Netzwerk Flüchtlingsforschung | 16.03.2018
Zu den Auswirkungen der EU-Türkei-Erklärung auf die Fluchtbewegungen nach Europa
by Marcus Engler
Die Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die über das östliche Mittelmeer nach Europa gelangt ist, ist 2015 stark angestiegen und anschließend genauso rapide wieder gesunken. Vertreter von Politik und Medien führen diesen Rückgang häufig ausschließlich auf politische Maßnahmen der Migrationskontrolle zurück. Dabei werden aber die Komplexität der Faktoren, die Fluchtbewegungen beeinflussen, und die Unsicherheiten bei der Datenlage ausgeblendet. Ziel dieses Beitrags ist es am Beispiel des EU-Türkei-Abkommen zu zeigen, dass restriktive Maßnahmen der Migrationskontrolle nicht nur normativ zu kritisieren sind, sondern dass auch die kausalen Wirkungszusammenhänge einer kritischen Analyse unterzogen werden müssen.
Trotz erheblicher menschenrechtlicher Kritik und großen Zweifeln bezüglich seiner politischen Haltbarkeitsdauer hat die EU-Türkei-Erklärung, die am 18. März 2016 verabschiedet wurde, nun zwei Jahre Bestand. Sie hat sogar den Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 und die dadurch ausgelösten erheblichen Erschütterungen der EU-Türkei-Beziehungen inklusive eines de facto Aussetzens des Beitrittsprozesses und der Nicht-Umsetzung der für die Erdoğan-Regierung zentralen Visaliberalisierung überstanden. Vertreter der türkischen Regierung hatten sogar mehrfach mit einer Aufkündigung des Flüchtlingspaktes gedroht.