach die Regierung in Tunis von jungen, vollverschleierten Frauen, die durch sexuelle Dienste die Jihadisten in Syrien unterstützen.Missbrauch und ProstitutionWas der parteipolitisch unabhängige Ben Jeddou in seiner Rede die Informationspflicht der Regierung gegenüber der Bevölkerung nannte, löste innerhalb und ausserhalb Tunesiens einen Sturm der Entrüstung aus. Das Ausmass der öffentlichen Empörung hat auch zu tun mit der von den Medien überhöhten Anzahl betroffener Frauen. Während auch in europäischen Zeitungen von mehreren hundert Tunesierinnen berichtet wurde, bestätigt das Innenministerium im Gespräch mit der NZZ gegenwärtig unter zehn Frauen, unter ihnen eine Minderjährige. […]
Allgemein ist in Tunesien die Situation alleinerziehender Mütter existenziell bedrohlich. Mounira Kaabi, Gründerin des Vereins Sebil, der ledigen Müttern und ihren Kindern hilft, sagt: «Als Jungfrau in die Ehe zu gehen, ist auch heute noch wichtig in Tunesien. Eine ungewollte Schwangerschaft stürzt eine Frau in unendliches Elend. Ihre Familie verstösst sie und ihr Kind. Die Frauen werden von der Gesellschaft alleingelassen.» Derzeit lässt sich in Tunis der politische Wille erkennen, aus den tragischen Fällen der Nikab-Jihadistinnen Konsequenzen zum Schutz der jungen Generation zu ziehen.“