05. November 2017 · Kommentare deaktiviert für Niger: Führt Amerika „Schattenkriege“ in Afrika? · Kategorien: Afrika, Niger, USA · Tags:

FAZ | 04.11.2017

Der Tod von vier amerikanischen Soldaten in Niger machte Schlagzeilen, weil Donald Trump es gegenüber einer Witwe an Respekt fehlen ließ. Der Vorfall facht die Debatte darüber an, wie es mit dem amerikanischen Anti-Terror-Einsatz in Afrika weiter geht.

Von Frauke Steffens , New York

Donald Trump hatte sich nicht nur den Namen La David T. Johnson nicht gemerkt, er soll dessen Witwe Myeshia auch gesagt haben, ihr Mann habe ja gewusst, worauf er sich einlasse. Johnson war einer von vier amerikanischen Soldaten, die Anfang Oktober in Niger in einen Hinterhalt gerieten und getötet wurden. Das Gespräch Trumps mit dessen Witwe wurde zum traurigen Zankapfel, ja zu einem der vielen Skandale, die Trumps Präsidentschaft begleiten. Die Attacke, bei der auch fünf nigrische Soldaten starben, führte unterdessen zu einer Debatte über Militäreinsätze im Ausland.

Einige Kongressabgeordnete stellten nach dem Vorfall in Niger Fragen. Sie wollten wissen, was die amerikanischen Soldaten eigentlich genau in dem Land machen, auf welcher rechtlichen Grundlage sie operieren, ob ihr Einsatz amerikanischen Interessen dient und ob sie dabei so gut es geht geschützt sind.

Die Amerikaner sind mit rund 800 Soldaten auf einer Unterstützungs- und Beratungsmission in Niger. Sie trainieren die dortigen Sicherheitskräfte und sollen außerdem 4000 dort stationierten Franzosen logistisch und im Bereich der Aufklärung helfen.

Die Soldaten, die Anfang Oktober bei einem Angriff mutmaßlicher Terroristen in Niger getötet wurden, waren auf dem Weg von einem Dorf zurück in ihre Basis. Eigentlich handelte es sich um eine Aufklärungsmission, bei der die Soldaten mit regionalen Führern zusammentreffen sollten. Die Gegend nahe der Grenze zu Mali ist als Durchzugsgebiet islamistischer Terroristen bekannt. Laut dem Sender CBS hätten die Befehle der Soldaten sich plötzlich geändert. Statt zurück in ihre Militärbasis zu fahren, seien sie gezwungen gewesen, die Nacht im Freien zu verbringen.

Was passierte in Niger?

Im Dorf Tongo Tongo hätten 12 Amerikaner und 30 Nigrer Halt gemacht, um sich mit Wasser und Essen zu versorgen. Ein Dorfbewohner sagte dem Sender, dass er drei oder vier bewaffnete Männer auf Motorrädern gesehen habe, die sich dem Konvoi näherten. „Wir dachten, mit wenigen werden sie fertig, aber am Ende waren es viel mehr“, so der Zeuge. Es sollen Terroristen des „Islamischen Staates“ gewesen sein, die die Soldaten aus dem Dorf weg und schließlich in einen Hinterhalt lockten.

Sechzig Angreifer hätten sich zwei Stunden lang ein Feuergefecht mit den Truppen geliefert. Schließlich, sagte der Dorfbewohner, habe er drei tote amerikanische Soldaten gesehen, denen die Kleider fehlten. Erst zwei Tage später hätten Kinder weiter weg die Leiche von La David T. Johnson gefunden – er war von den anderen Soldaten getrennt und ebenfalls ausgezogen worden. Zeugen sagten, dass Johnson gefesselt und in den Kopf geschossen wurde. Das Pentagon kommentierte die Berichte bislang nicht.

Der plötzliche Wechsel des Befehls wirft Fragen auf – nicht nur, weil er dazu führte, dass die Soldaten in gefährlichem Gebiet campen mussten, sondern auch, weil die Amerikaner im Land keine offensiven Missionen durchführen sollen. Laut neuem Befehl sollten die Soldaten nun jedoch einen Terroristen festsetzen oder töten, der sowohl zu Al-Qaida als auch zum „Islamischen Staat“ Verbindungen gehabt habe, berichten Medien. Gegenüber „ABC-News“ sagten vier Offizielle aus Niger, es habe sich um eine „capture or kill“-Mission gegen einen der gefährlichsten Terroristen, einen Mann namens Dandou, gehandelt.

Das Pentagon untersucht den Vorfall zur Zeit noch. Der Chef des Generalstabs, General Joseph F. Dunford Jr., wies bereits Berichte zurück, dass die CIA in den Einsatz involviert gewesen sei – davon habe er keine Kenntnis.

„Schattenkriege“ ohne ausreichende politische Diskussion?

Die amerikanische Regierung beruft sich bei ihren Einsätzen auf eine Autorisierung, die als Antwort auf den 11. September 2001 militärische Einsätze auch ohne die Zustimmung des Kongresses erlaubt. Kritiker werfen den Abgeordneten deshalb immer wieder vor, ihre verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten nicht ernst genug zu nehmen, weil sie diese Direktive seit 15 Jahren nicht energisch genug in Frage stellten. Was in Afrika passiere, seien „Schattenkriege“ des amerikanischen Militärs und der Geheimdienste – die Abgeordneten hätten zugelassen, dass ihre Macht im Kampf gegen den Terror ausgehöhlt wurde, hieß es etwa in einem Kommentar der „Washington Post“.

Barack Obama hatte 2014 die Ausweitung der Anti-Terror-Einsätze in afrikanischen Ländern autorisiert. Unterstützungsmissionen wie die in Niger gab es schon davor. Pro Jahr führen die 6000 Soldaten unter dem Kommando Africom auf dem Kontinent 3500 Übungen, Programme und Missionen aus, bestätigte das Pentagon gegenüber „Vice News“. Manche Experten warnen davor, dass diesem Engagement eine langfristige strategische Planung fehle und es durchaus gefährlich sei, instabile Regime mit Waffen und Know-How auszustatten. Rebecca Zimmermann, Außenpolitik-Expertin bei der RAND Corporation, sagte gegenüber „Vice“: „Indem wir überwiegend die Sicherheits- und Militärapparate dieser Länder finanzieren, riskieren wir, dass wir diese Länder militarisieren, bis das Militär mehr Macht hat als die Zivilgesellschaft.“

Der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina sagte vor kurzem, er habe keine Ahnung gehabt, dass mehr als  800 amerikanische Soldaten in Niger seien. Auch Senats-Minderheitsführer Chuck Schumer aus New York, der wie Graham im Verteidigungsausschuss sitzt, erklärte, er habe das nicht gewusst. Vertreter des Weißen Hauses wiesen die Behauptungen zurück. Die Regierung hält die Einsätze, die von den Vorgängern Donald Trumps begonnen wurden, nicht etwa geheim – zweimal im Jahr ist beispielsweise ein Bericht des Präsidenten an den Kongress dazu fällig. Bei aktuellen Entwicklungen gibt es entsprechende Unterrichtungen.

Die von manchen konstatierte Indifferenz des Kongresses hängt also eher damit zusammen, dass das Thema von vielen vernachlässigt wurde – zugunsten der Innenpolitik, des Wahlkampfes, der innerparteilichen Kämpfe und der Trumpschen Skandale. Für manch einen Abgeordneten ist der Vorfall in Niger ein schmerzhafter Weckruf. Die amerikanischen Soldaten dort können sich zwar verteidigen, haben aber kein Mandat für offensive Operationen – möglicherweise wurde diese Grenze verletzt. Eigentlich können nur die Franzosen, die man vor Ort unterstützt, solche Operationen gegen mutmaßliche Terroristen starten.

Nächster Bericht des Präsidenten im Dezember fällig

Lindsey Graham jedenfalls ließ sich erst einmal umfassend von Verteidigungsminister James Mattis unterrichten, als ihm auffiel, wie viele Soldaten sich zur Zeit in Konfliktgebieten in Afrika befinden. Am Ende war er damit ziemlich einverstanden. „Sie werden mehr Aktionen in Afrika sehen, nicht weniger. Sie werden mehr aggressive Reaktionen auf unsere Feinde sehen, nicht weniger,“ sagte Graham und kündigte an: „Sie werden auch sehen, dass viele Entscheidungen nicht im Weißen Haus, sondern vor Ort getroffen werden.“ Die Restriktionen der Obama-Regierung im Anti-Terror-Kampf seien zu eng gefasst gewesen, so der Senator. Andere sind da kritischer. Der Republikaner John McCain aus Arizona, der dem Verteidigungsausschuss vorsitzt, drohte bereits mit Vollstreckungen, um die Herausgabe von Dokumenten zum Niger-Einsatz zu erzwingen. Die Demokraten kritisieren seit Wochen die Informationspolitik der Regierung in dem Fall.

Der nächste Bericht des Präsidenten über Auslandseinsätze ist im Dezember fällig. Dann wird sich zeigen, ob Politiker beider Parteien gewillt sind, die Aktionen ihrer Armee in Afrika umfassend neu zu diskutieren. Vielleicht wird es sogar einen neuen Anlauf geben, über die militärische Anti-Terror-Autorisierung zu streiten. Der Anschlag in New York, den der „Islamische Staat“ für sich reklamierte, dürfte aber eher diejenigen bestärken, die die jetzige rechtliche Grundlage für ausreichend halten. Donald Trump kündigte bereits „viel härtere Maßnahmen“ an und ließ auch Taten folgen: Bei einem Drohnenangriff in Somalia sollen laut den Amerikanern am Donnerstag „mehrere Terroristen“ getötet worden sein.

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