19. Juli 2016 · Kommentare deaktiviert für „Von Griechenland aus gegen die Festung Europa“ · Kategorien: Griechenland · Tags: ,

Quelle: Neues Deutschland

Am Wochenende startete das »No Border«-Camp in Thessaloniki

NBC

»Unmögliche Zustände herrschen auf dem Campus!«, schimpft der Direktor der Universität von Thessaloniki, Pericles Mitkas, quer durch die griechischen Medien. Grund der Panik: Seit dem 15. Juli reisten Hunderte Aktivist*innen aus Italien, Großbritannien, Deutschland, Slowenien und der Türkei an, um an dem »No Border Camp« in Thessaloniki teilzunehmen. Hinzu kommen zahlreiche Geflüchtete aus umliegenden Sammellagern, denen eingeschränkte Bewegungsfreiheit zugesagt ist und die mit logistischer Unterstützung von den NoBorder-Aktvist*innen am Camp mitwirken. Bereits um die 1000 Personen sind angekommen, weitere werden in den kommenden Tagen erwartet.

Für das Camp wurden große Teile der juristischen und philosophischen Fakultät kurzerhand besetzt. Die rechte Zeitung »Proto Thema« beschwört unlängst ein »Treffen von Anarchisten aus der ganzen Welt«. Entgegen dieser Panikmache verlief der Aufbau ab Donnerstag jedoch problemlos: Wasser, Strom- und Sanitärversorgungen sind gesichert. Die Polizei hat sich geäußert, zurückhaltend vorzugehen – zumindest, bis es zu rechtswidrigen Zwischenfällen kommt.

Denn Aktionen sind viele geplant. Bereits am Sonntag protestierten 300 NoBorder-Aktivist*innen an einem der größten »Sammel- und Umsiedlungslager« Sofitex am westlichen Stadtrand Thessalonikis. Einige der darin untergebrachten 1500 Geflüchteten schlossen sich dem Protest an.

Das Programm des Treffens bietet eine breite Palette an Aktionen an. »Protest- und Solidaritätstouren« zu verschiedenen Internierungs- und Abschiebelagern in und um Thessaloniki sind noch bis Donnerstag geplant. Auch Aktionen in der Stadt selbst sind angekündigt. Am Freitag soll eine große »Migrants› Pride«-Demonstration durch die Innenstadt ziehen. Der Samstag steht im Zeichen einer großen Aktion am Grenzfluss Evros zwischen Griechenland und der Türkei, wo gegen die tödliche europäische Abschottungspolitik demonstriert werden soll.

Auch inhaltlich verspricht das Camp ein umfassendes Programm. Im Vordergrund steht die Etablierung und Ausweitung von Geflüchtetensolidarität und Selbstorganisierung in Europa sowie darüber hinaus. Auf Veranstaltungen und Workshops wird diskutiert, wie gegen die europäische Migrationspolitik vorgegangen werden kann – und damit verbunden gegen die autoritäre Zuspitzung des Rechtsrucks in weiten Teilen des Kontinents.

Griechenland: Epizentrum des Willkommens

Viele Teilnehmende unterstützten die Entscheidung, das Camp in Griechenland stattfinden zu lassen. Hier gibt es trotz der weiter voranschreitenden Zertrümmerung der Sozialstruktur eine vibrierende Willkommenskultur. In Athen äußert sie sich in mehr als zehn Hausbesetzungen für und mit Geflüchteten. Auch die Spendenbereitschaft der griechischen Bevölkerung ist sehr groß. So ist die zweitgrößte Stadt des Landes ein guter Ort, um ein Zeichen für Bewegungsfreiheit für alle und internationale Solidarität zu setzen. Vor dem Hintergrund der Erfahrung mit vergangenen NoBorder- oder Grenzcamps wird aber auch der Anspruch, auch nach Abbau der letzten Zelte die Geflüchtetensolidarität und Selbstorganisierung in Thessaloniki und drumherum nachhaltig zu stärken, hoch gehängt.

Ein Jahr nach der Einigung mit den Gläubigern auf EU-Ebene und mit dem Internationalen Währungsfonds, ein Jahr auch nach der zweiten Erpressung Griechenlands als europäisches Sammelbecken für Geflüchtete – und nur zwei Monate nach der Räumung von Idomeni, eines der Epizentren der letzten Auseinandersetzung um Fluchtbewegungen, glauben sich die Aktivist*innen am richtigen Ort.

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