02. November 2017 · Kommentare deaktiviert für AntiRa Kompass – Newsletter Nr. 64, November 2017 · Kategorien: Deutschland, Termine [alt]

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4./5.11. in Berlin: Nachbereitung und Perspektiven von We`ll Come United +++ 10.-12.11. in Berlin: Treffen der Transnational Social Strike Platform +++ 10.11.-26.11. in Göttingen: Wanderausstellung „Yallah!? Über die Balkanroute“ +++ 13./14.11. in Tübingen und Frankfurt: Film „Stop the boats“ +++ 24.-26.11. in Augsburg: „Inside Europe – Kirchenasyl vernetzt“ +++ Widerstand gegen Afghanistan-Abschiebungen +++ Röszke11: Solidarität mit Ahmed +++ Ägäis: „Open the islands“ and Memorial von w2eu +++ Tunesien: Harragas sind wieder da +++ 3 Jahre Alarm Phone: In Solidarität mit MigrantInnen auf See +++ Seenotrettungsorganisationen fordern Richtungswechsel +++ Spanien/Marokko: Juristischer Erfolg in Strasbourg gegen Push-Backs +++ 4 Jahre NSU-Prozeß – Kein Schlussstrich +++ Rückblicke: Konferenz Women in Exile in Berlin; Konferenz zu Migration, Entwicklung, Ökologischer Krise in Leipzig; Netzwerktreffen zu Kirchenasyl in Münster

Liebe Freundinnen und Freunde!

Kontinuität und Vielfalt – einmal mehr spiegelt sich in diesem Newsletter das ganze Spektrum migrantischer, antirassistischer Initiativen und Alltagskämpfe. An den Außengrenzen von der erstaunlichen Wiederkehr der Harragas aus Tunesien über Unterstützungsaktionen und Gedenken in der Ägäis bis zum juristischen Erfolg gegen die Push-Backs an der marokkanisch-spanischen Grenze. Und von der Solidarität mit Ahmed/Röszke11 über den Start der Wanderausstellung zur Balkanroute bis zur beeindruckenden neuen Broschüre zu drei Jahren Watch The Med Alarm Phone. Für den Widerstand gegen die inneren Grenzen und insbesondere gegen Abschiebungen stehen die anhaltenden Proteste gegen den erneuten Afghanistan Charter sowie die Netzwerktreffen zum Kirchenasyl. Die starke Beteiligung von Geflüchteten an der Konferenz Anfang Oktober in Leipzig bringt ein gewachsenes Interesse zum Ausdruck, gemeinsam Fluchthintergründe zu thematisieren und in globale Herrschaftsverhältnisse einzuordnen. Und das Plattformtreffen des Transnationalen Sozialen Streiks demnächst in Berlin steht u.a. für den Anspruch, migrantischen Widerstand im Kontext der Kämpfe gegen Prekarisierung und Ausbeutung zu verorten sowie Verbindungen zwischen verschiedenen Streik- und Aneignungsbewegungen herzustellen.

Kontinuität und Vielfalt – es bleibt eine zentrale Herausforderung der AntiRa-Bewegung, die unterschiedlichen Ansätze der Selbstorganisierung und Unterstützung, der Kämpfe um Bewegungsfreiheit und gleiche soziale Rechte immer wieder auch in gemeinsamen, übergreifenden Mobilisierungen sichtbar zu machen. Mit „We`ll Come United“ ist dies im September diesen Jahres in sehr beeindruckender Weise gelungen, jetzt Anfang November findet das erste bundesweite Folgetreffen statt, nicht zuletzt um über konkrete Perspektiven für 2018 zu beraten. Im aktuellen Newsletter von http://www.welcome-united.org wird treffend formuliert: „Deswegen glauben wir: Wir müssen wieder zusammenkommen. Und wir sollten dabei an das anknüpfen, was unsere Parade zu einem so hoffnungsvollen Tag gemacht hat: Das Bild einer anderen Gesellschaft, der offenen Vielfalt und der Solidarität muss eine Wirklichkeit sein, die man sehen und anfassen kann. Nur so werden wir den Regierenden und den Nazis etwas entgegensetzen können, anstatt Ihnen hinterher zu laufen. Umso wichtiger, dass der 16.9. vor allem eins gezeigt hat: Wir sind nicht nur in der Lage aus den verschiedenen Communities und den verschiedenen Teilen antirassistischer Bewegung politisch in Erscheinung zu treten. Wir tun es auch mit Stärke und großem Selbstbewusstsein. Wir haben nicht vergessen, dass es manchmal ganz schnell gehen kann, dass der Wind sich dreht und neue Dynamiken in Gang kommen.“

In diesem Sinne solidarische Grüße von der Kompass-Crew

Termine und Informationen für November 2017

4. & 5.11. in Berlin
Einladung zum Auswertungstreffen We’ll Come United! und Perspektive von Get-Together
„Am 4. und 5. November wollen wir uns in Berlin für die Nachbesprechung von unserem We’ll Come United-Carnival treffen und über die Perspektive von unserem Netzwerk Get-Together sprechen. Ihr seid alle herzlich eingeladen dieses Treffen mitvorzubereiten, indem ihr in euren Gruppen und den Gruppen der Wagen Positionen erarbeitet und vorbesprecht.
Auswertung:
Wie waren We’ll Come United! 16.09. & die dezentralen Aktionstage (ab 2.09.) für euch? Was lief gut und was hätte besser laufen können? Aktionskonferenzen, Mobilisierung (in den Lagern, Plakate, Flyer), Anreise, Wagengestaltung und Programm 16.09., dezentrale Aktionstage (02.-16.09.), We’ll Come United 16.09 am Tag selbst? Wie habt ihr den 16.09. und die dezentralen Aktionstage wahrgenommen? Welches Feedback habt ihr von Freunden bekommen? Was würdet ihr in Zukunft anders machen?
Perspektive:
Bei unserem letzten Treffen haben wir bereits darüber gesprochen, dass wir Get-Together nach dem 16.09. weiterhin als Netzwerk/Plattform nutzen wollen und auch gemeinsam Aktionen planen wollen.
Wie könnt ihr euch vorstellen, dass wir in Zukunft gemeinsam weitermachen? Wollen wir gemeinsam eine nächste Aktion planen? Was könnte das sein? Was bedeutet euch das Get-Together Netzwerk persönlich? Was bedeutet euch das Get-Together Netzwerk politisch? Ist ein gemeinsamer Austausch über lokale Kämpfe und Praktiken im Netzwerk sinnvoll? In welchen Abständen wollen wir uns treffen?
Damit wir sinnvoll und konstruktiv die Auswertung machen und über die Perspektive sprechen können, ist es notwendig, dass ihr euch Zeit dafür nehmt, Positionen lokal und in den Gruppen der Wagen vorzubereiten.
4. & 5. November Mehringhof, Versammlungsraum (2. Hinterhof, 2. Stock) Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
Samstag, 4. November: Auswertung 13 Uhr – 19 Uhr.
Sonntag, 5. November: Perspektive 10:30 Uhr Beginn 16:00 Ende

10.-12.11. in Berlin: Treffen der Transnational Social Strike Platform
„On November 10th-12th 2017, the Transnational Social Strike Platform (TSS) that involves radical unions, workers and social movement collective’s, migrants and activists will meet in Berlin to further develop the TSS as a political infrastructure. From Poznan to Paris, London to Ljubljana – we have had to face up to the difficult task of initiating a process of communication amongst migrants, precarious and industrial workers, from diverse sectors from care and health work to the gig-economy and logistics, to the experiences of migrants that have struck the borders of Europe in their millions…“
The full call, the program and for registration see here:
https://www.transnational-strike.info
And one workshop on 11.11. is dedicated to the struggles of migration:
„Freedom of movement across the SmartBorder
While migrants continue to strike the borders with their feet, the EU sponsored policies have made increasingly more difficult to reach the European soil. But, even when the most visible face of EU policies are fences and bulldozers, the best weapon chosen by the governments it’s the pen. The new European border regime has indeed been built thanks to agreements and handshakes with countries like Morocco, Turkey or Libya. And still the same pen is now writing the story of thousands of Afghans who are being deported to their country. Beyond the simple appearance of an effective closure of the external borders of Europe, in this workshop we want to discuss the reconfiguration of borders as a segmentation and social stratification, and as driving forces of precarisation of labour and life. (…) How can the political subjectivity of migrants who self-determine and organize emerge? How to defeat the rhetoric of the danger that pushes more and more towards the securitization of migrations? Which role does  the fascist movement play and how it’s connected with the governmental politics? If we approach the border, where the people play their last hope and often risk their life, which practices are to put in place to ensure freedom of movement? How can we push for a European residence permit without conditions as a tool to sustain the daily struggles of the people who are anyhow crossing the borders and moving around Europe?“
https://www.transnational-strike.info/2017/10/21/berlin-tss-meeting-programme-workshops-registration-form/

10.11.-26.11. in Göttingen:
Wanderausstellung „Yallah!? Über die Balkanroute“
„Nach und nach rücken der Sommer 2015, der „March of Hope“ von Budapest nach Österreich und die „Willkommen!“ rufenden Menschen an deutschen Bahnhöfen immer weiter in die Ferne. Während 2015 die geöffneten Grenzen die Stimmung elektrisiert haben, ist die heutige Debatte zum Thema Flucht immer öfter dominiert von Diskussionen über Grenzsicherung, Terror und rassistischen Perspektiven.
Dem entgegen soll mit dieser Ausstellung der „langen Sommer der Migration“ 2015 und die Öffnung eines Korridors durch Süd-Osteuropa als relevantes politisches und historisches Ereignis festgehalten und gut aufgearbeitet einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.
Die Ausstellung rückt zwei Jahre später Geflüchtete als Hauptakteur_innen wieder in den Vordergrund und zeigt mit zahlreichen Audio-, Foto- und Videoaufnahmen sowie Kunstwerken ihre Sichtweisen auf Migration und Europa. …“
Weitere Infos, Ort und Öffnungszeiten sowie das Rahmenprogramm zur Premiere in Göttingen hier: http://yallah-balkanroute.uni-goettingen.de

13./14.11. in Tübingen und Frankfurt: „Stop the boats – The lie of saving lives at sea“ – Filmveranstaltungen von medico international
Der Film „Stop the boats“ dokumentiert, wie ein Boot mit 65 Flüchtlingen – vorwiegend TamilInnen aus Sri Lanka – im Mai 2015 auf dem Weg nach Neuseeland auf hoher See von der australischen Küstenwache aufgebracht wird.  Die Flüchtlinge werden in marode Boote verfrachtet und bewusst in Seenot gebracht, bevor man sie schließlich auf einer Pazifikinsel interniert. Im Lager werden sie von VertreterInnen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) dazu genötigt, einer Rückkehr in ihre Herkunftsländer zuzustimmen, was einige auch tun.
Im Anschluss an den Film diskutieren wir mit dem Filmemacher Nicolaj Jung und Viraj Mendis vom IMRV Bremen sowie mit wechselnden dritten Personen, die zum Thema zivile Seenotrettung im Mittelmeer sprechen, über die australische Anti-Flüchtlingspolitik, die immer wieder als Vorbild für Europa ins Spiel gebracht wird. Angesichts der zunehmenden Kriminalisierung ziviler Seenotrettungsmissionen auf dem Mittelmeer fragen wir nach Parallelen und Unterschieden zwischen dem Geschehen auf dem Mittelmeer und vor der australischen Küste und diskutieren die Rolle internationaler Organisationen wie der IOM.
Nach der Premiere Ende September im Rahmen des Nürnberger Menschenrechtsfilmfestivals finden nun folgende zwei Veranstaltungen statt:

Am 13.11.2017 in Tübingen
19:00 Uhr im Gemeindehaus Lamm, Am Markt 7, 72070 Tübingen
Mit Nicolaj Jung, Viraj Mendis und Friedhold Ulonska (Sea Watch)

Am 14.11.2017 in Frankfurt/Main (in Kooperation mit dem EPN)
19:00 Uhr im Haus am Dom, Domplatz 3, Frankfurt/Main
Mit Nicolaj Jung, Viraj Mendis und Hagen Kopp (Watch the Med /Alarmphone)
https://www.medico.de/termin/2017-11-13/1900/stop-the-boats-the-lie-of-saving-lives-at-sea-184/

24.-26.11. in Augsburg: „Inside Europe – Kirchenasyl vernetzt“
„Im europäischen Superwahljahr 2017 hat der Druck auf Geflüchtete noch einmal drastisch zugenommen. Dieser Druck betrifft auch Menschen die Geflüchtete unterstützen und z.B. Kirchenasyle ermöglichen, oder NGOs, die sich für die Seenotrettung im Mittelmeer einsetzen. Die politischen Grundlagen des Flüchtlingsschutzes werden sich in den kommenden Jahren weiter verändern. Als Menschen, die in diesem Bereich aktiv sind, müssen wir Orte schaffen an denen wir unsere eigenen Positionen an die sich verändernde Situation anpassen. Das Ziel dieser Tagung ist eine bessere Vernetzung zum Schutz der Rechte von Geflüchteten in Zeiten einer verschärften EU-Asylpolitik.“
Programm, Anmeldung und mehr unter
http://www.kirchenasyl.de/portfolio/inside-europe-kirchenasyl-vernetzt/

Widerstand gegen Afghanistan Abschiebungen
Gegen einen weiteren Charter der Schande, der am 24.10. mit 15 afghanischen Schutzsuchenden von Leipzig nach Kabul gestartet ist, gab es erneut in mehreren Städten Protestaktionen:
Berlin: Berliner Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan: Protest
gegen die Grünen
https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1554618101290020&id=1238755006209666
Lübeck: Lübecker Flüchtlingsforum e.V.: Mahnwache
https://www.facebook.com/events/245163009344255/
Leipzig: Asylum Seekers‘ Movement, Protest LEJ, Zendegi – Keine
Abschiebungen nach Afghanistan: Protestcamp 21.-24. Oktober und Demo am Flughafen: https://www.facebook.com/afghanistanzendegi
München: Karawane München: Kundgebung
https://www.facebook.com/events/332838827181738
Nürnberg/Fürth: Interventionistische Nürnberg, Antifaschistische Linke
Fürth, Not Safe: Kundgebung Fürth
https://www.facebook.com/events/1453028491482869
Kundgebung vor dem Amtsgericht zum Prozessbeginn gegen Sercem:
https://de-de.facebook.com/NuernbergIstUeberall/
Ravensburg: Bündnis für Bleiberecht: Kungebung
https://www.facebook.com/events/182847555611242
Göttingen: Bündnis gegen Abschiebungen Göttingen: Kundgebung
Pro Asyl hatte im Vorfeld folgendes veröffentlicht:
„Das US-Militär wirft eine »Rekordzahl Bomben« ab, die Taliban antworten darauf mit Offensiven in mehreren Provinzen. Und während die Zahl der Binnenvertriebenen an die Zwei-Millionen-Marke kommt, tun deutsche Politiker, als wäre nichts geschehen und fahren mit der Abschiebepolitik fort. …“
https://www.proasyl.de/news/afghanistan-bomben-in-der-luft-bomben-am-boden/

Free Röszke 11: Solidarität mit Ahmed
„Ahmed H. ist einer der vielen Menschen, die am 15.9.2015 am Grenzübertritt von Serbien nach Ungarn bei Röszke/Horgos für die Öffnung der Grenze protestierten. Ungarn hatte seine Grenzen wenige Stunden zuvor geschlossen und jegliches Übertreten zu einer Straftat gemacht. Nach den Protesten wurde Ahmed H. von den ungarischen  Behörden festgenommen, die ihn zum Anführer der Proteste stilisierten und des Terrorismus angeklagten. In einem rassistischen, anti-muslimischen Propagandaprozess wurde er am 30.11.2016 des Terrorismus schuldig gesprochen und zu 10 Jahren Haft verurteilt – nach über einem Jahr Isolationshaft. Alle Anträge, ihn zu besuchen, wurden bisher von den Behörden abgelehnt oder ignoriert.
Aufgrund von Mängeln an Begründung und Interpretation des Falls wird das Verfahren nochmals aufgerollt. Die Verhandlung wird nun am 30.10. und 2.11. im südungarischen Szeged stattfinden.
Das Verfahren gegen Ahmed H. ist die beispielhafte Verknüpfung von Rassismus und sogenannter Terrorismusbekämpfung, die insbesondere muslimische Migrant_innen unter Generalverdacht stellt und politische Proteste und ausgeschlossene Personengruppen kriminalisiert.“
Mehr Infos zum Fall gibt es auf diesem Blog:
http://freetheroszke11.weebly.com

Ägäis: „Open the islands“ and Memorial von w2eu
Campaign „Open the islands“
Grassroots initiatives and refugee solidarity groups from the Greek Islands and the mainland have joined forces to demand the opening of the Greek islands. They launched a campaign called “Open the islands – No more dead from cold”.
Since the EU Turkey statement came into force on March 20th 2016, thousands of refugees are trapped on the Greek islands. Last winter, in the European Hotspot Camp Moria on Lesvos alone, six people died. Since then, the conditions have not been improved and people seeking protection and a decent life will again be forced to sleep on the ground in thin summer tents and behind barbed wire. It seems likely that more deaths will follow. Join the campaign! Demand the European Union and the Greek government to put an end to the restriction of movement to the islands!
Share the Statement! https://opentheislands.wordpress.com/
Sign the statement! https://opentheislands.wordpress.com/contact/
Contact: opentheislands@riseup.net

Memorial for the Dead of the European Borders, Thermi/Lesvos 25th of ctober 2017
„Today in the afternoon more then 50 people gathered in the harbour of Thermi/Lesvos in commemoration of the dead of the European border regime. Among them were survivors of a shipwreck on 23rd of April of this year in the North of Lesvos as well as people active in rescue. The memorial happens once every year since October 2013 and was initiated by the Welcome to Europe network.
When we started to remember this year, who we have to mourn for, we
realized that we are more and more confronted with death even after people have survived the sea. We had to commemorate today also friend who died last winter in the hot-spot of Moria, because they had been left during winter in terrible conditions. We are in close contacts with families that they waited too long to be reunited with their beloved even if they had the right for family reunification and died before. If you really want to mourn the dead of the Sea, you have to respect also the survivors. The only solution to end their suffering is to create safe passages, to give the people their right to move freely – and for those who are stuck here to finally open the islands. This is why every memorial for us is combined with the promise to tear down the borders that killed them and to create another, a welcoming Europe….“
Full statement and more:
http://lesvos.w2eu.net/2017/10/25/memorial-for-the-dear-of-the-european-borders-thermilesvos-25th-of-october-2017/

Tunesien: Harragas sind wieder da
Vor einigen Tagen kamen folgende aktuelle Nachrichten von FreundInnen aus Tunis:“ From 1st October to 18th October, 1500 Tunisians reached Italy. The tunisian government has a list of 500 missing migrants together with their finger prints that has been sent to the italian government. The state Secretary in charge of migration declared that 4000 tunisian migrants are in prison in Italy. A delegation from Tunis will be in Rome soon to discuss the situation of 800 tunisian migrants that recently reached Italy.“
Und ganz aktuell (29.10.17): „After the increasing number of migrants reaching Italy from Tunisia during the last 2 months, the Tunisian and Italian governments had „a deal“ and they accelerated the process of deportation, they deported 120 during the last week and they intend to deport more during the next weeks. The Tunisians in Lampedusa are kept in inhuman and difficult conditions in detention centers and the italian authorities preparing to deport them. Since 2 days most of them are in a hunger strike and their health condition is getting worse every hour. They wrote different statements refusing the deportation and asking for their right to stay and for the freedom of movement. Their Families in Tunisia are protesting and asking for the same things.“
Gleichzeitig findet diese neue Welle von Seeüberquerungen viel Aufmerksamkeit in den tunesischen Medien. Und mehrere Gruppen und Organisationen fordern in öffentlichen Protesten das Recht auf Bewegungsfreiheit.
FFM hatte zur Entwicklung der letzten Monate folgendes zusammengefasst:
„Seit den Sommermonaten häufen sich die Zeitungsmeldungen in Nordafrika, Italien und Spanien über nordafrikanische Boat-people. Aus Marokko und West-Algerien setzen sie nach Spanien über, aus Ost-Algerien nach Sardinien, aus Tunesien nach Sizilien. Berichtet wird nicht nur über Festnahmen noch in Nordafrika oder auf dem Meer, sondern auch über Spuren erfolgreicher Ankunft: über verlassene Fischerboote und kleine Schlauchboote an den südeuropäischen Stränden.
Vor über zehn Jahren begann eine regelrechte nordafrikanische Jugendbewegung, die sich auf diese Fluchten bezog, mit Videoclips, mit mittlerweile berühmten Hits in den Schlagerparaden und in Literatur und Film. 2011 wurden die Harragas praktisch wie subkulturel ein Teil der Arabellion. Nahmen diese Fluchten in den letzten Jahren ab? Die Scheinwerfer der EU-Abschotter wurden anderswo aufgestellt, gegenüber Libyen und in der Ägäis. Doch seit der Hetze gegen NordafrikanerInnen („Nafri“) gerät das westliche Mittelmeer aufs Neue in den Fokus. Frontex baut ein Zentrum gegen Harragas in Cagliari auf Sardinien auf, der italienische Innenminister Minniti arbeitet hinter den Kulissen in Libyen wie auch in Algerien, Marokko fordert EU-gesteuert von Algerien, dass es die „Illegalen“ polizeilich erfasst und weitreichende Maßnahmen gegen sie ergreift. Tatsächlich gerieten durch die neue küstennahe Jagd in den letzten Wochen Hunderte Harragas in polizeiliche Fänge. Aber ob es sich tatsächlich um einen neuen und wichtigen Trend dieser migrantischen Sozialbewegung handelt, ist noch nicht ausgemacht.
Auf jeden Fall entsteht ein neues Harraga-Selbstbewusstsein, das sich auf zahlreichen aktuellen Youtube-Clips auf See manifestiert. Die Boat-people beziehen sich auf die Harragas vor ungefähr zehn Jahren. Aber sie sind, so berichten Zeitungen, heute viel besser ausgerüstet: Mit GPS, mit gutem Proviant, mit Know-How für die Ankunft, und manchmal auch mit Leuchtspurmunition und Schwimmwesten. … „ Der ganz Text und weitere Artikel hier:
https://archiv.ffm-online.org/2017/10/09/nordafrikanische-boat-people-die-harragas-sind-wieder-da/

Drei Jahre Alarm Phone: In Solidarität mit MigrantInnen auf See
„Mit dieser Broschüre – veröffentlicht zum dritten Jahrestag unseres Bestehens – reflektieren wir die vielfältigen Erfahrungen, die wir als WatchThemed Alarmphone bei der Unterstützung von Menschen auf ihren Routen zwischen Oktober 2014 und Oktober 2017 gemacht haben. In diesem Zeitraum erreichten mehr als 1840 Notrufe aus allen drei Regionen des Mittelmeeres unser Hotline Projekt und damit waren wir unmittelbar in diese Kämpfe um Bewegungsfreiheit involviert. Dem historischen Jahr 2015, als mehr als eine Million Menschen über das Meer nach Europa gelangten, folgte eine Phase scharfer Repressionen, in der das EU-Grenzregime seinen Abschreckungsapparat beispiellos aufgerüstet hat. In der Konsequenz haben zusätzlich Tausende ihr Leben auf See verloren, und noch viel mehr Menschen bleiben unter unerträglichen Bedingungen inhaftiert und sollen damit an ihrer Flucht gehindert werden. Wann immer unser Telefon klingelt, bringen sich diejenigen in Erinnerung, die dennoch ihren Weg suchen und die hartnäckig der menschengemachten Ausgrenzung die Stirn bieten, indem sie ihr Recht auf Migration durchsetzen.“
Die neue Broschüre im Netz: https://alarmphone.org/de/campaigns/in-solidaritaet-mit-migrantinnen-auf-see-3-jahre-alarm-phone/

Seenotrettungsorganisationen fordern Richtungswechsel
Wir, die unterzeichnenden Nichtregierungsorganisationen, wenden uns heute an die künftige deutsche Bundesregierung.
Wir sind seit 2015 auf dem Mittelmeer aktiv, wo wir Menschen in Seenot vor dem Ertrinken retten. Ohne unseren Einsatz, den wir als Bekenntnis zu den internationalen Menschenrechts- und Flüchtlingskonventionen sehen – die auch Deutschland ratifiziert hat – würden weitaus mehr Menschen vor den Toren Europas sterben.
Wir fordern die künftige deutsche Bundesregierung daher auf, sich in der kommenden Wahlperiode entschieden gegen Menschenrechtsverletzungen im Kontext der Flucht über das Mittelmeer einzusetzen und sich hinter die lebensrettende Arbeit der zivilen Seenotretter*innen zu stellen. Die Militarisierung und Abschottung von Europas Grenzen steht in eklatantem Gegensatz zur internationalen Schutzverantwortung der Europäischen Mitgliedstaaten gegenüber Flüchtenden. …“
Der ganze Text, unterzeichnet von Jugend Rettet e.V.Mission Lifeline e.V.,
Sea Watch e.V. und SOS MEDITERRANEE Deutschland e.V. findet sich hier:
https://sea-watch.org/seenotrettungsorganisationen-fordern-richtungswechsel-in-der-fluechtlingspolitik/

Juristischer Erfolg in Strasbourg gegen Push-Backs
ECCHR: Spaniens Abschiebungen an den EU-Außengrenzen verstoßen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention
„Berlin/Straßburg 03. Oktober  2017 – Spanien schiebt an der Grenze zu Marokko Geflüchtete und Migrant_innen systematisch und häufig brutal zurück. Diese langjährige Praxis der Push-Backs an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) ist rechtswidrig. Sie verstößt gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) urteilte nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Anlass der Entscheidung waren Beschwerden gegen Spanien, die zwei Geflüchtete aus Mali und der Elfenbeinküste auf Initiative und mit Expertise des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Februar 2015 beim EGMR eingereicht hatten…“
„Das Melilla-Verfahren hat weit über den Einzelfall hinaus Wirkung. Es ist ein Präzedenzfall, um das grundlegende „Recht auf Rechte“ von flüchtenden und migrierenden Menschen durchzusetzen“, sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR. „Mit dem Urteil stellt der EGMR klar: Spaniens Grenzregime ist menschenrechtswidrig, denn die EMRK gilt auch an den Außengrenzen der EU.“
Ausführlich dazu hier:
https://www.ecchr.eu/de/unsere-themen/voelkerstraftaten-und-rechtliche-verantwortung/migration-und-flucht/melilla/articles/melilla-17okt.html

4 Jahre NSU-Prozeß – Kein Schlussstrich
„Am Tag der Urteilsverkündung wollen wir mit euch auf die Straße gehen. Denn für uns bedeutet das Ende des Prozesses nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem NSU und der Gesellschaft, die ihn möglich machte:
Kein Schlussstrich! – NSU-Komplex aufklären und auflösen
Verfassungsschutz auflösen – V-Leute abschaffen
Dem aktuellen rassistischen Terror gegen Flüchtlinge und MigrantInnen entgegentreten
Rassismus in Behörden und Gesellschaft bekämpfen …“
Weitere Infos auf https://nsuprozess.net

Rückblicke

„Women* Breaking Borders“ – Konferenz von Women in Exile in Berlin
„Wir bedanken uns bei allen, die zum Erfolg unserer bundesweiten “Women* Breaking Borders” Konferenz vom 22-24.09.17 und der kick-off Demonstration am 21.09.2017 beigetragen haben.
Ohne euch alle wäre es nicht möglich gewesen, die Konferenz auf diese Weise stattfinden zu lassen. Am Samstag waren wir ca. 300 Teilnehmerinnen, ca. 40 Kinder und mindestens 50 Leute, die die ganze Hintergrund-Arbeit geleistet haben. Wow! (…) Die ganze Konferenz war Empowerment für so viele Frauen, die realisiert haben, dass keine Grenze zu hoch, tief, weit oder fest genug sein wird, wenn Frauen* sich zusammenschließen!“ Mehr dazu hier:
https://www.women-in-exile.net/danke-an-alle-die-unsere-konferenz-unterstuetzten/

Kurze Nachbetrachtung zur Konferenz „Migration, Entwicklung und ökologische Krise“ in Leipzig (06.-08.10.2017)
Geplant waren maximal 300 Teilnehmer_innen, am Ende waren es 700 – und das, obwohl es viele Menschen aus Norddeuschland wegen blockierter Bahnstrecken (als Folge des Sturms „Xavers“) gar nicht geschafft hatten, nach Leipzig zur Konferenz „Selbstbestimmt & Solidarisch“ zu kommen. Doch nicht nur die Teilnehmer_innenzahl war beeindruckend, auch die Zusammensetzung war wie erhofft, d.h. in Leipzig sind Menschen mit ganz verschiedenen Erfahrungen und Hintergründen zusammengekommen (Geflüchtete, Migrant_innen und Menschen ohne Flucht- und Migrationsgeschichte). Insgesamt zeigt dies, dass es einen großen Bedarf gibt, sich über Migration, Entwicklung sowie ökologische Krisen auszutauschen – nicht zuletzt unter dem Stichwort der „Fluchtursachen“. Viele Podien und Reden wurden dokumentiert und werden demnächst als Videos zur Verfügung stehen. Überschattet wurde die Konferenz von einem rassistischen Polizeiübergriff, der in Leipzig nach der Konferenz zu einer richtiggehenden öffentlichen Debatte geführt hat: Nachbar_innen hatten die Polizei gerufen, weil zwei aus Kamerun stammende Referent_innen in einer Kita übernachtet hatten. Doch anstatt ganz normal zu klingeln und zu fragen, ob alles mit rechten Dingen zugeht, haben die Polizisten gegenüber einem der Betroffenen sofort Gewalt angewendet – und das, obwohl beide Referent_innen ganz offensichtlich im Schlaf- und nicht im Einbrecherdress vor ihnen standen. Das komplette Programm (inklusive Beschreibungen der Podien, Workshops, Filme, Theaterstücke und Ausstellungen) finden sich genauso wie einige Pressemitteilungen zum rassistischen Polizeiübergriff und erste Bilder an folgender Stelle:
https://afrique-europe-interact.net/1594-0-1-Einladung.html

Kirchenasyl-Konferenz in Münster
Am 6.-7. Oktober 2017 haben wir gemeinsam mit dem Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW und dem Institut für Theologie und Politik eine Strategiekonferenz zum Kirchenasyl abgehalten. Hierzu hatten wir Erfahrene aus dem Bereich der Kirchenasylarbeit aus Deutschland und der Schweiz eingeladen, um die derzeitige (asyl-)politische und kirchliche Situation zu analysieren, die derzeitigen Herausforderungen an die Kirchenasylarbeit und strategische Perspektiven auf deren Zukunft hin zu diskutieren. Eines der Ergebnisse der gemeinsamen Überlegungen war, dass die Kirchenasylbewegung auf eine breitere Basis gestellt werden muss, um dem Gegenwind, der aus den zugespitzten gesellschaftlichen Verhältnissen und der amtskirchlichen Zurückhaltung resultiert, entgegenwirken zu können. Hierbei wurde die Frage nach dem Bewegungsaufbau, nach Allianzen mit nicht-kirchlichen AkteurInnen, Kampagnenarbeit und die Konzepte von Solidarity City und BürgerInnenasyl diskutiert…
https://www.kirchenasyl-ms.de/category/aktuelles/

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