15. September 2015 · Kommentare deaktiviert für „Deutsch-österreichische Grenze: Kontrollen, die nur Pendler aufhalten“ · Kategorien: Deutschland, Österreich · Tags: ,

Quelle: Spiegel Online

Die Bundespolizei kontrolliert Grenzübergänge nach Österreich. Doch Flüchtlinge hält sie damit nicht davon ab, nach Deutschland zu kommen. Denn dafür finden die Kontrollen an den falschen Stellen statt.

An diesem Morgen hat der Wecker der zehnjährigen Maria Sifft schon um 5 Uhr geklingelt. Damit sie nicht wieder die ersten drei Schulstunden verpasst, so wie am Montag, an ihrem ersten Tag in der neuen Schule. Da war sie um halb sieben mit ihrer Mutter Helena losgefahren, von Freilassing in Bayern über die Grenze ins österreichische Salzburg, wo Marias neue Schule liegt. Von ihrem Zuhause dorthin sind es sieben Kilometer. Mutter und Tochter brauchten mit dem Bus dreieinhalb Stunden.

Die Siffts gehören zu den vielen Menschen, deren Alltag schwerer geworden ist, seit die Bundespolizei die Grenzen zwischen Deutschland und Österreich kontrolliert. Die Straßenkontrollen behindern den Verkehr – und darunter leiden vor allem die Pendler, die täglich zwischen beiden Ländern hin- und herfahren. „Jeder dritte Mitarbeiter in der Firma meines Mannes kommt aus Österreich“, sagt Helena Sifft. „Sie kamen alle zu spät oder gar nicht zur Arbeit.“

Die Kontrollen gelten eigentlich nur Fahrzeugen, die aus Österreich kommen. Doch Autofahrer stehen auch in die andere Richtung im Stau. Es sei denn, sie kennen die Schleichwege. So wie Herbert Prechtl, der seit 30 Jahren in der Gegend Taxi fährt. Er fuhr auf der Bundestraße ein paar Hundert Meter nördlich der A8 unbehelligt nach Salzburg – und wieder zurück. „Die Schleuser wissen das doch auch längst“, sagt Prechtl. „Was machen die Kontrollen dann für einen Sinn?“

Wer wird angehalten?

Kontrollpunkt Piding, A8 Richtung München: Rund ein Dutzend Bundespolizisten aus Berlin steht in strömendem Regen. Die Beamten tragen gelbe Warnwesten und schwarze Schirmmützen, von denen das Wasser tropft, die Stimmung ist eher gereizt. Die Polizei hält ganz bestimmte Autos an: vor allem die mit ausländischem Kennzeichen oder ausländisch aussehenden Fahrern, viele davon dunkelhaarig, aus Bosnien, Rumänien, Bulgarien. Wie die Beamten ihre Auswahl treffen? Einer von ihnen tippt sich wortlos gegen den nassen Nasenflügel. Will wohl sagen: polizeilicher Riecher.

Polizeisprecher Matthias Knott nennt es „polizeiliche Erfahrungswerte“. Und die haben offenbar dazu geführt, dass seit Sonntagabend etwa zehn Schleuser und rund 30 Flüchtlinge auf der A8 bei Piding abgefangen wurden. Angesichts der mehr als 19.000 Flüchtlinge, die an diesem Wochenende in München ankamen, ist das nicht viel.

Flüchtlinge werden nicht zurückgeschickt

„Warum kontrollieren sie hier, hier ist doch gar keine Grenze!“ Novica Mitrovic, 68, ist seit 20 Stunden unterwegs, er kommt aus Serbien. Dort hat er Urlaub gemacht und jetzt will er endlich zurück nach München, wo er seit 46 Jahren lebt. Die Kontrollen hätten ihn drei Stunden gekostet, sagt der pensionierte Elektriker.

Mitrovic hat recht mit seiner Kritik: Die Grenze ist drei Kilometer entfernt. Direkt an der Grenze seien Kontrollen logistisch schwierig, sagt Polizeisprecher Knott. Man brauche schließlich Platz, um die Fahrzeuge herauszuwinken. „Genauso wenig können Sie die Züge aus Österreich mitten auf der Brücke anhalten.“

Das ist der Grund, warum die Bundespolizei erst im Bahnhof Freilassing Flüchtlinge aus den Zügen holt, die aus Salzburg kommen. Das Problem: In Freilassing sind die Flüchtlinge bereits auf deutschem Boden, genau wie an der Straßensperre in Piding. „Eine Zurückweisung wäre nur direkt an der Grenze rechtlich möglich“, sagt Knott.

Die Flüchtlinge werden also nicht zurückgeschickt, sondern sie kommen in eine der umliegenden Polizeidienststellen und dann in ein Erstaufnahmelager. Dort wären die meisten von ihnen jedoch auch eingetroffen, wenn die Polizei sie nicht kurz hinter der Grenze abgefangen hätte. Die Kontrollen, wie sie im Moment laufen, werden also kaum den Zweck erfüllen, den Bundesinnenminister Thomas de Maizière angekündigt hatte: den Zustrom der Flüchtlinge zu begrenzen.

Trotzdem stellt man sich an der A8 darauf ein, wohl mindestens einige Tage und vielleicht auch länger zu bleiben. Am Montagabend kam ein Lastwagen der Bundespolizei an der Straßenkontrolle Piding an. Er brachte Planen und Stangen für zwei Zelte. Zum Schutz gegen das launische Bergwetter.

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