26. April 2017 · Kommentare deaktiviert für Reaktion der EU auf die Flüchtlingskrise: das „Hotspot-Konzept“ · Kategorien: Europa · Tags:

Sonderbericht Europäischer Rechnungshof

ZUSAMMENFASSUNG 06/2017

I. Im Jahr 2014 stieg die Zahl der insgesamt in Europa ankommenden Migranten erstmals sprunghaft an – eine Entwicklung, die sich 2015 sogar noch verstärkte, als über 1 Million Menschen als irreguläre Migranten die gefährliche Reise über das Mittelmeer nach Europa wagten.

II. Im vorliegenden Bericht wird ein entscheidendes Element der Verwaltung der Migrationskette untersucht, das in der im Mai 2015 aufgestellten Europäischen Migrationsagenda vorgesehen ist: das sogenannte „Hotspot-Konzept“.

III. Sämtliche Aspekte in Bezug auf Grenzkontrollen und die Bearbeitung von Asylanträgen fallen in erster Linie in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten. Die Kommission führte daher das neue Hotspot-Konzept ein, um Griechenland und Italien – Mitgliedstaaten an den Außengrenzen – dabei zu unterstützen, die in den Jahren 2015 und 2016 plötzlich drastisch gestiegene Zahl der an ihren Außengrenzen ankommenden irregulären Migranten zu bewältigen. Im Rahmen dieses Konzepts sollte den Mitgliedstaaten operative Unterstützung geboten werden, um sicherzustellen, dass die ankommenden Migranten erkennungsdienstlich behandelt, registriert, ihre Fingerabdrücke abgenommen und sie in die entsprechenden Folgeverfahren überführt werden. Insgesamt stellte der Hof fest, dass das Hotspot-Konzept dazu beigetragen hat, die Migrationssteuerung in den beiden an den Außengrenzen liegenden Mitgliedstaaten unter äußerst schwierigen und sich ständig ändernden Umständen zu verbessern, indem ihre Aufnahmekapazitäten, die Registrierungsverfahren und die Koordinierung der Unterstützungsmaßnahmen gestärkt wurden.

IV. In beiden Ländern wurden bei der Auswahl der Standorte für die Registrierungszentren (“Hotspots“) die Haupteinreiseorte und die Verfügbarkeit bestehender Strukturen in richtiger Weise berücksichtigt. Allerdings nahm die Einrichtung dieser Hotspots mehr Zeit in Anspruch als geplant. In Griechenland waren im März 2016 vier der fünf geplanten Hotspots einsatzbereit, wobei der fünfte Hotspot im Juni 2016 in Betrieb genommen wurde. In Italien waren im März 2016 vier der sechs geplanten Hotspots einsatzbereit. Die Arbeiten an den beiden übrigen Hotspots waren noch im Gange. Diese Hotspots waren Ende Februar 2017 jedoch noch nicht in Betrieb. Trotz beträchtlicher Unterstützung seitens der EU waren die6 Aufnahmeeinrichtungen Ende 2016 in beiden Ländern noch nicht genügend ausgebaut, um die große Zahl der ankommenden Migranten angemessen in Empfang zu nehmen (Italien) oder unterzubringen (Griechenland). Sowohl in den Hotspots als auch auf der nächsten Aufnahmeebene fehlte es nach wie vor an geeigneten Einrichtungen, um unbegleitete Minderjährige im Einklang mit internationalen Standards unterzubringen und diese Fälle entsprechend zu behandeln.

V. Die Kommission und die zuständigen EU-Agenturen unterstützten die Bemühungen der Mitgliedstaaten, indem sie ihnen Experten, finanzielle und technische Ressourcen sowie Beratungs- und Koordinierungsleistungen bereitstellten. Die Kapazität der Agenturen zur Leistung dieser Unterstützung hängt weiterhin stark davon ab, welche Ressourcen die Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. Darüber hinaus waren die Experteneinsätze häufig sehr kurz, was einem effizienten Arbeitseinsatz der Experten abträglich war. Diesen Schwachstellen soll jetzt mit den neuen (oder geplanten) Mandaten für die zuständigen Agenturen begegnet werden.

VI. In beiden Ländern wurde die Koordinierung des Hotspot-Konzepts dadurch erleichtert, dass spezielles Personal der Kommission und der Agenturen sowie auf operativer Ebene regionale Taskforces eingesetzt wurden, wenngleich die Rolle dieser Taskforces im Rahmen des Hotspot-Konzepts noch nicht vollständig definiert ist. Standardverfahren sind ein wesentliches Element zur Klärung von Zuständigkeiten und Harmonisierung von Verfahren, insbesondere wenn viele verschiedene Akteure beteiligt sind, wie es beim derzeitigen Hotspot-Konzept der Fall ist. Italien hat Standardverfahren für die Hotspots entwickelt, die sowohl in den Hotspots als auch an weiteren, als Hotspots fungierenden Ausschiffungshäfen angewandt werden. In Griechenland steht die Annahme der Standardverfahren noch aus.
Die Koordinierung auf der Ebene der einzelnen Hotspots erfolgt nach wie vor nur fragmentarisch. Zwar wurde festgelegt, dass die zentralen Behörden in den Mitgliedstaaten für die allgemeine Verwaltung der Hotspots zuständig sind, sie nehmen diese Zuständigkeit – zumindest in Griechenland – jedoch noch nicht in vollem Umfang wahr. Die Kommission hat die in den Hotspots erzielten Fortschritte und aufgetretenen Probleme regelmäßig und umfassend überwacht und darüber berichtet, aber einige Informationen werden nicht zwischen den verschiedenen Interessenträgern ausgetauscht und über einige zentrale Leistungsindikatoren wird nicht Bericht erstattet.7

VII. Sowohl in Griechenland als auch in Italien wurde durch das Hotspot-Konzept sichergestellt, dass die meisten ankommenden Migranten im Jahr 2016 ordnungsgemäß erkennungsdienstlich behandelt und registriert, ihre Fingerabdrücke abgenommen und ihre Daten mit den betreffenden sicherheitsrelevanten Datenbanken abgeglichen wurden. In dieser Hinsicht hat das Hotspot-Konzept zu einer besseren Steuerung der Migrationsströme beigetragen. Gemäß dem Hotspot-Konzept sollen Migranten ferner in die entsprechenden Folgeverfahren überführt werden, d. h. in ein nationales Asylverfahren, gegebenenfalls in ein Umverteilungsverfahren (Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat) oder in ein Rückführungsverfahren (Rückführung in das Herkunftsland oder Transitland). Die Durchführung dieser Folgeverfahren geht oft nur langsam vonstatten und ist durch verschiedene Engpässe beeinträchtigt, was sich auf die Funktionsfähigkeit der Hotspots auswirken kann.

VIII. Der Hof unterbreitet der Kommission eine Reihe von Empfehlungen, wie sie die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung des Hotspot-Konzepts unterstützen kann, was die Kapazität der Hotspots, die Behandlung unbegleiteter Minderjähriger, den Einsatz von Experten sowie Aufgaben und Zuständigkeiten innerhalb des Hotspot-Konzepts betrifft. Darüber hinaus empfiehlt er der Kommission, das Hotspot-Konzept zu bewerten und weiterzuentwickeln, um die EU-Hilfe bei der Migrationssteuerung zu optimieren.

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