Quelle: Frankfurter Rundschau
Die Hilfsorganisation Caritas erinnert an die vielen Flüchtlinge, die seit der Schließung der Grenzen weiter auf dem Balkan, Griechenland und Italien festsitzen.
Seit die Balkan-Länder vor Monaten ihre Grenzen dichtgemacht haben, ist die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge zwar stark gesunken. Doch die Krise ist nicht gelöst. Viele Menschen, die auf der Strecke geblieben seien, würden heute vergessen, beklagt die Hilfsorganisation Caritas. „Noch immer harren Zehntausende Flüchtlinge in den Balkanländern, in Griechenland und Italien aus. Viele leben unter katastrophalen Umständen“, sagte der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, bei der Vorstellung des Caritas-Jahresberichts am Donnerstag in Berlin. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sitzen mehr als 50 000 Asylbewerber derzeit in Südosteuropa fest.
Viele trauten sich nicht, so Neher, in offizielle Camps wie in Griechenland zu gehen, da sie glaubten, dort aus Europa ausgewiesen zu werden. Deshalb würden viele in improvisierten Lagern leben. Ein weiteres Problem sei die schlechte Versorgung der Flüchtlinge. Die meisten Länder seien heillos überfordert, vor allem finanziell. Es sei nicht in Ordnung, dass zwar die Türkei mehrere Milliarden Euro für die Versorgung und Abwehr von Flüchtlingen von Europa erhalte, die südlichen Länder der Union aber allein gelassen würden, sagte Neher.
Türkei-Abkommen kommt schleppend voran
Zudem funktioniere das Abkommen mit Istanbul nur bedingt. „Bislang wurden knapp 500 Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei gebracht“, so Neher. In die EU durften lediglich ein paar Dutzend. Entgegen dieser Darstellung hieß es aber erst vor wenigen Tagen aus Berlin, dass nach Deutschland rund 300 und in die gesamte EU knapp 800 Flüchtlinge aus der Türkei gebracht worden seien.
Die Abriegelung des Balkans hat dazu geführt, dass sich nun wieder mehr Menschen auf den Weg über das Mittelmeer machten. Nach Angaben des Caritas-Chefs Neher erwartet die EU-Grenzschutzagentur Frontex künftig bis zu 10 000 Menschen, die sich jede Woche in ein Boot Richtung Italien setzen werden. „Und die Route ist so gefährlich wie eh und je.“
Besonders besorgniserregend sei die Lage in Syrien an der Grenze zu Jordanien. In zwei Lagern in der Wüste säßen Zehntausende Menschen fest, sagte Oliver Müller, Leiter von Caritas International. In einem Camp nahe des Ortes Rukban habe sich die Versorgungslage stark verschlechtert, seitdem der Zugang zum Camp wegen eines Anschlages begrenzt wurde.
Bei der Vorstellung des Jahresberichts stellte Caritas auch die Erlöse aus dem Jahr 2015 vor. Diese stiegen um knapp 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als 85 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte des Geldes stammte von öffentlichen Geldgebern und kirchlichen Zuschüssen. Zudem gab es zahlreiche private Spenden. Den Anstieg sieht Präsident Neher aber kritisch. Denn die Zuschüsse seien ein Spiegel der Katastrophen, die in einem Jahr stattgefunden hätten. Ein hohes Spendenaufkommen bedeute deshalb, dass es viel menschliches Leid gegeben habe.
Trotz der Flüchtlingskrise seien es vor allem Naturkatastrophen, die die Spendenbereitschaft erhöhten. Im vergangenen Jahr stach vor allem das Erdbeben in Nepal heraus. Mehr als zwei Millionen Euro flossen in das Land. Das meiste Geld ging dennoch in den Nahen und mittleren Osten, insgesamt mehr als 16,6 Millionen. Allein 6,6 Millionen kamen Jordanien zugute, das mehr als 650 000 offiziell anerkannten Flüchtlingen Schutz bietet.