19. August 2015 · Kommentare deaktiviert für „Völlig überfordert: Durch diese Nadelöhre strömen die Flüchtlinge nach Europa!“ · Kategorien: Balkanroute, Mittelmeerroute · Tags:

Quelle: Focus

In einigen Städten wie dem mazedonischen Gevgelija haben die Behörden bereits vor dem Flüchtlingsansturm kapituliert. Es gibt einige Nadelöhre, durch die besonders viele Asylsuchende nach Europa zu gelangen versuchen. FOCUS Online zeigt, wo sie liegen und wie die Behörden dort damit umgehen.

Nadelöhr 1: Gevgelija (Mazedonien)

Die mazedonische Stadt Gevgelija liegt an der Grenze zu Griechenland und damit auf der „West-Balkanroute“ der Flüchtlinge: Die Asylsuchenden fahren mit Zügen von Griechenland aus durch Mazedonien weiter nach Serbien.

Wie viele Flüchtlinge kommen?

Laut Hilfsorganisationen kamen allein am vergangenen Wochenende rund 4000 Flüchtlinge im griechisch-mazedonischen Grenzgebiet an. Im Jahr 2014 zählte die EU-Grenzschutzagentur Frontex 43.360 illegale Einreisen über die West-Balkanroute.

Wie geht Mazedonien damit um?

Die mazedonischen Sicherheitsbehörden sind offensichtlich überfordert. Augenzeugen berichteten am Wochenende, die Polizei habe jeden Versuch aufgegeben, die Flüchtlinge zu kontrollieren. Daher reisen die meisten ohne Registrierung weiter.

Politiker in Mazedonien und Serbien befürchten, dass der Ansturm bald noch größer wird: Wenn nämlich Ungarn wie angekündigt die Grenze zu Serbien dichtmacht. Seit Anfang August baut Ungarn einen 175 Kilometer langen Grenzzaun, der illegale Einreisen erschweren soll.

Nadelöhr 2: Malta

Der Inselstaat im Mittelmeer liegt auf der „Zentralen Mittelmeer-Route“ der Flüchtlingsströme.

Wie viele Flüchtlinge kommen?

2014 reisten laut Frontex 170.760 Flüchtlinge illegal über die Mittelmeer-Route nach Europa ein, vor allem über Malta und die italienische Insel Lampedusa. Die meisten Flüchtlinge stammten aus Syrien und Eritrea.

Wie geht Malta damit um?

Der Zwergstaat hat mehrere Containerdörfer für die Flüchtlinge errichtet. Ankommende Flüchtlinge werden bis zu 18 Monate in gefängnisähnlichen Camps festgehalten. Danach sollen sie in Lager verlegt werden, in denen sie sich freier bewegen dürfen. Allerdings sind die Lebensbedingungen auch in diesen Lagern schwierig: Ein EU-Länderreport kommt zu dem Ergebnis, dass fast alle Camps überbelegt und die hygienischen Bedingungen schlecht sind.

Die Regierung fühlt sich vom Flüchtlingsansturm überfordert und verlangt wie andere Mittelmeer-Länder mehr Unterstützung von der Europäischen Union.

Nadelöhr 3: Ägäis-Inseln Kos und Lesbos (Griechenland)

Wie viele Flüchtlinge kommen?

Täglich gelangen hunderte Menschen aus Bürgerkriegsländern wie Syrien oder Afghanistan über die Türkei mit Schlauchbooten auf griechisches Territorium.

Wie geht Griechenland damit um?

Die Behörden auf den Ägäis-Inseln sind überfordert: Unterkünfte und Lebensmittel für die Flüchtlinge fehlen und die Behörden kommen mit der Registrierung der Flüchtlinge nicht hinterher. Seit dem Wochenende hat sich die Lage aber etwas entspannt: Auf Lesbos wurden hunderte Flüchtlinge registriert und warten jetzt darauf, mit Fähren die Insel verlassen zu können. Allerdings sind viele Fähren derzeit von Urlaubern ausgebucht. Viele der Flüchtlinge auf Kos werden seit Sonntag provisorisch auf einer Fähre untergebracht. Auch sie warten auf die Weiterfahrt Richtung Athen. Von dort wollen die meisten weiter nach Westeuropa.

Nadelöhr 4: Süditalien und Sizilien

Wie viele Flüchtlinge kommen?

Das italienische Innenministerium meldet für das erste Halbjahr 2015 rund 93.500 illegal eingereiste Flüchtlinge für Gesamt-Italien. Allein in den süditalienischen Regionen Apulien und Kalabrien sowie auf Sizilien kommen laut Frontex jährlich rund 5000 Flüchtlinge an. Die meisten kommen in Booten und Schiffen über das Mittelmeer.

Wie geht Italien damit um?

Die italienische Marine ist im Dauereinsatz, um Flüchtlinge zu retten, die die gefährliche Überfahrt aus Nordafrika riskieren – meist in völlig überbelegten Booten. Erst am Wochenende kamen wieder dutzende Menschen in einem Fischerboot ums Leben, sie erstickten vermutlich im Laderaum.

Die italienischen Behörden haben es mittlerweile aufgegeben, allen Flüchtlingen die Fingerabdrücke abzunehmen und diese zu speichern. Diese Praxis kritisiert aktuell der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Sein Vorwurf: Länder wie Italien ließen die Flüchtlinge einfach weiterziehen – zum Beispiel nach Deutschland.

Nadelöhr 5: Calais (Frankreich)

Die französische Hafenstadt Calais ist nur knapp 30 Kilometer von der britischen Küste entfernt. Das macht die Stadt für Flüchtlinge interessant: Sie versuchen, über den Tunnel unter dem Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen.

Wie viele Flüchtlinge kommen dort an?

Nach Angaben der Eurotunnel-Betreiber wurden von Jahresbeginn bis Ende Juli 37.000 Migranten abgefangen. Im vergangenen Monat hatte es pro Nacht bis zu 2000 solcher Versuche von Flüchtlingen gegeben. Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt. Aber in dem illegalen Flüchtlingscamp „Neuer Dschungel“ in Calais sollen immer noch um die 3000Menschen leben, die auf eine Gelegenheit zum Grenzübertritt warten.

Wie geht Frankreich damit um?

Frankreich hat mittlerweile die Sicherheitsmaßnahmen in Calais verstärkt: Stacheldraht, Sicherheitsstreifen, Militärjeeps, Kameras und Spürhunde sollen es Flüchtlingen schwerer machen, die Zäune am Eurotunnel zu überwinden. Offenbar wirkt diese Strategie: Wie der britische Sender BBC am Sonntag meldete, ist die Zahl der Flüchtlinge, die versuchen, nachts von Calais an Bord von Güterzügen und Lastwagen nach Großbritannien zu gelangen, auf etwa 150 gesunken.

Nadelöhr 6: Terespol (Polen)

Die polnische Kleinstadt liegt direkt an der Grenze zu Weißrussland. Die „grüne Grenze“ zwischen Polen, Weißrussland und der Ukraine ist dicht bewaldet und wird wenig kontrolliert. Flüchtlinge reisen hier per Zug und Auto durch – oder sie laufen einfach durch den Wald über die Grenze.

Wie viele Flüchtlinge kommen?

Über die „Ost-Grenzen-Route“ reisen laut Frontex jährlich zwischen 1000 und 1600 Flüchtlinge nach Europa ein. Die meisten stammen aus der russischen Kaukasus-Republik Tschetschenien und der Ukraine. Die Zahlen sind gering verglichen mit dem Mittelmeer-Raum. Sie könnten aber durchaus ansteigen: Erstens, wenn sich der Konflikt in der Ostukraine weiter ausweitet. Zweitens könnte die wenig kontrollierte Ost-Route auch für Flüchtlinge aus weiter entfernten Ländern interessant werden. Schon jetzt werden auch Syrer, Ägypter und Iraker an der polnischen Grenze aufgegriffen.

Wie geht Polen mit den Flüchtlingen um?

Polen versteht sich als reines Transitland für Flüchtlinge – und die Regierung möchte, dass das so bleibt. Deshalb müssen Flüchtlinge beispielsweise in abseits gelegenen Unterkünften leben: Eine Integration ist nicht gewünscht.

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