24. August 2015 · Kommentare deaktiviert für „Der Ansturm ist nicht aufzuhalten“ · Kategorien: Balkanroute, Mazedonien, Serbien · Tags: ,

Quelle: nzz

Der Versuch Mazedoniens, den Flüchtlingsstrom mit einer Sperrung der Grenze aufzuhalten, ist gescheitert. Dagegen hat Serbien schnell auf die Notlage reagiert. Doch auch dort will man die reichen Länder mehr in die Pflicht nehmen.

Andreas Ernst
, Belgrad

Der Strom von Flüchtlingen, die auf der Balkanroute (Griechenland–Mazedonien–Serbien–Ungarn) unterwegs nach Norden sind, hält an. Am Sonntag kamen nach Angaben des serbischen Staatssenders RTS gegen 5000 Neuankömmlinge aus Mazedonien ins südserbische Presevo, wo sie im Empfangszentrum registriert, verpflegt und wo nötig medizinisch versorgt wurden. Mazedonien hatte am Mittwoch den Ausnahmezustand verhängt und vorübergehend seine Südgrenze geschlossen.

Chaotische Szenen

Darauf kam es in der Nähe des Grenzortes Gevgelija zu chaotischen Szenen. Flüchtlingsgruppen, die bis zu drei Tage ohne nennenswerte Versorgung im Grenzstreifen ausgeharrt hatten, versuchten Polizeikordons zu durchbrechen. Die Polizei setzte Tränengas ein und feuerte Blendgranaten in die Menge. Lokale Medien berichteten von Verletzten. Etliche der Flüchtlinge seien dehydriert gewesen. Später setzte heftiger Regen ein. Nach mazedonischen Angaben kommen die meisten Flüchtlinge aus Syrien, es folgen Afghanistan und der Irak als Herkunftsländer. Im Verlauf des Wochenendes lockerte die Polizei die Sperren und liess Flüchtlinge in Zügen zur serbischen Grenze fahren. Mazedonien ist so wenig wie Serbien das Zielland dieser Menschen. Beides sind nur Transitländer, die sie so schnell wie möglich durchqueren wollen. Anders als Serbien, das schnell eine minimale Infrastruktur auf die Beine stellte, reagiert der mazedonische Staat lethargisch auf die Notlage. Erst jetzt haben die Behörden begonnen, bei Gevgelija ein Empfangszentrum zu bauen. Während in Mazedonien die Flüchtlinge mit Tränengas empfangen wurden, begab sich in Serbien der Verteidigungsminister nach Presevo und gab den Bau eines weiteren Lagers bekannt. In einer Werbeaktion in eigener Sache trug er vor laufenden Kameras dem kleinen syrischen Knaben Ahmed den Rucksack. Das mag Politkitsch sein, trägt aber dazu bei, dass in Serbien die Einstellung der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen weiterhin vergleichsweise positiv ist. Die Hilfsbereitschaft in Teilen der Bevölkerung ist bemerkenswert. Es sind vor allem spontan gebildete Bürgergruppen – und weniger die auf Spenden wartende NGO –, die den Flüchtlingen in den Parks von Belgrad Esswaren und Kleider bringen und Spiele mit den Kindern veranstalten. «Die Leute sind erschöpft, aber sie wissen, dass das Schlimmste vorbei ist – es fehlen nur noch ein paar hundert Kilometer», sagt Gordan Paunovic, ein Aktivist, der seit Monaten private Hilfsaktionen organisiert. Paunovic befürwortet eine Beschleunigung der Durchreise der Flüchtlinge durch Mazedonien und Serbien. Die beiden Länder sollten zusammenarbeiten und die aus dem EU-Staat Griechenland kommenden Flüchtlinge direkt bis zur ungarischen EU-Grenze transportieren. Das wird sich kaum realisieren lassen, denn Serbien und Mazedonien sind EU-Kandidaten-Länder und wollen es mit Brüssel nicht verderben.

Imageschaden für die EU

Aber die Passivität der EU wird vielerorts kritisiert. Mazedonien habe bis jetzt nur symbolische Unterstützung aus der EU erhalten, klagte ein Regierungsvertreter in Skopje. Auch in Serbien appelliert die Regierung an die EU, dem Problem der Einwanderungswelle auf europäischer Ebene zu begegnen.

Es entgeht niemandem auf dem Balkan, wie hilflos die lange Zeit bewunderte und begehrte EU auf diese Bewährungsprobe reagiert.

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