27. Januar 2016 · Kommentare deaktiviert für „Neue Flüchtlingsroute: Angst an der Adria“ · Kategorien: Europa, Italien, Mittelmeer

Quelle: Spiegel Online

Italiens Geheimdienste sind besorgt: Wenn der Landweg über den Balkan versperrt ist, könnten bald Zehntausende Flüchtlinge über die Adria kommen. Lässt sich auch die Seegrenze abriegeln?

Vom albanischen Hafen Durres bis nach Italien sind es gerade einmal 80 Kilometer. Ein paar Stunden im Boot über die Adria, um hineinzukommen in die „Festung Europa“. Von Montenegro aus ist es nicht viel weiter. In beiden Ländern bereitet sich ein ganzer Geschäftszweig auf die anstehenden Großaufträge vor. Als „Schleuser“ werden sie von den einen gejagt, von den anderen als „Fluchthelfer“ gesucht und bezahlt.

Die Warnung der italienischen Geheimdienste an ihre Regierung ist deutlich: Falls die Grenzen auf dem Balkan geschlossen werden oder nur noch bestimmte Nationalitäten weiter nach Norden ziehen dürfen, werde die Seeroute über die Adria wieder geöffnet.

Dann werden Männer, Frauen, Kinder auf Schlauchbooten oder auf seeuntüchtigen Kuttern zusammengepfercht übers Wasser transportiert und an Italiens Küste landen oder stranden.

Die Regierung brachte das Problem am Montag dieser Woche beim Treffen der EU-Innenminister in Amsterdam zur Sprache. Rom fürchtet den Ernstfall: Was tun, wenn Hunderttausende von Osten her übers Meer kommen?

Verschärft wurde die Lage am Mittwochabend: Mazedonien hat tatsächlich seine Grenze zu Griechenland für Flüchtlinge geschlossen. Die Balkanroute dürfte damit geschlossen sein.

Gewiss, über die Adria reisen Flüchtlinge seit vielen Jahren ein. Mal mehr, mal weniger. Die meisten wollen gar nicht in Italien bleiben, sondern weiter nach Skandinavien, in die Niederlande, nach Frankreich und vor allem nach Deutschland. So haben die italienischen Behörden sie meist durchziehen lassen. Doch die Ausgänge nach Norden sind heute weitgehend geschlossen.

  • Frankreich hat die Grenze dichtgemacht, um Terroristen fernzuhalten, wie Staatspräsident François Hollande erklärt.
  • Österreich igelt sich ein, weil es sich „überlastet“ fühlt.
  • Und die Schweiz lässt schon gar keine „Flüchtlingsströme“ in ihre aufgeräumte Eidgenossenschaft.
  • Jetzt redet man auch in Deutschland über „Begrenzungen“.

Was also tun?

Jedenfalls „keine Mauern bauen“, sagt Italiens Premierminister Matteo Renzi. Europa habe Jahrzehnte daran gearbeitet, Mauern abzureißen. „Neue bauen, heißt, uns selbst zu verraten.“ Nur ein funktionierendes Ordnungs- und Verteilungssystem könne die aktuellen Probleme lösen, davon ist Renzi überzeugt.

Deshalb werden in Italien jetzt eilig große Hotspots errichtet, Zentren zur Erstaufnahme von Flüchtlingen, in denen diese registriert und katalogisiert werden: Wer hat eine Chance auf Asyl oder ein Bleiberecht, wer soll wieder weggeschickt werden?

Dasselbe sollen, müssten, wollten auch die Griechen machen – aber da hapert es noch. Deshalb wird die Regierung in Athen mal wieder angegangen, aus Berlin wie aus Rom.

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