Nach Vorstößen der italienischen und deutschen Regierung Richtung Tunesien – Ziel: EU-Lager in Südtunesien – mehren sich in Tunesien kritische Stimmen. Der Leitartikel der offizioesen, eher konservativen Tageszeitung „La Presse“ am 12.02.2017 lässt aufhorchen. Erst hätten die Kolonialisten Maghrebiner als Soldaten in den Weltkrieg nach Europa geführt, dann hätten die Einwanderer aus dem Maghreb das kriegsversehrte Westeuropa wiederaufgebaut, dann wurden die Grenzen geöffnet, aber nur für Waren. Europäer hätten dagegen stets das Recht in Anspruch genommen, sich in Tunis, Algier oder Rabat niederzulassen. Die jetzigen migrationspolitischen Vorschläge aus Europa seien von Egoismus und Heuchelei geprägt.
Es fällt auf, dass die migrationspolitische Medienberichterstattung in Europa und dem Maghreb zunehmend auseinanderfällt, die Realitätswahrnehmung teilt sich auf. Die Stoßrichtung solcher Leitartikel ist geschichtsbewusster und radikaler als der meisten politisch linken Beiträge aus Europa.
La Presse | 12.02.2017
Editorial – Les Maghrébins et l’Europe
Par Saïd BENKRAIEM
Nos voisins européens ne ratent aucune occasion pour nous rappeler des dangers de l’immigration clandestine comme étant un facteur qui risque de porter atteinte à leur sécurité, bien-être et prospérité économique. Ils oublient, en revanche, que les peuples de la rive sud de la Méditerranée, à l’époque colonisés et pillés par les Occidentaux, ont été enrôlés à leur insu pour combattre les nazis et les fascistes et pour que l’Europe retrouve sa dignité malmenée et sa liberté confisquée. Le nombre des «martyrs» demeure jusqu’à nos jours indéterminé.